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Künast will Alternativen zum Tierversuch fördern
Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes stirbt in Deutschland alle 15 Sekunden ein Versuchstier. 2003 seien rund 2,1 Millionen Tiere zu Forschungszwecken "verbraucht" worden – darunter fast 1,2 Millionen Mäuse und 500.000 Ratten. Aber auch über 1900 Affen, fast 4900 Hunde und rund 650 Katzen fanden sich in den Labors. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich 2003 die Zahl der in der Grundlagenforschung eingesetzten Tiere von 827.000 auf 850.710 erhöht. Und das, so der Deutsche Tierschutzbund, obwohl diese Projekte ohne direkten Nutzen für Mensch, Tier oder Umwelt seien. So würden etwa in der Aids-Forschung Affen eingesetzt, obwohl das HI-Virus bei diesen anders als beim Menschen übertragen wird und auch die äußerlichen Reaktionen unterschiedlich sind. Auch die Verwendung von Primaten in der Gehirnforschung ist dem Tierschutzbund zufolge nicht mehr zeitgemäß, da moderne, nichtinvasive Verfahren zur Verfügung stehen, die das menschliche Gehirn bildlich darstellen können.
Arzneimittelforschung noch nicht ohne Tierversuche denkbar
Angesichts dieser Fakten würde Renate Künast gerne ganz auf Tierversuche verzichten. Doch gerade bei der Entwicklung von Medikamenten wird dies vorerst kaum möglich sein. Die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln kann bislang nicht ohne Tierversuche nachgewiesen werden. Hier komme es darauf an, zumindest die Zahl der eingesetzten Tiere zu reduzieren und ihr Leiden zu mindern, erklärte Künast. Deutschland habe es sich zum Ziel gesetzt, den weitaus größten Anteil aller EU-Mitgliedsstaaten für die Entwicklung tierversuchsfreier Prüfmethoden beizutragen.
EU akzeptiert bislang vier Alternativmethoden
Doch zumindest in einigen Bereichen finden sich Lichtblicke für Tierschützer und Versuchstiere: Künast begrüßte etwa, dass die Kosmetikindustrie auf dem – auch von ihr gesponserten – Kongress eigene Forschungsprojekte zur Entwicklung tierversuchsfreier Methoden vorstellte. Dieser Einsatz ist auch nötig, denn die 7. Änderungsrichtlinie der EU-Kosmetikverordnung sieht den völligen Verzicht auf sicherheitstoxikologische Tierversuche für Kosmetika innerhalb der nächsten zwölf Jahre vor. Darüber hinaus hat die EU mittlerweile vier In-Vitro-Methoden als Alternativen zum Tierversuch akzeptiert. Zur Verfügung stehen zwei Methoden zur Prüfung von Ätzwirkungen an der Haut und jeweils eine zur Prüfung der Phototoxizität und der Resorption durch die Haut. Möglich macht dies das so genannte "tissue-engineering" – die biotechnologische Herstellung künstlicher menschlicher Hautmodelle.
Mehr Tierversuche durch EU-Chemikalienrecht
Sorge bereitet den Tierversuchsgegnern hingegen das neue EU-Chemikalienrecht REACH, das seit 2001 erarbeitet wird. Der Entwurf für das neue Recht sieht vor, dass alle ca. 100.000 chemischen Stoffe, die in Europa vermarktet werden, einer toxikologischen Bewertung unterzogen werden müssen. Selbst wenn nur für die 30.000 wichtigsten Industriechemikalien ein toxikologischer Grunddatensatz erarbeitet wird, müssen in großem Umfang Tierversuche durchgeführt werden, um die Informationslücken zu schließen. Die Industrie fürchtet die Kosten und fordert daher einen weitgehenden Verzicht auf Tierversuche. Sie will die fehlenden Daten lieber mit tierversuchsfreien Methoden erarbeiten. Die Tierschützer fordern das Gleiche – wenn auch aus ethischen Gründen. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob der Einsatz von Alternativmethoden möglich ist. Künast forderte in diesem Zusammenhang, die Regelungen zu validierten Alternativmethoden in das EU-Chemikalienrecht aufzunehmen. Dabei müsse die Erforschung weiterer tierversuchsfreier Methoden gefördert werden. Künast: "Ich halte einen Anstieg der Tierversuchszahlen nur dann für gerechtfertigt, wenn definitiv alle fachlich vertretbaren Maßnahmen zur Vermeidung unnötiger Tierversuche ausgeschöpft sind. Hier gibt es noch Nachbesserungsbedarf in vielen Punkten des Kommissionsentwurfs."
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