Fortbildung

Die "Pille danach" – wie geht der Apotheker damit um?

Am 14. November 2004 trafen sich 19 Apothekerinnen und ein Apotheker aus der gesamten Bundesrepublik in Kassel zu einer von pro familia durchgeführten ganztägigen Pilotfortbildung zum Thema "Standards der rezeptfreien Vergabe der Pille danach".

 

International gute

Erfahrungen

In mindestens zehn europäischen Ländern wird die "Pille danach" auf Gestagenbasis bereits rezeptfrei über Apotheken vertrieben. Aus fachlicher Sicht wird die rezeptfreie Abgabe international als sicher bewertet: Weder sind bedeutende Kontraindikationen bekannt, noch bestehen andere Risiken wie Intoxikationsgefahr, Teratogenität oder Suchtpotenzial, die eine Verschreibungspflicht notwendig machen. In Kenntnis der internationalen Einschätzungen und Erfahrungen führt die Familienplanungsorganisation pro familia seit vielen Jahren die fachliche Auseinandersetzung zum Thema mit der Zielsetzung, sexuelle und reproduktive Rechte im vergleichbaren Maß bereit- und sicherzustellen wie in europäischen Nachbarländern bzw. wie sie durch internationale Untersuchungsergebnisse und Erfahrungen gerechtfertigt sind.

Übergang von der Rezeptur- zur Apothekenpflicht

Bei einer im Dezember 2003 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veranstalteten Tagung zur "Pille danach" hatte pro familia bereits angekündigt, ein Fortbildungscurriculum für Apothekerinnen und Apotheker zu diesem Thema zu entwickeln, um den Übergang von der Rezept- in die Apothekenpflicht fachgerecht zu begleiten. Mit einer Pilotfortbildung wollte pro familia, die bisher keinerlei Erfahrungen mit Fortbildungen für unseren Berufsstand hat, in den fachlichen Austausch darüber treten, welche Fortbildungsinhalte im Fall einer Aufhebung der Rezeptpflicht von größter Bedeutung sind, um die bestmögliche Information und Beratung von Klientinnen zu gewährleisten.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat ein solches Vorhaben unter bestimmten Auflagen finanziell unterstützt. So war eine Bedingung, dass Apothekerinnen und Apotheker aus möglichst vielen Bundesländern teilnehmen; pro familia wandte sich mit seinem Vorhaben an den Deutschen Pharmazeutinnen Verband, der dieses Projekt von Beginn inhaltlich und organisatorisch unterstützt hat. Sehr schnell wurde deutlich, dass bei den Apotheker/innen das Interesse an einer solchen Veranstaltung außerordentlich groß war. Bereits nach 14 Tagen waren nach einer einzigen Rundmail die auf 20 Teilnehmer/innen begrenzten Plätze vergeben.

Von Pharmakologie bis

Psychologie Die eintägige Veranstaltung gliederte sich in Fachvorträge, Gruppenarbeit und Diskussionen im Plenum und behandelte die folgenden Themen: Fachinformationen zur "Pille danach", Vermittlung von Standards und neuesten Erkenntnissen. – Gesellschaftspolitische, kulturelle Hintergründe – wie gehen die anderen europäischen Länder damit um? Und warum sind manche Dinge in Deutschland schwieriger? – Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Was bedeutet Beratung in der Apotheke zur Pille danach? – Im Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Neutralität – was wollen und sollen Klientinnen wissen? – Welche schwierigen Situationen können in der Apotheke entstehen und wie geht die Fachkraft damit um? – Was muss die Fachkraft mitteilen und nachfragen? (praktische Anwendungen der vermittelten Standards) Wo sind die Grenzen?

Die hohe Motivation, das große Engagement und die hohe Bereitschaft aller Beteiligten – Referentinnen wie TeilnehmerInnen –, sich auf inhaltlicher und gesellschaftspolitischer Ebene mit der Thematik zu befassen, führte zu intensiven Diskussionen, die leider auf- grund der begrenzten Zeit an manchen Stellen verkürzt werden mussten.

Der Zeitrahmen für den Informationsteil musste aufgrund der zahlreichen Nachfragen der TeilnehmerInnen, denen für ihre Beratung eine sachgerechte Grundlage sehr wichtig war, ausgedehnt werden. Der Wirkungsmechanismus des Medikamentes, der Schweregrad von Nebenwirkungen und der Umgang damit, mögliche Kontra-indikationen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, aber auch die Frage, in welchen Fällen auf eine Anwendung verzichtet werden kann, waren für die TeilnehmerInnen wichtige Fragen.

Auch ethische Fragestellungen, wie Verminderung von Schwangerschaftsabbrüchen, wertfreie Beratung, Entscheidungsfreiheit der Klientin ohne moralisierende Einschränkung, Grenzen der Beratung in einer Apotheke und Vermittlung an andere Beratungsstellen waren wichtige Themen.

Nach den Erfahrungen aus den Ländern, in denen ein Bezug ohne Rezept möglich ist, gehen die Frauen verantwortungsvoll mit diesem Arzneimittel um, dennoch kann die Beratung zu diesem Präparat hohe Anforderungen an die Fachkraft stellen. Dies zeigte sich bei den Gruppenübungen mit beispielhaft ausgewählten Beratungsthemen. Ausführlich diskutiert wurde die Frage, ob bei der Freistellung eine Altersgrenze wie in Großbritannien und der Schweiz eingeführt werden sollte. Auch die Beschränkung der Abgabe an die Anwenderin persönlich wurde ausgiebig erörtert.

Fazit

Für die TeilnehmerInnen ergab sich aus der von allen sehr positiv bewerteten Veranstaltung folgendes Fazit:

  • Aus Arzneimittelsicherheitsgründen und aufgrund der Erfahrungen in den europäischen Ländern, die bereits eine Abgabe ohne ärztliche Verordnung praktizieren, hatte die überwiegende Zahl der TeilnehmerInnen keine Bedenken gegen die Entlassung aus der Verschreibungspflicht.
  • Der Informationsstand bei Ärzten/innen, Apotheker/innen, aber auch in der Bevölkerung ist häufig unzureichend; Informationskampagnen sind notwendig, um Frauen möglichst in die Lage zu versetzen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen und bei Bedarf eine adäquate Information, Beratung und Versorgung zu erhalten.
  • Die praktischen Übungen zeigten, dass an die Beratenden hohe Anforderungen gestellt werden, weshalb eine beraterische Grundhaltung sowie Beratungskompetenz von großer Bedeutung sind.
  • Die meisten TeilnehmerInnen befürworteten eine Beratungsvorgabe (Checkliste bzw. Protokoll) wie in der Schweiz; zumindest für die erste Zeit sahen alle einen Beratungsleitfaden als hilfreich an.
  • In den Apotheken sollte ergänzendes Informationsmaterial über Beratungsstellen und Verhütungsmethoden sowie zielgruppenorientiertes Informationsmaterial über die "Pille danach" (z. B. für Migrantinnen in verschiedenen Sprachen) vorhanden sein. (Informationsmaterial kann schon heute bei pro familia www.profamilia.de (mehrsprachig) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.bzga.de bezogen werden.)
  • Das Präparat sollte wegen des kurzen Zeitfensters und der höheren Wirksamkeit bei früher Einnahme nach ungeschütztem Verkehr in den Apotheken vorrätig gehalten werden – vor allem im Wochenenddienst. Dies gilt bereits unter den heutigen Bedingungen.
  • Das Thema Vertraulichkeit spielt bei der Information und Beratung zur Pille danach eine große Rolle, kann aber auch bei anderen gesundheitlichen Fragen von großer Bedeutung sein und sollte deshalb räumlich, akustisch und personell berücksichtigt werden.

Alle TeilnehmerInnen waren sich über zwei Dinge einig:

  • Eine Veranstaltung dieser Art sollte möglichst allen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland flächendeckend angeboten werden;
  • Apothekerinnen und Apotheker sind bereit und in der Lage, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, die bei der Entlassung der "Pille danach" aus der Verschreibungspflicht auf diesen Berufsstand zukommt.

Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband bedankt sich bei pro familia für die gute Zusammenarbeit und bietet diese auch weiterhin an.

 

Antonie Marqwardt Schriftführerin dpv

Am 14. November 2004 trafen sich 19 Apothekerinnen und ein Apotheker aus der gesamten Bundesrepublik in Kassel zu einer von pro familia durchgeführten ganztägigen Pilotfortbildung zum Thema "Standards der rezeptfreien Vergabe der Pille danach".

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