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DAZ aktuell
Doping muss grenzübergreifend bekämpft werden
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Herr Professor Clasing, zunächst erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 70. Geburtstag. Sie können auf 35 Jahre Dopingbekämpfung im Sport zurückblicken, wobei Sie auch die Apotheker über wichtige Entwicklungen informiert haben [1]. Wenn Sie diese 35 Jahre überblicken, was waren die zentralen Herausforderungen 1970 und welche sind es heute?
Clasing:
Bis zu Beginn der 1970er Jahre galt es vor allem, die Einnahme von Stimulanzien am Wettkampftag zu entlarven. Zu den Olympischen Spielen 1976 in Montreal gelang es dann erstmals, Anabolika nachzuweisen. Da diese Wirkstoffe im Trainingsprozess eingenommen wurden, war klar, dass eine Bekämpfung des Anabolikamissbrauchs Dopingkontrollen auch außerhalb der Wettkampfkontrollen (so genannte Trainingskontrollen) erforderlich machte. Erst Ende der 1980er Jahre wurden diese Kontrollen jedoch eingeführt.
Seit den Olympischen Spielen 1988 in Calgary dreht sich die Diskussion zudem um die unerlaubte Gabe von Erythropoietin (EPO) zur Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Vorläufer dieser Manipulation waren Bluttransfusionen. Der analytische Nachweis bestand bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City seine Bewährungsprobe. Die Analyse ist aufwändig und teuer, dazu das Zeitfenster relativ klein. Biologische Anpassungserscheinungen (Hämatokrit, Hämoglobin, Retikulozyten) werden zur Beurteilung herangezogen. Das heißt, Kontrollen werden nicht nur aufgrund von Urinproben nach und außerhalb von Wettkämpfen, sondern auch aufgrund von Blutentnahmen kurz vor den Wettkämpfen durchgeführt.
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Hat die Einführung des § 6 a Arzneimittelgesetz (Verbot von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport) konkret etwas verbessert?
Clasing:
Nach unseren, den Erfahrungen der NADA, und denen der nationalen Fachverbände bringt der § 6 a AMG nichts in der Dopingbekämpfung. Wenn nach positiven Dopingkontrollen und Sanktionierung Anzeigen bei Staatsanwaltschaften durch den Verband gestellt wurden, wurde teilweise nicht mal der Eingang der Anzeige bestätigt. Zu irgendwelchen Maßnahmen scheint es bislang nicht gekommen zu sein. So ist auch der Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung von 2003 zu deuten. Wichtig wäre z. B. die Schaffung gesetzlicher und technischer Möglichkeiten, um den grenzüberschreitenden Internethandel zu unterbinden.
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Heute ist die Nationale Anti Doping Agentur ein wichtiger Akteur für die Umsetzung des Reglements und der Organisation der Dopingkontrollen. Können Sie kurz die Aufgaben der NADA und ihre Einbettung in das internationale System zur Dopingbekämpfung skizzieren?
Clasing:
Die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland ist eine Stiftung öffentlichen Rechts. In ihrem Kuratorium sind der Sport, die Politik und Wirtschaftsunternehmen vertreten. Entsprechend ihrer Verfassung umfassen die Aufgaben der NADA die Durchführung eines Doping-Kontroll-Systems (DKS) innerhalb und außerhalb von Wettkämpfen, die Weiter- und Fortentwicklung des DKS, die Kooperation mit Institutionen aus Politik, Sport und Wissenschaft, die internationale Zusammenarbeit – natürlich vor allem mit der World Anti Doping Agency (WADA), Entwicklung von Präventionskonzepten, Aufbau eines Sportschiedsgerichts und den Unterhalt einer Beratungs- und Auskunftsstelle.
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Die gängigen zu Dopingzwecken eingesetzten Arzneimittelgruppen – Anabolika, Stimulanzien und Wachstumshormone – sind ja bekannt. Welche Mittel, die nicht von vornherein als Dopingmittel erkennbar sind, werden sonst noch eingesetzt?
Clasing:
EPO und Asthmasprays wären da zu nennen. Der "Renner" ist seit einiger Zeit das gentechnisch hergestellte Erythropoietin (EPO). Mit diesem für Dialysepatienten segensreichen Medikament wird erheblicher Missbrauch, besonders im Ausdauerbereich, betrieben. Es wird versucht, die Sauerstofftransportkapazität des Blutes zu erhöhen und somit mehr Energie der arbeitenden Muskulatur zur Verfügung zu stellen, d. h. die Ausdauerleistungsfähigkeit wird verbessert.
Eine andere Wirkstoffgruppe, die für die NADA eine große Rolle spielt, sind die Beta-2-Agonisten, die Asthma-Sprays. Bei Patienten mit asthmatischen Beschwerden helfen entsprechende Sprühstöße vor einer Belastung zu beschwerdefreier sportlicher Betätigung. Bei einem Lungengesunden kommt es dagegen zu keiner Verbesserung der Atmung und somit auch nicht der sportlichen Leistung. Allerdings glauben viele Sportler an die Wirkung zur Leistungssteigerung.
Die NADA muss entsprechende Anträge mit ärztlichen Befunden begutachten und dann erforderlichenfalls eine Freistellung zur Behandlung mit den eigentlich verbotenen Beta-2-Agonisten aussprechen. Das macht viel Arbeit, nutzt aber nicht viel. Von daher hätte ich auch nichts dagegen, wenn man diese Mittel von der Verbotsliste streichen würde. Allerdings könnte dies dazu führen, dass noch mehr Sportler die Produkte in der – falschen – Hoffnung auf Leistungssteigerung einsetzen würden. Das muss man leider berücksichtigen, und von daher kann ich verstehen, wenn man derzeit nicht an eine Streichung denkt.
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Das erinnert ein wenig an die so genannten Nahrungsergänzungsmittel. Auch diese Produkte werden eingesetzt, weil sich viele Sportler dadurch eine Leistungssteigerung versprechen. Wie ist Ihre Meinung?
Clasing:
Mit dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) wird sehr viel Geld verdient, obwohl die Erfordernisse der Sportler mit einer an ihren Bedarf angepassten normalen Kost ausreichend gedeckt werden können. Möglicherweise muss Eisen, besonders bei Langläuferinnen, und Magnesium substituiert werden. Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass das Leistungsvermögen durch einen Überschuss an Proteinen, Kohlenhydraten, Mineralien und Vitaminen gesteigert werden kann, ist jedoch nicht belegt.
Auch die Tatsache, dass erfolgreiche Nationalmannschaften und bekannte Sportler für entsprechende Präparate werben, beweist nicht deren Wirksamkeit, deutet höchstens auf geschäftliche Interessen hin. Aber noch etwas ist zu beachten: Verschiedene NEM können dem Dopingverbot unterliegende Steroidhormone bzw. deren Vorläufersubstanzen enthalten, ohne dass diese aus den Herstellerangaben ersichtlich sind. Nach Untersuchungen des Institutes für Biochemie, Deutsche Sporthochschule Köln, wiesen rund 15% der Proben positive Befunde für verbotene anabol-androgene Steroide (so genannte Prohormone) auf, die nicht auf der Packung deklariert waren.
Ausländische Präparate, z. B. unter den Namen Chrysin, Guarana, Tribulus Terrestis, können ebenfalls dem Dopingverbot unterliegende Wirkstoffe enthalten. Bei asiatischen Tees muss auf Beimengungen von Ephedrin geachtet werden. Konsumieren Athleten solche NEM mit den beschriebenen (Spuren-) Beimengungen, können anschließend abgegebene Urinproben positive Analysenbefunde, wie z. B. bei der Einnahme von verbotenen Steroidanabolika (z. B. von Nandrolon), liefern.
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Manchmal sind Apotheker nicht sicher, ob ein gewünschtes Präparat dopingverdächtig ist oder nicht. Können Sie eine Institution nennen, an die sich eine Apotheke wenden kann, wenn sie weitere Informationen über bislang wenig bekannte Substanzen haben möchte?
Clasing:
Die NADA versucht Informationen zu erlangen und diese den Betroffenen zugänglich zu machen. In den meisten Fällen sollten die Apotheker die Wirkstoffe nach der jeweils gültigen Verbotsliste der WADA (nachzulesen unter www.nada-bonn.de) einschätzen können.
Noch besser wäre sicherlich eine direkte Kennzeichnung der Medikamente auf dem Beipackzettel bei den Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen usw., wie es in einigen Ländern üblich ist, mit einem Warnhinweis auf die Dopingproblematik.
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Neben den Kontrollen spielt auch die Prävention eine wesentliche Rolle. Welche Möglichkeiten im Präventionsbereich hat die NADA?
Clasing:
Aufklärung und Kontrollen sind im Leistungs- und Hochleistungssport die wesentlichen Punkte einer restriktiven Prävention. Neben diesen wirksamen Kontrollen und entsprechenden Sanktionen sind erfolgreiche präventive Strategien die unerlässliche Voraussetzung für einen Erfolg versprechenden Anti-Doping-Kampf. Die NADA hat hierzu ein sehr breit angelegtes und differenziertes Konzept entwickelt. In diesem Jahr wird mit der konkreten Umsetzung der Präventionsstrategie begonnen.
Für die Nachhaltigkeit der Präventionsmaßnahmen erfolgt nicht nur eine Orientierung an modernen Präventionsansätzen, notwendig ist auch eine Kombination von Maßnahmen der Verhaltens- und der Verhältnisprävention, denn das Missbrauchsverhalten hängt nicht nur von der persönlichen Disposition der Sportler ab. Präventive Maßnahmen haben auch das soziale Umfeld in den Blick zu nehmen und zu seiner Umgestaltung beizutragen.
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Was sind in Ihren Augen in Zukunft notwendige Maßnahmen, um Doping im Sport weiter einzugrenzen? Gibt es vielleicht andere Länder, deren Systeme Sie für vorbildlich halten?
Clasing:
Die WADA muss im Anti-Doping-Kampf die absolute Führungsrolle einnehmen. Das heißt die internationalen und nationalen Fachverbände müssen den WADA-Code ohne Abstriche übernehmen. Beispiele aus der letzten Zeit zeigen die Spannweite des Verhaltens von Fachverbänden bei positiven Befunden. Der Radrennfahrer Danilo Hondo wurde unmittelbar nach dem Vorliegen positiver Dopingkontrollen suspendiert und aus seiner Mannschaft ausgeschlossen. Bei den Reitern gibt es dagegen kein vernünftiges Reglement, nach dem rasch und konsequent bei positiven Befunden (der Pferde) gehandelt wird. Die Reiter dürfen weiter starten und Preise gewinnen. Diese ungleiche Behandlung der Sportler muss aufhören.
Das WADA-Reglement und die WADA-Verbotsliste sind eindeutig. Die internationalen Fachverbände müssen ihre Statuten entsprechend rasch anpassen. Juristische Spitzfindigkeiten, unterschiedliche Zeitabläufe in der Sportgerichtsbarkeit, unterschiedliche Sanktionen u. ä. müssen unterbleiben. Mängel bei der Probenentnahme, dem Transport und der Lagerung sind bekannt und müssen rasch abgestellt werden. In Deutschland haben wir die entsprechenden Regelwerke jeweils rasch umgesetzt und bemühen uns, optimale Bedingungen zu schaffen.
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Vielen Dank für das Gespräch!
Literaturtipp
Stellen Sie sich dem Tabuthema Doping! Mit objektiven Informationen gerüstet, beraten Sie sicher und kompetent. Ob Tour de France, Olympische Spiele oder Leichtathletik-Meetings: Spektakuläre Fälle im Spitzensport lenken die Aufmerksamkeit immer wieder auf das Phänomen Doping.
Vorsicht! Was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs, während unter der Oberfläche Breitensportler problemlos an unerlaubte Substanzen gelangen können.
- Welche Wirkungen erhoffen sich Sportler von den Substanzen?
- Wo liegen die Risiken?
- Was ist von Nahrungsergänzungsmittel zu halten?
- Welche Dopinglisten gibt es?
Antworten auf diese Fragen gibt das Buch "Doping im Sport: Wer – Womit – Warum" von Karl Feiden und Helga Blasius.
Feiden, Karl / Blasius, Helga Doping im Sport: Wer – Womit – Warum 150 S., 10 s/w Abb., 15 s/w Tab.; Erschienen in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH 2002, ISBN 3-8047-1919-8, 18 Euro
Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse: Deutscher Apotheker Verlag Postfach 101061 70009 Stuttgart oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de oder per Telefon unter: (07 11) 25 82-341
Internet
www.bisp.de: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) www.dgsp.de: Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) www.nada-bonn.de: Stiftung Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) www.wada-ama.org: World Anti-Doping Agency (WADA)
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