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Wohin soll's gehen in Deutschland?

Am 18. September wird es vorgezogene Bundestagsneuwahlen geben, wenn das Bundesverfassungsgericht diesen Prozess nicht noch in (vor)letzter Minute stoppt. Der Wahlausgang erscheint zur Zeit wieder offen. Denn die politische Landschaft hat sich durch das wahlkampftaktische Zusammengehen von PDS und WASG verschoben. Und die Zahl der unentschlossenen Wähler ist riesig. In den nächsten Wochen soll deshalb an dieser Stelle – als Orientierungshilfe – ein Blick auf die Ziele und Wahlaussagen der vermutlich wahlentscheidenden Parteien geworfen werden.

Dazu hat der ADEXA-Vorstand vor einigen Wochen die Parteibüros von CDU/CSU, FDP, Grünen, SPD, Linkspartei/PDS und Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) angeschrieben. Die Parteien wurden um konkrete Aussagen zu Fragen gebeten, die für ArbeitnehmerInnen im Apothekenbereich besonders relevant sind. Dabei ging es um die Themen Arbeitsrecht und -schutz, Tarifautonomie, Gesundheitspolitik, künftige Finanzierung der Krankenversicherung und steuerpolitische Ziele.

Vorab: Die FDP hat es bisher nicht für nötig befunden, ADEXA zu antworten. Deshalb können wir uns für unsere Darstellung hier nur auf die Aussagen des Wahlprogramms stützen (die Wahlprogramme dienten auch bei den anderen Parteien als zusätzliche Information). Die PDS reagierte dagegen umgehend und ausführlich, Grüne, SPD und Union ebenfalls relativ zeitnah und mit direktem Bezug auf unsere Fragen. Von der WASG gab es keine gesonderte Stellungnahme – inwieweit ihre Positionen mit denen der PDS identisch sind, ist schwer zu beurteilen.

Wahlprüfstein 1: Tarifautonomie

SPD, Grüne und PDS haben sich klar für den Erhalt der Tarifautonomie ausgesprochen. Die bisherigen Regierungsparteien gehen davon aus, dass die Tarifpartner genügend Spielräume haben, um im Bedarfsfall flexible Lösungen für angeschlagene Betriebe zu finden. Die PDS will Gewerkschaften über die bestehenden Regelungen hinaus ein Verbandsklagerecht einräumen. Außerdem plädiert sie für einen gesetzlichen Mindestlohn von 1400 Euro brutto, der aber die Tarifautonomie nicht aushebeln soll.

Die Union räumt zwar der Tarifautonomie angeblich einen hohen Stellenwert ein, hat aber trotzdem Eingriffe vorgesehen. Betriebliche Bündnisse sollen auch entgegen den geltenden Tarifverträgen möglich sein, wenn sie vom Betriebsrat und zwei Dritteln der Beschäftigten abgesegnet sind. Entsprechende Änderungen im Tarifvertragsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz sind geplant.

Die Haltung der FDP zum Thema Tarifautonomie kann am besten mit einem Zitat aus dem FDP-Wahlprogramm skizziert werden: "Die FDP will das Tarifkartell aufbrechen und betriebliche Bündnisse für Arbeit ermöglichen. Wir setzen auf Selbstbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben statt auf Fremdbestimmung durch Gewerkschaftsfunktionäre." Abweichungen vom Tarifvertrag sollen möglich sein, wenn sich 75% der Beschäftigten oder der Betriebsrat dafür aussprechen. Zitat: "Die gesetzliche Öffnung des Flächentarifs, die Legalisierung von betrieblichen Bündnissen für Arbeit und die Abschaffung der Allgemeinverbindlicherklärung würden die Tarifverträge endlich dem Wettbewerb unterwerfen."

Wahlprüfstein 2: Kündigungsschutz

In ihrer Antwort an ADEXA schreiben die Grünen: "Eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes ist nicht sinnvoll und wird von uns nicht angestrebt. […] Die Reduzierung des Kündigungsschutzes führt lediglich zu einem erhöhten Personal-Turnover und kann dadurch zu einer Verkürzung der durchschnittlichen ALO-Dauer [Dauer der Arbeitslosigkeit; die Red.] und einer Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit führen; dem steht jedoch der Verlust von firmenspezifischem Wissen und Erfahrungen gegenüber." Auch die PDS spricht sich gegen Angriffe auf das Kündigungsschutzgesetz aus und für ein Verbandsklagerecht von Gewerkschaften, weil gerade Beschäftigte in Kleinbetriebe oftmals Angst hätten ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Und die Position der SPD: "Die von Union und FDP gewollte weitgehende Abschaffung des Kündigungsschutzes wird es mit uns nicht geben."

Dagegen schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm (mutig betitelt mit "Regierungsprogramm 2005 – 2009"): "Wer Arbeit hat, soll seinen Kündigungsschutz behalten. Wer Arbeit sucht, soll neue Chancen bekommen: Für Neueinstellungen wird der Kündigungsschutz in Betrieben bis zu 20 Beschäftigten ausgesetzt. In anderen Betrieben wird er für Neueinstellungen erst nach zwei Jahren wirksam. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages kann gegen den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine Abfindung, deren Mindesthöhe gesetzlich festgelegt wird, vereinbart werden."

Die FDP ist in diesem Punkt noch radikaler: Das Kündigungsschutzgesetz soll erst in Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern gelten und auch erst vier Jahre nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in Kraft treten. Statt Kündigungsschutz soll auch eine Abfindung oder die Finanzierung einer Fortbildungsmaßnahme vereinbart werden können.

Wahlprüfstein 3: Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit

Die SPD ist in ihrer Antwort nicht auf den Aspekt Teilzeit oder die Länge der regulären Arbeitszeiten eingegangen. Die Grünen fordern dagegen – über den Status quo im Teilzeit- und Befristungsgesetz hinaus – neue Teilzeitkonzepte und Lebensarbeitszeitkonten, damit Familie, Beruf und Qualifizierung besser vereinbart werden können. Dazu gehören ein Modell der Lebensphasen-Teilzeit und eventuell ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle im o. g. Gesetz. "Eine generelle Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich ist ein Konzept von gestern." Sie könne weder die Binnennachfrage ankurbeln noch die Beschäftigungslage verbessern.

Die PDS fordert sogar eine generelle Arbeitzeitverkürzung und eine gesetzliche wie tarifliche Begrenzung von Überstunden. Teilzeitarbeit soll durch vollwertige soziale Absicherung für Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter und durch ein Rückkehrrecht in Vollzeitarbeit gefördert werden.

Die FDP will in puncto Arbeitszeiten eine stärkere Flexibilisierung statt "traditionell starrer Teilzeitlösungen". Dazu gehören auch "kreative" Arbeitszeitkonten und Telearbeit.

Die Union schreibt: "Längere Arbeitszeiten und weniger Regulierung bringen mehr Arbeitsplätze." Das zeige der internationale Vergleich. Einen Anspruch auf Teilzeitarbeit will die Union nur für Beschäftigte, die Kinder oder nahe Angehörige betreuen. Außerdem will sie die Beschränkung befristeter Verträge auf Neueinstellungen aufheben. Ihren arbeitsmarktpolitischen Ansatz stellen CDU und CSU unter den Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft".

Ausblick: In der nächsten Folge der Serie "Wahlprüfsteine" werden die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien bei den Themen Arbeitslosigkeit (Hartz IV) und Mitbestimmung beleuchtet.

 

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