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Versandapotheker: Die BMGS-Länderliste ist Inländerdiskriminierung

Das Bundesgesundheitsministerium hat am 16. Juni die Länderliste zum Versandhandel mit Arzneimitteln veröffentlicht. Darin werden die Sicherheitsstandards der Niederlande und Großbritanniens für den Arzneimittelversandhandel als mit dem deutschen Recht vergleichbar dargestellt. Versandapotheken aus diesen Ländern dürfen demnach offiziell nach Deutschland liefern. Wie sehen die deutschen Versandapotheken diese Liberalisierung? Wir fragten nach bei Dr. Thomas Kerckhoff, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA).

 

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Herr Kerckhoff, wie stellt sich die Veröffentlichung des BMGS aus Sicht der deutschen Versandapotheker dar? Ein begrüßenswerter Schritt zu mehr Liberalität oder eher eine Ungerechtigkeit, ausländische Apotheken mit den deutschen gleich zusetzen? Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ausländische Versender z. T. mit Methoden arbeiten, die deutschen Versendern verwehrt sind, z. B. Verzicht auf die Zuzahlung.

Kerckhoff:

Die Länderliste ist problematisch und widerspricht unserer Ansicht nationalem Interesse. Denn sie stellt alle Versandapotheken der in der Liste aufgeführten Länder rechtlich mit zugelassenen, deutschen Versandapotheken gleich. De facto bedeutet die Länderliste die Aufgabe eines einheitlichen Regelungsrahmens für die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Niederländische und englische Versandapotheken arbeiten nach den Gesetzen und Regelungen ihres Heimatlandes. Diese sind in weiten Teilen mit unseren Gesetzen vergleichbar, auf keinen Fall aber identisch.

Außer Deutschland ist mir kein Land bekannt, welches freiwillig auf die staatliche Souveränität in der Arzneimittelversorgung der eigenen Bevölkerung verzichtet. Problematisch ist diese Regelung auch aus Verbrauchersicht. Denn im Falle von Falsch- oder Fehllieferungen unterliegen deutsche Verbraucher dem Recht der ausländischen Versandapotheke.

Nicht zu unterschätzen sind die "Nebenwirkungen" dieser Ausführungsverordnung auf deutsche Versorgungsstrukturen. Ausländische Kapitalgesellschaften werden quasi dazu eingeladen, die Arzneimittelversorgung in Deutschland zu organisieren. Institutionelle Wettbewerbsnachteile – Stichwort Inländerdiskriminierung – aller deutschen (Versand)Apotheken werden hiermit zementiert.

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Können Sie die Begründung des Ministeriums nachvollziehen, in den Niederlanden und Großbritannien bestünden vergleichbare Sicherheitsstandards?

Kerckhoff:

Sicherlich bestehen in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich ähnliche Sicherheitsstandards im Arzneimittelrecht wie bei uns. Um unseren Standpunkt deutlich zu machen: Britische Lkws dürfen auch über deutsche Autobahnen fahren. Hier müssen sie sich aber verbindlich an die deutsche Straßenverkehrsordnung halten, sprich, es gilt der Rechtsverkehr. Es ist absurd zu glauben, hier ein Heimatlandprinzip reklamieren zu können.

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Denkbar wäre, dass Krankenkassen mit den vermeintlich günstiger liefernden Apotheken aus dem Ausland Verträge abschließen. Müssen die deutschen Versandapotheken jetzt verstärkt die Konkurrenz aus NL und GB fürchten?

Kerckhoff:

Es ist schon heute geübte Praxis der Gesetzlichen Krankenkassen – mit Hinweis auf bestehende Vertragsbeziehungen zu niederländischen Versandapothekern – eine kreative Auslegung der Arzneimittelpreisverordnung zu fordern. Mit diesem Argument werden wir seit der Zulassung des Arzneimittelversandhandels konfrontiert. Hier haben deutsche Versandapotheken klare Wettbewerbsnachteile auch in der Zusammenarbeit mit Krankenkassen.

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Ist die veröffentlichte Länderliste Anlass für den BVDVA, seine Mitglieder zu mehr Aktivitäten in Sachen Werbung für die deutsche Versandapotheke und deren Vorzüge zu machen?

Kerckhoff:

Die deutschen Versandapotheken stehen zum Wettbewerb. Wir arbeiten daran, Marktanteile zwischen stationären Apotheken und Versandapotheken zu verschieben. Ich hoffe, dass nach der Bundestagswahl die Inländerdiskriminierung deutscher Versandapotheken rasch beseitigt wird.

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