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BKK-Chef Schmeinck: Schluss mit Rabattgeschacher
"Die finanzielle Erholung für die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen ist ganz offensichtlich seit Beginn des Jahres 2005 beendet", sagte Schmeinck am 9. August in Berlin. Gab die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im vergangenen Jahr 21 Mrd. Euro für Arzneimittel aus, werden es aktuellen BKK-Schätzungen zufolge in diesem Jahr rund 25 Mrd. Euro sein. Dies entspricht einem Ausgabenanstieg von bis zu vier Mrd. Euro bzw. 19 Prozent. Im April rechnete Schmeinck noch damit, dass die Steigerungsrate für das Gesamtjahr im einstelligen Bereich bleiben könne.
Segensreiche Festbeträge
Als entscheidende Gründe für den Ausgabenanstieg nannte Schmeinck eine nicht nachvollziehbare Mengenausweitung von rund 8 Prozent, die Verschreibung von patentgeschützten Analogpräparaten und die Verringerung des Herstellerabschlags von 16 auf sechs Prozent. Insbesondere die "Scheininnovationen" sind dem BKK-Chef ein Dorn im Auge. Rund 16 Prozent des Umsatzes entfallen auf dieses Marksegment. Obwohl sie keinen therapierelevanten Zusatznutzen hätten, kosteten sie mit durchschnittlich 75 Euro doppelt so viel wie eine durchschnittliche Verordnung.
Als "sehr segensreiche Einrichtung" bezeichnete es Schmeinck, dass seit letztem Jahr auch patentgeschützte Präparate unter Festbetrag gestellt werden können. Für 2005 rechnet der BKK-Bundesverband durch diese Erweiterung der Festbetragsregelung mit zusätzlichen Einsparungen von 400 Mio. Euro. Insgesamt summiere sich die Entlastung der GKV durch Arzneimittelfestbeträge allein im laufenden Jahr auf rund 2,9 Mrd. Euro, so Schmeinck. Festbeträge hätten sich damit in den letzten 15 Jahren als das einzige Steuerungsinstrument erwiesen, das nachweislich kostendämpfend wirkt.
KBV und KVen in der Verantwortung
Der BKK-Vorstandsvorsitzende betonte, dass der Ausgabenanstieg bei Medikamenten nicht allein den Ärzten zuzuschreiben sei. Diese seien weder für die Senkung des Herstellerrabatts noch für die Mehrausgaben für echte und teuere Innovationen verantwortlich. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) seien Ende letzten Jahres gemeinsam zu der Einschätzung gekommen, dass sie für den so verursachten Anstieg der Arzneimittelausgaben im Jahr 2005 rund 1,2 Mrd. Euro einplanen müssten. Dass dieser Betrag nun deutlich überschritten wird, liegt Schmeinck zufolge allerdings sehr wohl in der Verantwortung der KBV und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). "Die Ärzte haben mit dem Rezeptblock maßgeblich den Schlüssel zu den Arzneimittelausgaben in der Hand", erklärte Schmeinck. Von ihrem Engagement und dem der KVen hänge es ab, wie viel oder wenig die Arzneimittelausgaben steigen oder sinken. Ein Blick auf die Kosten der durchschnittlichen Verordnung nach KVen zeige deutlich regionale Unterschiede, die medizinisch nicht erklärbar sind.
Schmeinck forderte die KBV daher erneut auf, ihre Verweigerungshaltung aufzugeben und sich der Einführung des von den Kassen vorgeschlagenen Bonus-Malus-Systems zu öffnen. Danach sollen Ärzte, die das vereinbarte Verordnungsvolumen unterschreiten, belohnt werden, während jene, die es überschreiten, dafür finanziell in die Verantwortung genommen werden.
Ärgernis Apothekenrabatte
Auch wenn es für die Kassen zu keinem unmittelbaren finanziellen Schaden führt: Auch die Naturalrabatte großer Generikafirmen an Apotheken missfallen dem BKK-Bundesverband. Dieser "Zuverdienst" der Apotheker summiere sich auf einen Betrag zwischen 500 Mio. bis zu einer Mrd. Euro jährlich, erklärte Schmeinck. Apotheker, die für eine gekaufte Packung zwei vom Hersteller bekommen, ließen sich somit doppelt bezahlen. Der Profit aus dem "Rabattgeschacher" gehe an die Apotheker – die GKV gehe leer aus. Der BKK-Chef bedauerte, dass es den Kassen rechtlich nicht möglich ist, gegen diese lang bekannten Methoden der Pharmaindustrie vorzugehen. Ein Versuch der GKV-Selbstverwaltung, dieses Problem im Jahr 2003 durch einen Rahmenvertrag zwischen Apotheken und Krankenkassen zu lösen, schlug bereits fehl.
Um die doppelte Vergütung der Apotheker dennoch in den Griff zu bekommen, fordert der BKK-Bundesverband, die Aut-idem-Regelung wieder zur Ausnahme zu machen. Die Substitution sollte wieder der ausdrücklichen Erlaubnis des Arztes vorbehalten sein, so Schmeinck. Da die Naturalrabatte für die Apotheker das mit staatlicher Preisbindung festgelegte Gewinngefüge verändern, müsse zudem entweder die Abgabevergütung von 8,10 Euro gesenkt oder die Einkaufsvorteile angerechnet und an die Kassen weitergeleitet werden. Der Gesetzgeber sei somit gefordert, den Festaufschlag in der Arzneimittelpreisverordnung anzupassen oder einen – gegebenenfalls schiedsfähigen – Regelungsauftrag an die Rahmenvertragspartner zu erteilen.
Arzneimittelausgaben nicht beitragssatzrelevant
Anders als manche seiner Vorstandskollegen anderer Kassen ist Schmeinck allerdings nicht der Ansicht, dass die steigenden Arzneimittelausgaben in diesem Jahr zu Beitragssatzerhöhungen führen werden. Er zeigte sich verwundert, dass niemand die ebenfalls steigenden Kosten für die stationäre Behandlung als Grund für etwaige Erhöhungen anführt. Die Kostenanstiege in beiden Sektoren könnten in diesem Jahr noch gegen die Mehreinnahmen aus der Tabaksteuer, sowie sinkende Ausgaben beim Zahnersatz und dem Krankengeld gegengerechnet werden. "Im Schnitt dürften sich beide Blöcke ausgleichen", meint Schmeinck. Wie die Entwicklung allerdings im nächsten Jahr aussehe, müsse abgewartet werden.
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