Fortbildung

Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie: Wasser in der Medizin und Pharmazie

Welche Bedeutung hat Wasser, der Stoff, aus dem wir Menschen zu 70% bestehen, den wir dringender brauchen als das tägliche Brot und den der französische Dichter A. de Saint-Exupéry als den "köstlichsten Besitz unserer Erde" bezeichnete, in der Medizin und Pharmazie? Die Referenten, die im Rahmen der diesjährigen Herbstveranstaltung der Landesgruppen Baden und Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 15. Oktober in Bad Dürrheim sprachen, gingen dieser Frage von verschiedenen Seiten her nach.

 

Wasser – mehr als ein Lebensmittel

Darauf, dass Trinkwasser unser wichtigstes Lebensmittel darstellt, weil jede chemische Reaktion und jeder Vorgang im Körper von dem Vorhandensein von Wasser abhängt, wies Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, hin. Die physiologischen Funktionen von Wasser sind die eines Lösungsmittels (alle Körperflüssigkeiten bestehen hauptsächlich aus Wasser, in denen u. a. Nährstoffe gelöst sind), eines Transportmittels (Wasser ist Bestandteil des Blutes oder der Lymphflüssigkeit, die Stoffe von einem Ort im Körper zum anderen transportieren), eines Kühlmittels (zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur nutzt der Körper sein Wasserkühlsystem), eines Reaktionspartners und die eines Baustoffes (Wasser ist das wichtigste Bauelement des Körpers). Der Wassergehalt im Körper eines Menschen nimmt im Laufe des Lebens von anfänglich 75% (Säugling) auf später 53% (Mann) bzw. 46% (Frau) ab.

Wie hilfreich das Trinken von Leitungswasser beim Abnehmen sein kann, erläuterte Hanke ebenfalls. Schon der Genuss von 1,5 bis 2,0 Liter Trinkwasser täglich kann den Energieumsatz um bis zu 100 Kilokalorien erhöhen. Hochgerechnet auf ein Jahr können dadurch 36.500 kcal mehr verbraucht werden, was bis zu fünf Kilogramm Fettgewebe entspricht. Am besten sei es, jeweils 0,5 Liter Wasser vor den Mahlzeiten – und zwar kalt, d. h. mit Zimmertemperatur oder etwas darunter – zu trinken.

Wasser spielt selbstverständlich auch in der pharmazeutischen Technologie eine bedeutende Rolle. So enthält das aktuelle Europäische Arzneibuch zahlreiche Monographien mit Wasser.

Von der antiken Badekultur zur modernen Trinkkur

Wasser, das Element des Lebens, von dem fast alle Religionen in ihren Schöpfungsgeschichten erzählen, dass mit seiner Hilfe eine Gottheit Leben entstehen ließ, und das in der Bibel nicht nur als Lebensspender, sondern auch Seelenheil bringendes Element bezeichnet wird, fand laut Prof. Dr. Marcus Plehn, Vorsitzender der Landesgruppe Württemberg der DGGP, bereits in der Antike als Heilmittel Verwendung, denn hier trifft man auf die ersten schriftlichen Angaben über Thermal- und Mineralquellen.

Vor allem während der römischen Kaiserzeit wurde eine hochstehende Badekultur gepflegt. Geheilt wurde erstmals mit Trinkkuren, die insbesondere bei chronischen Leiden Anwendung fanden. Ein Heilerfolg stellte sich beispielsweise bei Kaiser Augustus ein, der mit Kaltwasserkuren von einem Leberleiden befreit wurde. Auch die Araber (z. B. Rhazes und Avicenna) beschrieben Wassergüsse als kühlend, schmerzlindernd, abschwellend, die Poren öffnend und die Säfte verlagernd. Externe Anwendung fand das Wasser etwa bei Fieber, Gelenkschmerzen, Nasenbluten und psychischen Erkrankungen.

Im 12. Jahrhundert wurden in Deutschland erstmals die Bäder von Bad Ems, Niederselters und Aachen erwähnt, und Ende des 15. Jahrhunderts erschien von Hans Foltz (Barbier, Chirurg und Meistersinger in Nürnberg) eine Badeschrift, in der dann bereits 46 Bäder (z. B. Wildbad und Liebenzell) beschrieben sind. Auch bei Paracelsus genossen die Mineralwässer eine hohe Wertschätzung: "Die Heylquellen seyndt die natürlichen Composita Gottes, sie seyndt vollkommender an Craft und Tugend als alles andere."

Dennoch kam es erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu einem Aufstreben der Badeorte und zu einer Zunahme der Trinkkuren. Zuvor war das Aufkommen der Mineralbäder lange Zeit vom Berufsstand der Bader, die ihre Badestuben konkurrenzlos betreiben wollten, gebremst worden. Einige Apotheker befanden sich unter den Entdeckern von Mineralquellen, so beispielsweise Georg Anton Boxberger (1679 – 1765; Bad Kissingen), Ferdinand Wurzer (1765 – 1844; Bad Godesberg) und Carl August Wilhelm Müller (1793 – 1840; Bad Homburg v. d. Höhe).

Künstliche Mineralwässer, Sole und Salz

Basierend auf den Fortschritten der organischen Analytik wurden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die bekannten natürlichen Wässer nachgebildet, wie Dr. Ulrich Meyer, Leiter der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung der Firma Wala in Bad Boll, ausführte. Es entstanden die künstlichen Mineralwässer.

Zentrale Bedeutung für den Aufschwung dieses Gewerbes hatte der Arzt-Apotheker Friedrich Adolph August Struve (1781 – 1840). 1822 eröffnete er in Dresden seine erste Mineralwasseranstalt, der bald Niederlassungen in vielen deutschen Städten, aber auch im Russischen Reich und Großbritannien (Brighton) folgen sollten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts verfügten dann viele größere Apotheken über einen eigenen Mineralwasserapparat. Mit der Erleichterung des Flaschentransports durch die Eisenbahn und der Bevorzugung aromatisierter und gesüßter Limonaden ging die Herstellung künstlicher Mineralwässer bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts stark zurück.

Als Beispiel für einen Kurort, bei dem "Badelust" vorwiegend kulturell verstanden wurde, führte Meyer Bad Lauchstädt an. Zwar war der Quelle von Friedrich Hoffmann (1660 – 1742) Heilkraft attestiert worden, doch zum echten Aufschwung des Ortes führten erst die sommerlichen Auftritte der Weimarer Hofschauspielgesellschaft, die 1791 bis 1811 in Lauchstädt unter Leitung von Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) gastierte. 1802 erfolgte ebenfalls unter seiner Direktion ein Neubau des Theaters, dessen einmalige, aus dem Barock stammende Bühnenmechanik bis heute funktionsfähig und zu besichtigen ist.

Unweit von Lauchstädt befindet sich Bad Dürrenberg, dessen Kurbetrieb ganz von der Gradierung (Aufkonzentrierung) der Sole geprägt wurde und wird. Das Dürrenberger Gradierwerk ist mit 885 Meter Länge das längste zusammenhängende Bauwerk dieser Art in Europa und kann zur Freiluftinhalation genutzt werden. Der bei der Gradierung anfallende Dornstein diente u. a. Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 – 1837) als Rohstoff für sein 1811 im Ortsteil Teuditz eröffnetes Unternehmen, bei dem es sich um die erste chemische Fabrik Sachsens handelte. Von der Dürrenberger Sole profitierten zu DDR-Zeiten auch die an Atemwegserkrankungen leidenden Arbeiter der nahen Leuna-Werke, wie Meyer mit der Vorführung einer Wochenschau "Nachtkur in Bad Dürrenberg" belegen konnte.

Der Vortrag schloss mit dem lyrischen Lob Goethes auf den "gekörnten Schnee". Der Dichter hatte die Gewinnung von Salz aus Sole in Halle kennen gelernt und war von der Salzsiederei zutiefst beeindruckt.

Wasserkuren im 19. Jahrhundert

Dr. Michael Mönnich, Vorsitzender der Landesgruppe der DGGP wies in seinem Vortrag erneut darauf hin, dass die heilsame Wirkung von Thermalquellen schon in der Antike bekannt war. Im antiken Rom waren Bäder und Wasseranwendungen alltäglich und im Mittelalter gab es nach den Kreuzzügen erneut eine ausgeprägte Badekultur. Zu Beginn der Neuzeit aber verschwand diese Badekultur, bedingt durch Seuchen und strengere Moralvorstellungen.

Erst die gesellschaftliche Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert führte infolge der Aufklärung zu einem zunehmenden Interesse auch der Laien (Bildungsbürgertum) an Fragen der medizinischen Theorie und Praxis. Hieraus entstand der von Jean Jacques Rousseau (1712 – 1778) geförderte Naturismus, der sich gegen die Schulmedizin richtete und dem das "Naturerlebnis" wichtiger war als das "Naturwissen".

Auch Christoph Wilhelm Hufeland (1762 – 1836), Direktor des Collegium medico-chirurgicum und erster Arzt der Charité in Berlin, wandte sich den "natürlichen" Heil- und Lebensweisen zu und schuf den berühmten Satz: "Vorbeugen ist besser als Heilen". Er therapierte mit Wasser, Licht und Luft, so z. B. indem er Wasser entweder kalt oder warm, heiß oder dampfförmig anwendete. Weitere wichtige Vertreter der Hydrotherapie im 19. Jahrhundert waren beispielsweise:

Vincenz Prießnitz (1799 – 1851) aus Freiwaldau bei Gräfenberg in Tschechien, dessen Therapie aus Kaltwasserbädern und -begießungen sowie Bewegung an frischer Luft, körperlicher Arbeit und kräftigem Essen zur allgemeinen Stärkung der Gesundheit bestand; Sebastian Kneipp (1821 – 1879) aus Stephansried bei Ottobeuren, der bekannteste deutsche Naturheilkundler, der mit seinen Behandlungsmethoden (u. a. Güssen, Wickeln, Bädern, Wassertreten, Barfußlaufen und Anwendung verschiedener Arzneipflanzen) auch heute noch sehr viele Menschen anspricht; Friedrich Eduard Bilz (1842 – 1922) aus Arnsdorf (Sachsen), ein äußerst geschäftstüchtiger Autodidakt auf dem Gebiet der Medizin und Naturheilverfahren, der ein Sanatorium in Radebeul und ein "öffentliches Licht-Luft-Bad" gründete sowie die so genannte "Bilz-Brause" erfand, die Zitrusfrüchte-Extrakte und Kohlensäure enthielt und die später den berühmten Namen "Sinalco" (sine alcohole) erhielt.

All diese Hydrotherapeuten waren medizinische Laien, die meist ein eigenes gesundheitliches Problem gehabt hatten und deren Selbstheilung quasi zu einem "Erweckungserlebnis" geführt hatte. Mit großem Sendungsbewusstsein schrieben sie Bücher, hielten Vorträge oder gründeten Naturheilvereine, um ihre Behandlungsmethoden zu verbreiten. Arzneimittel lehnten sie ganz oder großenteils ab, ihre Wasserkuren ergänzten sie durch diätische und physiotherapeutische Maßnahmen. Ihr Erfolg war bedingt durch ihre Volkstümlichkeit und durch das Versagen der zeitgenössischen Medizin.

Dr. Martine Strobel

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