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Arbeitsmarkt: Kündigungsschutz und Arbeitslosenquote, Teil 2

Je restriktiver der Kündigungsschutz, desto zurückhaltender sind Unternehmen mit Neueinstellungen Ų so lautet eine gängige These arbeitgeberfreundlicher Kreise. Besonders Kleinbetriebe, die knapp unterhalb der Geltungsgrenze des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) liegen, schrecken angeblich vor der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zurück (vgl. DAZ 26, S. 64).

Doch die Wirklichkeit in deutschen Unternehmen sieht anders aus. Das zeigt eine Reihe von Untersuchungen des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut) in der Hans-Böckler-Stiftung. Der Informationsstand zum Thema Kündigungsschutz ist gerade in Kleinbetrieben gering. 64 Prozent aller Kleinstbetriebe mit bis zu 5 Beschäftigten gaben 2003 in einer Befragung an, dass sie unter das KSchG fallen – das ist jedoch falsch. Immerhin noch 14 Prozent der Betriebe mit 6 bis 9 Beschäftigten waren dagegen überzeugt, in ihrem Unternehmen sei das KSchG nicht gültig – auch das ist falsch.

Keine Unterschiede an der Schwelle

Die unbedingte Voraussetzung für Neueinstellungen ist eine erhöhte gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Ob ein Betrieb unterhalb oder oberhalb der Geltungsgrenze des KSchG liegt, spielt für das Beschäftigungswachstum keine statistisch nachweisbare Rolle. Klein- und mittelständische Unternehmen richten ihr Einstellungsverhalten vielmehr nach Faktoren wie Auftragslage, Kapazitätsauslastung, Geschäftserwartung etc.

Kleinstbetriebe, die keine neuen Mitarbeiter einstellen, weil sie nicht über die Schwelle des KSchG wachsen wollen, gibt es nur vereinzelt. Die WSI-Forscher sprechen in diesen Fällen von "anekdotischer Evidenz".

Auch im internationalen Vergleich lässt sich eine eindeutig negative Wirkung strenger Kündigungsschutzregeln nicht nachweisen, so die Analyse von sieben internationalen Studien durch Truger und Hein. Zum gleichen Ergebnis kam eine OECD-Studie von 1999: Ein rigider Kündigungsschutz hat keinen Einfluss auf das Beschäftigungsniveau, sondern höchstens auf die Strukturen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit.

Einstellungsgründe

Umfragen, die sich lediglich mit den Einstellungsabsichten von Unternehmen befassen, greifen zu kurz. Entscheidend ist die personalpolitische Praxis, so die WSI-Projektgruppe um Prof. Dr. Heide Pfarr. In einer Studie wurden 2000 Personalverantwortliche nach dem ihrer Meinung nach vordringlichen arbeitsrechtlichen Reformbedarf gefragt. Ein knappes Drittel sah keinen Bedarf, ein gutes Drittel hielt das KSchG für reformbedürftig. Doch das Einstellungsverhalten der Befragten war völlig unabhängig von ihrer Meinung. Selbst negative Erfahrungen mit den bestehenden Kündigungsschutzregelungen – z. B. eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht – haben keinen Einfluss darauf, ob neue Stellen geschaffen werden.

Besonders großen Einfluss haben dagegen die aktuelle wirtschaftliche Situation eines Unternehmens und seine wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren. Was nicht verwundert: Unternehmen, die in beiden Punkten gut abschneiden, schaffen besonders viele neue Stellen.

Kein Beschäftigungshindernis

Hier noch einmal die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • Das Überschreiten der Schwelle, ab der das KSchG gilt, hat keine Auswirkungen auf das Einstellungsverhalten. Würde die Schwelle nach oben verschoben und mehr Unternehmen vom KSchG ausgenommen, würden deshalb nicht mehr Stellen geschaffen.
  • Von den vom Arbeitgeber gekündigten Beschäftigten (ca. ein Drittel aller Kündigungen) gehen nur 10 bis 15 % gerichtlich gegen die Kündigung vor.
  • Kleinbetriebe werden seltener beklagt, obwohl dort die Arbeitgeber häufiger kündigen. Es werden seltener und geringere Abfindungen gezahlt als in größeren Firmen.

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