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Schuld ist immer der Apotheker!?

(ri). Die ehemalige hessische Kammerpräsidentin Gabriele Bojunga kam im ZDF-Beitrag Frontal 21, der das Thema Naturalrabatte aufgriff, zu Wort. Bojunga ist auch Mitglied von Transparency International (TI), sie kennt die Hintergründe des Geschäftes mit Naturalrabatten im Detail. Wir wollten wissen, wie sie die Vorwürfe bewertet.

DAZ:

Wie bewerten Sie die Vorwürfe, die "Frontal 21" den Apothekern macht? Wird hier nicht pauschal ein ganzer Berufsstand in Misskredit gezogen?

Bojunga:

Zunächst einmal muss ich darauf hinweisen, dass man bei einem Fernseh-Interview keinen Einfluss auf die Moderation hat und von einem langen Gespräch nur ein Bruchteil gesendet wird. Mich hat gestört, dass der Moderator pauschal auf die Rabattempfänger eingedroschen und diejenigen, die sich gegenseitig mit Rabattangeboten überbieten, außen vor gelassen hat.

Reißerisch aufgemachte Beiträge verunglimpfen in der Regel ganze Berufsgruppen. Es stört uns wenig, wenn von den Ärzten oder den Politikern die Rede ist. Die Empörung schlägt dann hohe Wellen, wenn die eigene Spezies betroffen ist.

Bevor wir jedoch eine generalisierte Journalistenschelte betreiben, sollten wir uns klar machen, welche Ursachen in den letzten Jahren große Wirkungen erzielt haben.

Immer wenn einige unserer Kollegen den Bogen überspannt haben, kamen dirigistische Maßnahmen von oben und trafen einen ganzen Berufsstand. Kollegen waren es, die uns die Reimportquote beschert haben, weil sie Originale berechnet, aber Importe abgegeben haben. Kollegen waren es, die das Mehrbesitzverbot gelockert haben, indem sie über Jahre illegale Strohmannapotheken geführt haben, und Kollegen waren es, die den Verfechtern des Versandhandels die Munition lieferten, indem sie lukrative Arzneimittel quer durch die Republik verschickten.

Ich bin wütend auf solche Kollegen, deren Gier sie haarscharf am gesetzlichen und moralischen Limit operieren lässt, und damit dirigistische Lawinen losgetreten werden. So wird es auch im vorliegenden Fall passieren, davon bin ich überzeugt.

DAZ:

Sie sprachen in Ihrem Beitrag in der Sendung von "unmoralischen Angeboten": Bei welchem Prozentsatz Naturalrabatt hört Ihrer Ansicht nach die Moral auf?

Bojunga:

Ich will mich da nicht auf genaue Zahlen festlegen, aber wenn ich zu einer Bestellung das Doppelte und mehr (solche Angebote liegen mir vor) als Rabatt erhalte, komme ich schon ins Grübeln, ob die festgelegten Einkaufspreise keine Mondpreise sind. Man muss nicht Betriebswirtschaft studiert haben, um zu erkennen, dass Geschenke der Industrie in der Preiskalkulation inbegriffen sind und die Preise in die Höhe treiben. Wir haben für die Lockerung des Aut-idem-Verbotes gekämpft und argumentativ unsere Sachkompetenz in die Waagschale geworfen. Dieses Argument wird durch "unmoralische" Angebote, wenn wir sie denn annehmen, konterkariert. An der Qualität wollten wir gemessen werden, nicht am Kommerz, das können andere viel besser.

DAZ:

Welche Lösungen des Problems könnten Sie sich aus Sicht von Transparency International vorstellen? Etwa staatliche Regelungen bezüglich der Rabatte? Abschaffung aller Rabatte im Gesundheitswesen, auch den Rabatt der Apotheker an die Kassen?

Bojunga:

Die kurze Formel lautet: So viel Staat wie nötig, soviel Transparenz wie möglich! Es wird immer Verhandlungen der Leistungserbringer mit den gesetzlichen Krankenkassen geben, in denen die Erstattungen der Leistungen festgezurrt werden. Es wäre nur gerecht und auch im europäischen Umfeld ganz normal, wenn mit der Pharmaindustrie schon bei der Zulassung ebensolche Verhandlungen geführt würden bezüglich ihrer Preiskalkulation. Dies könnte den Wettbewerb über die Rabatte gewaltig eindämmen und die Preisspirale nach oben stoppen.

Wir sind Apotheker und Kaufleute, sind Zwangsmitglieder in zwei Kammern und zahlen Gewerbesteuer. Der Markt für frei verkäufliche Arzneimittel ist liberalisiert, und hier kann uns keiner reinreden. Aber Produkte, die der Versicherung der Patienten in Rechnung gestellt werden, sollten schon realistische Preise haben, sonst nimmt die Solidargemeinschaft Schaden. Und die Krankenkassen sind nun einmal unsere größten Kunden, ob uns das gefällt oder nicht.

DAZ:

Frau Bojunga, vielen Dank für das Gespräch.

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