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- DAZ 36/2005
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Auf Pfizer pfeifen?
Sehr hartnäckig, sehr rustikal und kaschiert von allerlei wohlklingendem Gesäusel versucht der amerikanische Pharma-Multi Pfizer – Nummer 1 in der Welt und mit 1,8 Mrd. Euro Umsatz zu Apothekenabgabepreisen Nummer 3 in Deutschland – durch die Hintertür in Deutschland den Zugriff auf Daten zu bekommen, die ihm völlig neue Möglichkeiten der Absatzoptimierung eröffnen.
Pfizer will (vgl. DAZ Nr. 31 und Nr. 33) seine verschreibungspflichtigen Arzneimittel künftig nur noch direkt an Apotheken verkaufen – freilich unter Nutzung der Logistik und Infrastruktur von Grossisten, die sich Pfizer auswählt. Die "Partner" müssen nicht unbedingt nur aus dem Kreis der Pharmagroßhändler stammen – das ergibt sich aus einem 38-seitigen "Request for Proposal", auf dessen Basis sich die Großhandlungen als Dienstleister für Pfizer bewerben sollen.
Ob, wann, welche und wie viele Arzneimittel die einzelne Apotheke erhält, soll künftig allein von Pfizer bestimmt werden. Pfizer diktiert auch die Konditionen. Der Logistik-Vertragspartner wird verpflichtet, für die verschreibungspflichtigen Pfizer-Produkte im Namen von Pfizer getrennte Rechnungen auszudrucken. Die Arzneimittel bleiben bis zur Ankunft in der Apotheke im Besitz und in der Verfügungsgewalt von Pfizer. Die von Pfizer handverlesenen Großhändler fungieren nur noch als weisungsgebundene Logistiker mit weitreichenden Informationspflichten gegenüber dem Multi. Täglich sind zum Beispiel Informationen darüber abzuliefern, welche Apotheke welche Artikel und Mengen bestellt hat, wie sich die Lagerbestände entwickeln, wie die Waren in den Niederlassungen bewegt werden. Sankt Bürokratius lässt grüßen. Dabei bleibt es aber leider nicht.
Angeblich geht es bei Pfizers "Modell der Direktbelieferung" nur um hehre Ziele: erstens wolle man Arzneimittelfälschungen den Weg in den Markt versperren und zweitens die Versorgung der Patienten sicherstellen. Dagegen kann, so scheint es, niemand etwas haben.
Mit seinem neuen "Modell der Apothekendirektbelieferung" versucht Pfizer jedoch, Probleme, für die der Pharma-Multi durch seine Preispolitik in beträchtlichem Maß selbst verantwortlich ist, auf dem Rücken des Pharmagroßhandels und – machen wir uns nichts vor! – letztlich zu Lasten der Apotheken zu lösen.
Und schlimmer noch: Die gezielten Möglichkeiten der Kontrolle, der "Bearbeitung" und "Optimierung" des ärztlichen Verordnungsverhaltens, die Pfizer durch das "Modell" in die Hand bekäme, können auch nicht im Interesse der Patienten, der Krankenkassen und der Ärzte sein. Nur Pfizer gewinnt. Der ohnehin knallharte Pfizer-Pharma-Außendienst wird noch effizienter steuerbar (kann ggf. deshalb reduziert werden), da er sich noch gezielter als bisher auf einzelne Ärzte ansetzen lässt.
Auch das Argument, durch die neue Vertriebsmethode wolle man Arzneimittelfälschungen einen Riegel vorschieben, erscheint bei genauerem Hinsehen vorgeschoben. Großhandlungen, die Pfizer nicht als Partner erwählt hat, könnten sich auf Druck ihrer Kunden, um Wettbewerbsnachteile abzuschwächen, gezwungen sehen, irgendwie an Reimportware zu kommen, egal zu welchem Preis. Dadurch wird das System unsicherer, nicht sicherer.
Bleibt das Argument zu prüfen, das neue Vertriebsmodell sei geeignet, Lieferengpässe zu vermeiden. Produkte wie Sortis und Norvasc, die z. B. in Großbritannien wesentlich teurer sind als bei uns, stehen im deutschen Markt immer wieder nicht ausreichend zur Verfügung, weil vermeintlich clevere Zwischenhändler über Apotheken Ware aufkaufen und jenseits des Kanals als Re- bzw. Parallelimport mit kräftigem Gewinn weiterverscherbeln. Der Verdacht liegt nah, dass dabei auch einzelne Großhändler mitgemischt haben.
Diese Verwerfungen dürften sich freilich effektiver glätten lassen als über die Eingriffe, die Pfizer vorhat. Der Großhandel könnte sich zum Beispiel gegenüber Pfizer vertraglich verpflichten, die relativ preiswerten, für den deutschen Markt bestimmten verschreibungspflichtigen Pfizer-Arzneimittel nur an Marktpartner (deutsche Apotheken, ggf. andere in Deutschland zugelassene Großhändler) zu verkaufen, die sich ihrerseits gegenüber ihrem Vorlieferanten über Vertriebsbindungsverträge in gleicher Weise verpflichten. Damit sollten alle für Deutschland bestimmten Arzneimittel letztlich in deutschen Apotheken landen. Massiv auffälligen Apotheken könnte die Verpflichtung auferlegt werden, z. B. über ihr Rechenzentrum plausibel zu machen, dass die "verdächtigen" Arzneimittel an Patienten gegangen sind.
Pfizers Vertriebsmodell schadet den Apotheken, den Kassen, den Patienten, den Ärzten und dem Großhandel. Nicht auszudenken, wenn dieses Modell Schule macht! Pfizer ist sicher nicht Lichtwer, der über seinen Quai-Vertriebsdeal in Turbulenzen geriet. Aber trotzdem: Die Apotheker könnten in Versuchung geraten, dem amerikanischen Multi bei seinen OTC-Produkten heimzuzahlen, was er ihnen im fälschlich "ethisch" genannten Bereich antut. Hoffen wir auf Einsicht bei den anstehenden Gesprächen!
Klaus G. Brauer
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