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Die Seite 3
Apothekenzukunft aus schwarz-roter Sicht
In der vorigen Woche hat schwarz-gelb die Mehrheit in einem großen Teil der verbreiteten Umfragen verloren. Dies muss noch nichts bedeuten, denn gewählt wird erst am 18. September und nicht mal das ist wirklich sicher. Und doch ist eine denkbare große Koalition schon jetzt zum beherrschenden Thema in den Medien geworden. Die großen Parteien führen einen Personenwahlkampf, denn das ist inhaltlich unverfänglich. Inhaltliche Detailaussagen werden dagegen sorgfältig vermieden, als gelte es schon jetzt, eine mögliche große Koalition nicht zu belasten. Innenminister Schily wies sogar auf Gemeinsamkeiten mit der Union in der Sicherheitspolitik hin – und das mitten im Wahlkampf. Wo die Positionen sich unterscheiden, sind meistens Kompromisse denkbar, wenn der politische Wille vorhanden ist: Die von der Union geforderte Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte könnte auf einen Prozentpunkt hinauslaufen. Der Atomausstieg, den die Union bis zum Ende der technischen Nutzungsdauer der bestehenden Kraftwerke verschieben möchte, könnte zunächst ein paar weitere Jahre hinausgezögert werden, um Zeit zu gewinnen.
Und in der Gesundheitspolitik? Nirgendwo sonst dürften die beiden großen Parteien so weit auseinander liegen wie bei den beiden wesensverschiedenen Konzepten des Prämiensystems und der Bürgerversicherung. Wahrscheinlich ist die Gesundheitspolitik darum auch im Wahlkampf so wenig präsent. Das einzige erkennbare praktikable Konzept, das die Gegensätze zwischen den beiden Vorschlägen umgeht, ist das bestehende System. Das friedliche Nebeneinander zwischen einer stark regulierten GKV und einer PKV mit weitgehender Vertragsfreiheit ist ein historisch gewachsener und fein austarierter Kompromiss, an dessen Entwicklung beide politische Lager ihre Anteile haben. Eine große Koalition würde dieses in seinem Kern bewährte System höchstwahrscheinlich nicht umwerfen, sondern in kleinen Schritten weiter entwickeln, was viele sowieso schon erwartet hatten, als von einer solchen politischen Konstellation noch keine Rede war.
Spektakuläre Veränderungen auf der Einnahmenseite wären dann nicht zu erwarten, weil die beiden großen Parteien dort zu weit voneinander entfernt sind. Damit würde die Aufmerksamkeit wieder einmal mehr auf die Ausgabenseite gerichtet. Wie groß dort der Konsens ist, hat schon das GMG gezeigt. Apotheker und andere Leistungserbringer müssten die nächsten Reformen nach dem bisherigen Muster erwarten – Festbeträge, neue Vertragsformen, Integrierte Versorgung. Die Arzneimittelausgaben würden weiter im Vordergrund stehen, neue Zwangsrabatte der Industrie lägen nahe – weil es so schön einfach ist. Große Optimisten könnten argumentieren, dass allein eine große Koalition vielleicht die Kraft hätte, die fest gemauerten Strukturen in den Krankenhäusern zu überwinden und dort wirksame Sparmaßnahmen einzuführen. Vermutlich wäre eher zu befürchten, dass im Interesse eines angeblich stärkeren Wettbewerbs weiter der Weg für neue Oligopole in der ambulanten Versorgung bereitet wird. Spannend wäre es zu erleben, ob neben den politisch festgelegten üblichen Medien-Experten Lauterbach & Co weitere unverbrauchte Kollegen aus dem anderen Lager eine ähnliche Präsenz in der Öffentlichkeit erreichen könnten. Vielleicht würden Apotheker und Arzneimittelhersteller dann etwas seltener als Sündenböcke vorgeführt. Insgesamt klingt das alles für die Apotheker wenig erfreulich, wäre aber immer noch bedeutend besser als dem Monopol einer Einheits-Bürgerversicherung gegenüber zu stehen.
So bliebe dem Gesundheitswesen bei einer großen Koalition die Hoffnung, dass Reformen auf anderen Gebieten, in denen sich die großen Parteien näher stehen, der Wirtschaft gute Impulse verleihen. Das könnte den wirtschaftlichen Druck vom Gesundheitssystem nehmen und mehr bewirken als jede bisherige Gesundheitsreform. Der Blick auf die Gesundheitspolitik selbst macht dagegen deutlich, worin der Charme einer großen Koalition liegt: das Ideal wird nicht erreicht, aber die Katastrophe wird verhindert – und das gilt unabhängig vom Standpunkt des Betrachters.
Thomas Müller-Bohn
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