Aus Kammern und Verbänden

Kollegiale Bande vertiefen sich

Nach dem ersten europäischen Pharmazeutinnentreffen im November 2004 in Frankfurt hatte der Deutsche Pharmazeutinnen Verband (DPV) in diesem Jahr zum 27./28. August nach Heidelberg eingeladen, und rund 30 Kolleginnen aus acht europäischen Ländern sind der Einladung zum Erfahrungsaustausch im Deutschen Krebsforschungszentrum gefolgt. Die Referentinnen kamen aus Großbritannien, Italien, Estland, Finnland und Polen.

 

Britischer Pharmazeutinnenverband wurde 100 Jahre alt

Zu dritt waren die Repräsentantinnen der traditionsreichen britischen National Association of Women Pharmacists (NAWP) angereist, die am 15. Juni 2005 feierlich ihr 100-jähriges Bestehen begangen hatte.

Die Präsidentin des Verbandes Monica Rose warf zunächst einen Blick zurück in die Geschichte. Mit Isabella Clark wurde im Jahr 1879 die Ära der Frauen im Register der Pharmazeutischen Gesellschaft Großbritanniens eingeläutet. Noch im Jahr 1900 waren in dem seinerzeit bereits mehr als 11.000 Namen umfassenden Verzeichnis nicht mehr als 195 Frauen zu finden, ein Grund für dir Gründung der Association of Women Pharmacists im Jahr 1905. Mit der starken Ausweitung der Frauenanteils und der zunehmenden Anerkennung weiblicher Kompetenz wandelten sich über die Jahrzehnte hinweg die Ziele des Verbandes. Heute stehen Wiedereinstiegskurse nach "Familienpausen" oder Karriereunterbrechungen, Informationsmaterial und Mentoring im Fokus der Aktivitäten. Die Unterstützung von Apothekerinnen im öffentlichen Leben ist ein weiteres Betätigungsfeld.

Viele haben mehrere Jobs

Unter den rund 46.500 in Großbritannien registrierten Pharmazeuten befinden sich heute 25.000 Frauen, ergänzte NAWP-Vorstandsmitglied Dr. Sue Symonds Symonds. Ihr Anteil nimmt weiter zu, ablesbar daran, dass 62% der Neuregistrierungen Frauen sind. Die Beschäftigungsrate liegt bei rund 78%. Gut ein Drittel der Frauen arbeiten in Teilzeit, viele haben mehr als einen Job. Circa 60% sind in der öffentlichen Apotheke beschäftigt, 28% in Krankenhausapotheken und 12,3% in der Industrie, wo es die Frauen nach den Ausführungen der Industrieapothekerin Virginia Watson nach wie vor schwer haben. In verantwortliche Positionen in den Fachbeteilungen schaffen es noch recht viele, wenige jedoch bis in die Geschäftsführungsebene.

Wie sich die italienischen Apothekerinnen emanzipieren

In Italien ist das "Macht"-Verhältnis männlicher zu weiblichen Apothekern ausgewogener als in vielen anderen Ländern, so berichtete Maria Pia Orru aus Cagliari/Sardinien. Zwar sind 80% der Pharmaziestudenten Frauen, insofern gleichen sich die Bilder, dass jedoch immerhin auch die Hälfte der rund 15.000 privat geführten öffentlichen Apotheken Frauen gehört, ist im europäischen Querschnitt wohl eher eine Ausnahme.

In Italien werden zwei unterschiedliche Ausbildungswege angeboten, einer in Pharmazie und einer in Pharmazeutischer Chemie und Technologie (CTF). Beide qualifizieren für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke. Sorgen um Beschäftigung brauchen sich junge italienische Apotheker/innen nicht zu machen. 60% finden im ersten Jahr nach Abschluss der Ausbildung eine Anstellung, wobei die Nachfrage im Norden des Landes noch größer ist als im Süden. In Führungspositionen sind Frauen auch in Italien eher dünn gesät, was aus der Sicht von Orru auch auf den stark vom Familienleben geprägten mediterranen Lebensstil zurückzuführen ist.

Vor 15 Jahren gründete Orru die "Younger Pharmacists' Association" (Altersgrenze: 38 Jahre), die sich zunächst vorwiegend die berufsbegleitende Fortbildung auf die Fahnen geschrieben hatte, sich aber nun zunehmend auch in berufpolitische Belange einmischt.

Estland hat im Frauenanteil die Nase vorn

Die Präsidentin der Estnischen Gesellschaft der Krankenhausapotheker Aune Kirotar beleuchtete die Situation im nördlichsten der drei baltischen Staaten. Derzeit gibt es in Estland 482 öffentliche Apotheken, 29 Krankenhausapotheken und darüber hinaus 23 Veterinärapotheken, 775 Apotheker und 556 pharmazeutisch-technische Assistenten. Die durchschnittliche Einwohnerzahl pro Apotheke liegt bei 2800.

Apotheker werden an der traditionsreichen Universität in Tartu ausgebildet. Nachdem die Studieninhalte schon frühzeitig an europäische Vorgaben angeglichen worden waren, bekommt das laut Auskunft von Kirotar in Sowjetzeiten unpopuläre Fach heute wieder mehr Anerkennung. Der Anteil der Männer ist außerordentlich klein. In den Jahren 1997 und 1998 gab es in Tartu im Fach Pharmazie keinen einzigen männlichen Absolventen, und im Jahr 2005 waren es drei gegenüber 36 Frauen. Lange nicht alle Absolventen gehen in die öffentliche Apotheke. Zunehmend attraktiv sind Arbeitsplätze in Behörden oder lukrative Anstellungen in der Pharmazeutischen Industrie.

In Finnland verdienen Apothekerinnen deutlich weniger

Einen Einblick in die Lage der Pharmazeutinnen in Finnland gab Inka Puumalainen, die Präsidentin der finnischen Pharmazeutenvereinigung Suomen Farmasialiitto, die im Jahr 1917 gegründet wurde und heute 9000 Mitglieder hat. Das private System der Arzneimittelversorgung umfasst 800 öffentliche Apotheken. Niederlassungen werden durch die National Agency for Medicines reguliert.

Die finnische Standesvertretung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Reform der Ausbildung beschäftigt. So ist das Bachelor-Master-System dort bereits seit längerem etabliert. Lediglich um die Betonung der Lehrinhalte im Sinne eines ausgewogenen Maßes zwischen Wissenschaft und Praxis wird nach wie vor gerungen.

Das Apothekenpersonal besteht heute aus Pharmazeuten mit Bachelor- oder Master-Abschluss (3 bzw. 5 Jahre Ausbildung) und technischen Angestellten. Rund 96% der Apotheker mit Bachelor-Abschluss sind Frauen, 82% der Apothekerinnen besitzen einen Master. Apothekenbesitzer müssen einen Master-Abschluss vorweisen. Im Jahr 2004 waren knapp 70% der Apotheken im Besitz von Frauen. Trotz der weiblichen Dominanz und weit fortgeschrittener Kompetenz sind die Frauen wie in vielen anderen europäischen Ländern auch in Finnland in Gehaltsfragen eindeutig im Nachteil. "Ein Euro entspricht bei Frauen 80 Cent", so umschrieb Puumalainen das Verhältnis.

Polen bietet neue Spezialisierungen

Monika Zielinska, Doktorandin am Institut für Pharmazie der Medizinischen Universität Warschau, berichtete ebenfalls über die pharmazeutische Ausbildung in ihrem Land. Mit zehn universitären Ausbildungsstätten für Apotheker ist das Angebot in Polen besonders reichhaltig. Das Studium wird gerade reformiert, wobei die Ausbildung von sechs auf fünfeinhalb Jahre reduziert wird.

Während die ersten drei Jahre des Studiums für alle gleich sind, werden in den folgenden zwei Jahren Spezialisierungen angeboten, neu hinzukommen ab dem Wintersemester unter anderem Wirkstoffdesign, Biotechnologie in der Gesundheitsvorsorge und Management und Betriebswirtschaft in der Pharmazie. Hiermit wird versucht, den Ansprüchen des Arbeitsmarktes besser gerecht zu werden, denn die jungen polnischen Apotheker suchen zunehmend Betätigungsfelder außerhalb der Apotheke.

Obwohl der Frauenanteil an der der Warschauer Medizinischen Hochschule in den letzten zehn Jahren nie unter 75% lag und der Anteil der weiblichen Promovierten in der Pharmazie mit 77% verglichen mit anderen Fachrichtungen relativ hoch ist, scheinen sie in der Landschaft der öffentlichen Apotheken wie in vielen anderen Ländern auch in Polen keine "tragende" Rolle zu spielen. Nur 30 bis 50% der weiblichen Apotheker arbeiten dort in der Offizin, und unter den polnischen Apothekenbesitzern oder Mitbesitzern befinden sich lediglich 23% Frauen.

Appell von Magdalene Linz

Bereichert wurde die Tagung durch eine Darstellung des Tätigkeitsbereichs des Deutschen Krebsforschungszentrum durch die dort tätige Wissenschaftlerin Dr. Barbara Bertram sowie durch ein Grußwort der Präsidentin der Bundesapothekerkammer Magdalene Linz, die – obwohl verhindert, an der Veranstaltung persönlich teilzunehmen – betonte, dass der wissenschaftliche und kollegiale Erfahrungsaustausch zwischen den weiblichen Pharmazeuten heute wichtiger denn je sei, da Frauen in unserer Zeit besonders vielfältigen Rollen gerecht werden müssen. Linz ermutigte die Teilnehmerinnen vor diesem Hintergrund weiter tatkräftig am Aufbau von Netzwerken zu arbeiten, um ihr berufliches Fortkommen zu sichern.

 

Helga Blasius, Remagen

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