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Arzneimittel und Therapie
Topiramat setzt neue Akzente
Auch wenn die Einführung der Triptane einen enormen Fortschritt für die Migränetherapie bedeutet hat, konnte das Problem der Häufig-Migräne damit nicht gelöst werden. Immerhin eine Million Migränepatienten in Deutschland leiden unter so häufigen und schweren Attacken, dass ihre Lebensqualität ganz erheblich eingeschränkt ist. Ihnen ist mit einer ausschließlichen Akutmedikation auf Dauer nicht geholfen. Sie sollten auch einen vorbeugenden Migräneschutz erhalten. Das Ziel der Prophylaxe besteht nicht nur darin, Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken zu reduzieren, sondern auch einen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz, wie er sich bei steigendem Schmerzmittelverbrauch einstellen kann, zu verhindern.
Vorbeugender Migräneschutz in der Praxis
Zu den etablierten Migräneprophylaktika der ersten Wahl gehören aufgrund ihrer gut belegten Wirksamkeit die Betablocker Propranolol und Metoprolol sowie der Calciumantagonist Flunarizin. Migräneprophylaktika der 2. Wahl sind unter anderem das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin, nicht-steroidale Antirheumatika, Pestwurz, Magnesium und Mutterkraut. Auch das Antikonvulsivum Valproinsäure wird von manchen Ärzten (off-label) zur Migräneprophylaxe verordnet. In vielen Fällen wird der Einsatz dieser Migräneprophylaktika aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils limitiert. So ist ein Großteil der Frauen nicht zum vorbeugenden medikamentösen Migräneschutz bereit, wenn damit – wie es bei den meisten Prophylaktika der Fall ist – eine Gewichtszunahme verbunden sein kann. Und viele Männer wollen eine mögliche Potenzstörung, wie sie mit Betablockern auftreten kann, nicht in Kauf nehmen. Wenn diese beiden Punkte nicht in den Griff zu bekommen sind, kann man die Prophylaxe vergessen, so Dr. med. Jochen Schumacher, niedergelassener Neurologe aus Kassel. Die Verordnung von Betablockern ist außerdem bei Begleiterkrankungen wie niedrigem Blutdruck, Diabetes mellitus und Asthma von vorneherein kontraindiziert.
Nebenwirkungsprofil von Topiramat
Vor diesem Hintergrund verspricht die Einführung von Topiramat (Topamax® Migräne) in die Migräneprophylaxe eine sinnvolle Therapieerweiterung. Es ist zugelassen zur Prophylaxe von Migränekopfschmerzen bei Erwachsenen, wenn eine Therapie mit Betablockern nicht indiziert ist, nicht erfolgreich war oder nicht vertragen wurde. In der Akutbehandlung von Migränekopfschmerzen ist Topiramat nicht untersucht worden. Das Medikament hat keinen signifikanten Einfluss auf Blutdruck, Kreislauf oder Potenz, stellt bei Asthma oder Diabetes mellitus keine Kontraindikation dar und führt nicht zur Gewichtszunahme.
Im Gegenteil: Bei einem Teil der Patienten verursacht Topiramat eine Gewichtsabnahme von durchschnittlich 2 bis 3 kg. Viele Ärzte schätzen dies als zumeist sehr Compliance-fördernden Nebeneffekt. An unerwünschten Wirkungen ist bei Topiramat dagegen sehr häufig mit Parästhesien zu rechnen. An ZNS-Wirkungen können Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten auftreten. Häufigster Therapieabbruchgrund unter Topiramat sind Gedächtnisstörungen.
Dem Ziel der Migränefreiheit näher
Seine Wirksamkeit hat Topiramat in vier großen Studien mit ausreichender Patientenzahl und einer Studiendauer von sechs Monaten bewiesen. In der Gesamtanalyse zeigten 6% der Migränepatienten eine Anfallsreduktion um 95 bis 100%. Bei immerhin rund 30% der Studienteilnehmer nahm die Zahl der Attacken um mehr als 75% ab. Als substanzspezifischer Vorteil kristallisierte sich in den Studien heraus, dass Topiramat schon nach einem Monat Therapie zu einer signifikanten Frequenzabnahme führt. Die Latenzzeit bis zum Wirkeintritt ist also überschaubar. Der unter Topiramat verminderte Bedarf an Akutmedikamenten wirkt der Gefahr eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes entgegen.
Anwendung von Topamax® Migräne
Aufgrund der günstigen Studienlage wurde Topiramat neu in die Liste der Migräneprophylaktika der ersten Wahl aufgenommen. Topamax® Migräne ist für den vorbeugenden Migräneschutz bei Erwachsenen zugelassen, wenn eine Therapie mit Betablockern nicht indiziert ist, nicht erfolgreich war oder nicht vertragen wurde. Das Präparat ist verschreibungspflichtig und steht in Deutschland seit 1. August 2005 als Filmtablette mit 25 mg, 50 mg und 100 mg zur Verfügung. Die Topiramat-Therapie sollte in der ersten Woche mit 25 mg/Tag begonnen werden und frühestens jede Woche in 25-mg-Schritten auf die individuelle Zieldosis von 50 bis 100 mg/Tag aufdosiert werden. Topamax® Migräne lässt sich mit Analgetika und Triptanen kombinieren. Das Präparat kann unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.
Quelle
Prof. Dr. H. C. Diener, Essen; Prof. Dr. A. Straube, München; Dr. J. Schumacher, Kassel: Einführungs-Pressekonferenz
„Topamax® Migräne – Mehr migräne- freie Zeit“, München, 25. August 2005: veranstaltet von der Janssen-Cilag GmbH, Neuss.
Fachinformation Topamax® Migräne
25 mg; -50 mg; -100 mg Filmtabletten,
Stand: Juli 2005.
Dipl.-Biol. Ulrike Weber-Fina
Mehr als ein Antiepileptikum
Der Wirkstoff Topiramat ist seit längerem zur Behandlung der Epilepsie etabliert. Bisher war Topiramat zugelassen zur
- Behandlung von Kindern ab zwei Jahren mit neu diagnostizierter Epilepsie oder zur Umstellung auf eine Monotherapie und zur
- Zusatztherapie bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren mit fokalen epileptischen Anfällen mit oder ohne sekundärer Generalisierung und mit primär generalisiertem tonisch-klonischem Syndrom.
Topiramat ist ein Monosaccharid-Sulfamat, das im ZNS den reizhemmenden Effekt von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) verstärkt, den reizfördernden Einfluss von Glutamat reduziert und die Natrium- und Calciumkanäle blockiert. Mit diesem Wirkspektrum lassen sich Migräneattacken verhindern oder in ihrer Intensität abschwächen.
Migräneprophylaxe: mehr als Medikamente
Die Indikation für eine medikamentöse Migräneprophylaxe besteht, wenn mindestens einer der folgenden Punkte zutrifft:
- drei und mehr Attacken pro Monat
- Attacken, die regelmäßig länger als 72 Stunden andauern
- therapieresistente Attacken
- Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Akutmedikamenten an mehr als zehn Tagen/Monat
Medikamente sind in der Migräneprophylaxe nur "die halbe Miete". Ebenso wichtig und wirksam sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie die Verhaltenstherapie und Ausdauersport. Medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung wirken additiv!
Zum Weiterlesen
Migräne bei Frauen. Zyklusabhängigkeit und Therapiekonzepte. Med Monatsschr Pharm 2004;27(10):331-4. www.medmopharm.de
Hinweise zur Dosierung und Anwendung
Die Einnahme von Topamax® Migräne kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Die Filmtabletten sind ganz, unzerkaut und mit ausreichend Flüssigkeit einzunehmen.
Zur einschleichenden Dosierung stehen Topamax® Migräne 25 mg Filmtabletten zur Verfügung. Die Einstellung sollte in der ersten Woche mit 25 mg Topiramat/Tag abends beginnen, wobei sie durch das klinische Bild bestimmt werden sollte. Anschließend sollte die Dosis jede Woche um 25 mg Topiramat/Tag gesteigert werden. Bei Bedarf können längere Intervalle zwischen den Dosissteigerungen gewählt werden. Die übliche Dosis liegt bei 50 bis 100 mg Topiramat/Tag. Einige Patienten können von niedrigeren Dosen profitieren. Ist geplant, die Behandlung zu beenden, sollte die Topiramatdosis schrittweise reduziert werden
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