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Arzneimittel und Therapie
Thalidomid-Analogon bei Myelodysplasie
Ursache dieser ungewöhnlichen Empfehlung sind die schlechten Behandlungsmöglichkeiten des myelodysplastischen Syndroms (MDS), das zu den hämatologischen Malignomen gehört. Ausgelöst wird es durch die Vermehrung von unreifen Blasten im Knochenmark, die die normalen Zellen der Blutbildung zunehmend verdrängen. Dies führt schon bald zu einer schweren Anämie. Die Patienten benötigen regelmäßig Bluttransfusionen, in deren Folge es aber zu einer Eisenanhäufung im Körper (Hämosiderose) kommt, die die Funktion von Leber, Pankreas und Herz beeinträchtigt und schließlich zum Tod führt.
Lenalidomid kann die Bildung der Blasten so stark unterdrücken, dass die Blutbildung sich erholt und die Patienten deutlich seltener Bluttransfusionen benötigen. In einer der Studien mit Lenalidomid wurden zwei Drittel der Patienten "Transfusions-unabhängig". Das heißt sie benötigten während der Studiendauer von acht Wochen keine Bluttransfusion. Vor der Studie hatten sie in diesem Zeitraum wenigstens zwei Konserven erhalten. Diese günstigen Auswirkungen auf die Transfusionsrate überzeugte die Experten, und sie votierten mit zehn zu fünf Stimmen für eine Zulassung.
Angesichts der signifikanten Wirksamkeitsdaten bei vortherapierten Patienten mit myelodysplastischem Syndrom und Anämie, die in Phase-III-Studien berichtet werden, plant Celegene für Lenalidomid erweiterte Zugangsprogramme für Patienten in den USA und ein Programm in Europa für Patienten mit rezidivierendem und refraktärem multiplen Myelom. Lenalidomid ist bisher weder von der FDA noch von anderen Aufsichtsbehörden zur Behandlung einer Indikation genehmigt und wird gegenwärtig in klinischen Erprobungen auf Wirksamkeit und Sicherheit für zukünftige Anträge an die Aufsichtsbehörden getestet.
Starke Nebenwirkungen
Lenalidomid unterscheidet sich vom Thalidomid durch eine zusätzliche Aminogruppe an Position 4 und das Fehlen der Ketogruppe an Position 3. Es wird zu den IMiDs (immunmodulatorische Derivate) gezählt, bei denen es sich um synthetische Thalidomid-Analoga handelt, die bis zu 20.000fach stärker immunmodulatorisch wirken als ihre Muttersubstanz. Lenalidomid ist keineswegs gut verträglich. Die Toxizität betrifft ausgerechnet das Knochenmark, sodass der eigentlich zu erwartende Anstieg der Neutrophilen und der Thrombozyten ausblieb. Bei 80% der Patienten musste die Dosis wegen einer Neutropenie oder einer Thrombozytopenie sogar gesenkt werden. Die Experten kamen deshalb mit 13 gegen zwei Stimmen zu der Überzeugung, dass es noch nicht genügend Daten zur Sicherheit des Medikamentes gibt. Die FDA wird deshalb, sollte sie sich erwartungsgemäß dem Votum der Experten anschließen und das Medikament zulassen, weitere Studien einfordern. ck
Quelle
Thalidomid-Analogon bei 5q-Syndrom wirksam. Deutsches Ärzteblatt online vom 16. September 2005.
Celgene’s Revlimid Phase II Data Sufficient For Full Approval In Myelodysplastic Syndromes. FDA-AdvisoryCommittee.com, Bericht des FDA-Advisory- Committee vom 14. September 2005.
Erkrankungen des Knochenmarks
Unter dem Begriff myelodysplastisches Syndrom (Myelodysplasie, MDS) wird eine Gruppe von Erkrankungen des Knochenmarks zusammengefasst, deren Folge eine gestörte Bildung der roten Blutkörperchen, zum Teil auch der weißen Blutkörperchen und der Thrombozyten ist. In Erscheinung tritt die Erkrankung in erster Linie durch eine Anämie, je nach Ausmaß der Veränderungen bei Blutplättchen und weißen Blutkörperchen können aber auch Blutungen und Infektionen mit Fieber auftreten. MDS tritt vorwiegend im Alter ab 60 Jahre auf, es kann sich ohne ersichtlichen Grund (de novo myelodysplastisches Syndrom) oder nach Strahlen- oder Chemotherapie gegen andere Krankheiten (sekundäres myelodysplastisches Syndrom) entwickeln.
Es gibt aber auch Betroffene jüngeren Alters. Die Krankheit führt im Allgemeinen nach sechs bis 30 Monaten zum Tode. Abhilfe kann ähnlich wie bei den verschiedenen Formen von Leukämie praktisch nur eine Knochenmarkstransplantation schaffen - was allerdings nur bei jüngeren Patienten vom medizinischen Standpunkt sinnvoll ist. In Deutschland geht man von etwa 5000 Erkrankten aus.
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