Arzneimittel und Therapie

Integrin-Antikörper bewirken Remission

In der medikamentösen Therapie der Colitis ulcerosa kommen hauptsächlich Aminosalicylate (Mesalazin, Sulfasalazin, Olsalazin), im akuten Schub zusätzlich Glucocorticoide (z. B. Prednison) zur Anwendung. Letztere besitzen jedoch zahlreiche unerwünschte Wirkungen, weshalb intensiv nach nebenwirkungsärmeren Behandlungsmöglichkeiten gesucht wird. Eine viel versprechende Option ist die Verhinderung der Migration von Leukozyten in das entzündete Dünndarmgewebe durch Blockade von zellulären Adhäsionsmolekülen, wie in einer kürzlich veröffentlichten Studie gezeigt wurde.

In der multizentrischen, placebokontrollierten doppelblinden Phase-II-Studie wurden 181 Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa in drei Gruppen randomisiert. Sie erhielten jeweils am ersten und 29. Behandlungstag entweder einen humanisierten Antikörper gegen das α4β7-Integrin (MLN02, Konzentration 0,5 bzw. 2,0 mg/kg KG i.v.) oder Placebo. Gegebenenfalls wurde Mesalazin als Begleittherapie verabreicht. Sechs Wochen nach der Randomisierung wurden die klinischen Scores für Colitis ulcerosa ermittelt und sigmoidoskopische Untersuchungen ausgewertet.

Primärer Endpunkt war eine klinische Remission der Erkrankung innerhalb dieses Zeitraums, definiert als ein Wert von 0 oder 1 im Ulcerative Colitis Score und im Modified Baron Score sowie die Abwesenheit rektaler Blutungen.

Häufiger Remission nach Antikörperbehandlung

Nach sechs Wochen lagen die Remissionsraten in den beiden Behandlungsgruppen bei 33 bzw. 32%, in der Placebo-Gruppe dagegen nur bei 14%. Der entsprechende Anteil der Patienten mit einer Verbesserung des klinischen Scores der Colitis ulcerosa um mindestens drei Punkte betrug 66, 53 bzw. 33%. 28% der Patienten mit der niedrigen und 12% der Patienten mit der hohen Dosis MLN02 hatten darüber hinaus eine endoskopisch erkennbare Remission, was nur bei 8% der Patienten in der Placebo-Gruppe der Fall war. Die Einnahme von Mesalazin beeinflusste die Ergebnisse nicht.

Während einer Therapie mit humanisierten Antikörpern kommt es häufig zur Bildung neutralisierender Antikörper, dies wurde auch in dieser Studie beobachtet. Bei einer Minderheit von Patienten mit einem MLN02-Antikörper-Titer über 1:125 wurde eine unvollständige Sättigung des α4β7-Rezeptors an zirkulierenden Lymphozyten beobachtet; hier fand sich kein Vorteil der Behandlung im Vergleich mit Placebo.

Bezüglich der Nebenwirkungen waren keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den drei Patientengruppen zu verzeichnen gewesen. Insbesondere traten weder unter der MLN02- noch unter der Placebo-Behandlung Todesfälle, Tumoren oder opportunistische Infektionen auf. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen zählten eine Verschlimmerung der Colitis ulcerosa, Brechreiz und Kopfschmerzen.

Studien mit längerer Behandlungsdauer notwendig

In dieser Kurzzeitstudie war MLN02 im Hinblick auf die Einleitung einer klinischen und endoskopischen Remission bei Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa signifikant wirksamer als Placebo. Auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten – ermittelt per Fragebogen – verbesserte sich unter der Behandlung signifikant.

Die Autoren empfehlen, in zukünftigen Studien höhere Dosen von MLN02 zu prüfen, um den Behandlungserfolg damit möglicherweise zu erhöhen. Weiterhin sollten auch mit Glucocorticoiden behandelte Patienten einbezogen werden um herauszufinden, ob diese Wirkstoffe den Effekt von MLN02 beeinträchtigen oder verstärken. Zur Prüfung der klinischen Anwendbarkeit von MLN02 sind außerdem Studien mit längerer Behandlungsdauer erforderlich.

 

Quelle

Feagan, B. G.; et al.: Treatment of ulcera- tive colitis with a humanized antibody to the α4ß7 integrin. N. Engl. J. Med. 352, 2499 –  2507 (2005).

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Integrin

Die Bezeichnung Integrin kommt von der Eigenschaft, extrinsische Signale in Veränderungen des Zytoskeletts der Zellen zu integrieren. Integrine wie das α4β7-Integrin sind auf der Zelloberfläche von zirkulierenden T-Lymphozyten lokalisierte Adhäsionsmoleküle, die eine wichtige Rolle bei Entzündungsreaktionen spielen.

Diese Rezeptoren vermitteln den Kontakt zwischen Leukozyten und Gefäßendothel, bevor es zur Auswanderung der Leukozyten aus den Blutgefäßen in das entzündete Gewebe kommen kann. Eine übermäßige Auswanderung aktivierter Immunzellen unterhält jedoch die Entzündung. Die Blockade des Integrins durch Antikörper wie MLN02 ist daher eine mögliche Strategie, um dem entgegenzuwirken.

Kurzzeitstudie

Was war bisher bekannt? MLN02 war bereits in einer ähnlichen Studie an Morbus Crohn-Patienten geprüft worden, allerdings mit unbefriedigenden Ergebnissen.

Was hat die Studie gebracht? In der vorliegenden Studie ist durch die Anwendung des Integrin-Antikörpers eine klinische Remission bei über einem Drittel der untersuchten Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa erreicht worden.

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