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Arzneimittel und Therapie
Schluckimpfung gegen Reisediarrhöen
Die letzte Cholera-Epidemie in Deutschland ist lange her. Sie kostete 1892 in Hamburg 8600 Menschen das Leben. Weltweit ist die Cholera aber noch immer ein erhebliches Gesundheitsproblem. 2003 wurden aus 45 Ländern über 110.000 Erkrankungen und 2000 Todesfälle gemeldet, 95% davon in Afrika. Die WHO geht dabei von einer hohen Dunkelziffer aus. Sie rechnet eher mit ein bis zwei Millionen Erkrankten und 200.000 Toten. Durch die Tsunami-Katastrophe hat die Problematik eine neue traurige Aktualität erhalten.
Niedriger Lebensstandard, mangelnde hygienische Maßnahmen, insbesondere verunreinigtes Trinkwasser, machen es dem Erreger einfach sich zu verbreiten. Besonders groß ist die Gefahr für Menschen mit Blutgruppe 0, bei reduzierter Magensäuresekretion und für Kinder. Sie haben ein zehnfach höheres Risiko als Erwachsene.
Reiswasserähnliche Stühle
Nicht alle Cholerabakterien sind gefährlich. Nur die Serogruppen 01 und 0139 verursachen die gefürchtete endemische und epidemische Cholera. Haben sich diese Vibrio-cholerae-Stämme erst einmal im Dünndarm angesiedelt, bilden sie innerhalb weniger Stunden und Tage Choleratoxin. Dieses Gift sorgt dafür, dass die Schleimhautzellen Wasser und Mineralien im großen Stil in das Darmlumen ausscheiden. Doch längst nicht alle Infizierten erkranken. Bei bis zu 80% verläuft der Infekt nahezu symptomlos, bei 15% eher mild.
Dramatisch ist die Situation für die schwer Erkrankten. Sie scheiden bis zu sechs Liter reiswasserähnlichen Stuhls innerhalb einer Stunde aus. Manche verlieren innerhalb kürzester Zeit 10% ihres Körpergewichts. Durch rechtzeitige orale oder intravenöse Rehydrierung und die bedarfsorientierte Gabe von Antibiotika kann die Mortalität von 30 bis 50% auf unter 1% gesenkt werden.
Induktion antibakteriell und antitoxisch wirksamer Antikörper
Mit Dukoral ®, das in Schweden schon seit einigen Jahren auf dem Markt ist, steht nun auch hierzulande die Möglichkeit der Impfung gegen Cholera zur Verfügung. Der Impfstoff enthält nicht nur inaktivierte Cholerastämme, sondern auch rekombinantes Choleratoxin B. Dadurch wird nach oraler Einnahme eine zweifache Immunität im Darm induziert: Die abgetöteten Cholera-Vibrionen führen zur Bildung antibakteriell wirksamer Antikörper, die B-Untereinheit des Choleratoxins zur Bildung antitoxisch wirksamer Antikörper. Die hohe Effektivität ist in umfangreichen Feldstudien bewiesen. Nicht umsonst steht Dukoral ® auf der WHO-Liste der "Prequalified vaccines”, das heißt: Die WHO und ihr angeschlossene Organisationen setzen nur diesen Cholera-Impfstoff ein.
Schluckimpfung: Suspension zum Einnehmen
Dukoral ® ist ein oraler Impfstoff zur aktiven Immunisierung. Vor der Einnahme muss die Impfstoff-Suspension mit einer Natriumhydrogencarbonat-Lösung gemischt werden: Dazu wird das Natriumhydrogencarbonat in Form eines Brausegranulats in einem Glas kaltem Wasser (etwa 150 ml) aufgelöst. Die Impfstoff-Suspension, die sich in einer Durchstechflasche befindet, wird anschließend mit der Natriumhydrogencarbonat-Lösung gemischt und sollte innerhalb von zwei Stunden getrunken werden. Eine Stunde vor und nach der Impfung sollte auf den Verzehr von Nahrungsmitteln und Getränken verzichtet werden. Auch die Einnahme von anderen Arzneimitteln sollte eine Stunde vor und nach der Einnahme von Dukoral vermieden werden.
Das Immunisierungsschema ist einfach: Kinder zwischen zwei und sechs Jahren erhalten drei Dosen, ältere Kinder und Erwachsene zwei Dosen in Abständen von mindestens einer Woche. Die Immunisierung sollte mindestens eine Woche vor einer potenziellen Exposition mit Cholerabakterien abgeschlossen sein. Eine Auffrischimpfung wird Kleinkindern nach sechs Monaten, allen anderen nach zwei Jahren empfohlen. Für Kinder unter zwei Jahren liegen keine Erfahrungen vor. Sie sollten nicht geimpft werden.
Cholera-Vibrionen und ETEC-Bakterien: Ähnlichkeit der Toxin
Noch gilt die Choleraimpfung nicht als Impfung für Normaltouristen mit geringem Infektionsrisiko. Anzuraten ist sie aber in jedem Fall Reisenden in Epidemiegebieten, Katastrophenhelfern sowie bei Abenteuerreisen und längerem Aufenthalt in Risikoländern. Empfohlen wird sie auch Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, niedriger Magensäuresekretion oder Immunsuppression.
Es gibt aber auch Überlegungen, die Indikationen weiter zu fassen. Verwiesen wird dabei auf Studien, die zeigen, dass Dukoral ® nicht nur Cholera vorbeugt. Es bietet auch einen gewissen Schutz vor Reisediarrhöen nach Infektion mit Enterotoxin-bildenden Escherichia coli (ETEC), die für bis zu 50% der Durchfallerkrankungen verantwortlich gemacht werden. Denn aufgrund der großen Ähnlichkeit der Toxine scheinen die Cholera-Antikörper auch das Toxin von ETEC-Bakterien zu neutralisieren. Verhindert werden etwa 60% der ETEC-induzierten Reisediarrhöen. Und damit wertvolle Urlaubstage gewonnen.
Sicher eine echte Alternative zu den bisherigen, nur bedingt wirksamen Präventionsmöglichkeiten. So wird das altbewährte "Peel it, cook it or forget it” erfahrungsgemäß kaum konsequent durchgehalten. Die Antibiotikaprophylaxe gilt als wenig empfehlenswert und die Prävention mit Probiotika verringert die Häufigkeit von Reisedurchfällen kaum. Günstiger ist es dann, ein Antibiotikum mitzunehmen, das bei Bedarf eingenommen werden kann.
Quelle
Dr. Christian Schönfeld, Berlin; Prof. Dr. Hans Dieter Nothdurft, München; Dr. Peter Gerold, Marburg: Pressegespräch "Cholera und Montezumas Rache – Dukoral: Neue Impfmöglichkeit gegen häufige Durchfallerkrankungen auf Reisen”, München, 18. Januar 2005, veranstaltet von der Chiron Behring GmbH, Marburg.
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