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Wirtschaftstage des LAV Sachsen-Anhalt II: Position beziehen und Kunden begeistern

HALLE/SAALE (tmb). Im Osten Deutschlands ist der Anteil der GKV-Rezepte an den Apothekenerlösen größer als im Westen. Doch werden die OTC-Umsätze auch für Apotheken in wirtschaftlich schwachen Regionen zunehmend zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. So war dies auch ein wichtiges Thema für die etwa 120 Teilnehmer bei den 10. Wirtschaftstagen des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt am 4. und 5. November in Halle/Saale.
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Mathias Arnold

Der Verbandsvorsitzende Mathias Arnold riet dazu, die "Schere im Kopf" zu überwinden. Auch im Osten könnten Umsätze außerhalb des GKV-Marktes erzielt werden. Denn auch andere Dinge würden dort verkauft, so schlecht sei die Kaufkraft nicht. Doch Leistungen, die der Kunde nicht sieht und die ihm nicht angeboten werden, würden nicht nachgefragt.

Prof. Dr. Gerhard Riegl, Augsburg, erläuterte anhand seiner Untersuchungen zum Apothekenmarketing, mit welchen Erfolgsfaktoren die Apotheken die Zukunft gut meistern könnten. Angesichts der begrenzten Mittel der GKV und des großen Bedarfs an Gesundheitsleistungen bräuchten Apotheken zusätzlich zu den GKV-Umsätzen privat finanzierte Einnahmen von selbst bestimmten Kunden.

 

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Prof. Dr. Gerhard Riegl

Treuhänder statt Verkäufer

Um ihre Kunden durch Qualität faszinieren zu können, müssten die Apotheker ihren Blick weniger auf ihre internen Abläufe und mehr auf die Kunden richten. Sie müssten auch Gesunde für die Prävention in die Apotheken bewegen und an sie binden. Dazu seien Netzwerke außerhalb der Apotheke und eine konsequente Pflege der Kundenbeziehungen nötig. Im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung sollten Apotheker ihren Kunden helfen, sich selbst von den richtigen Maßnahmen für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu überzeugen. Apotheker sollten nicht Verkäufer, sondern Treuhänder der Patienten sein. Sie müssten den Kunden zusätzlich zum notwendigen Versorgungsbedarf schöne Dinge für den "Verwöhnbedarf" bieten. Um einen Kauf auszulösen, seien üblicherweise fünf Impulse notwendig, die durch verschiedene Medien, geschickte Mehrfachplatzierungen in der Apotheke und entsprechend angelegte Kundenwege in der Offizin ausgelöst werden könnten. Wie ein Kunde am HV-Tisch reagiert, hänge auch von den Eindrücken ab, die er auf dem Weg dorthin gesammelt hat.

Apotheker müssten nach gewinnbringenden Kunden suchen, um auch "unrentable" Kunden und soziales Verhalten finanzieren zu können und so ihre soziale Rolle zu rechtfertigen. Die "Kundenversteher" unter den Apothekern würden zu Gewinnern.

Apotheken sollten "Geborgenheit" bieten. Die Kunden seien angesichts von Rabattschlachten durch "Schnäppchen" nicht mehr zu begeistern. Außerdem seien stabile Kundenbeziehungen nicht käuflich, weil Kunden dann immer wieder abgeworben werden könnten. Preisdumping sei für Apotheken aus betriebswirtschaftlicher Sicht "tödlich". Doch würden viele Geschäfte preisgünstig wirken, die es nicht immer sind.

 

Klares Image ist gefragt

Im gesamten Marketing zeige sich ein Trend zu Premium- und Billigmarken, während die "Mitte" an Bedeutung verliere. Auch Apotheken müssten sich klar positionieren und dies authentisch darstellen. Apotheken könnten "Gemeinnützigkeit" verkörpern und Bescheidenheit und Einfachheit ausstrahlen oder als "Einkaufstempel" auf Impulskäufe setzen. Apotheker müssten immer auf der Seite der Patienten stehen und belastbare Beziehungen zu ihnen aufbauen, die sich in der "Lizenz zum positiven Nein-Sagen" ausdrücke. Patienten sollten die Apotheke schätzen, weil ihnen dort die Wahrheit gesagt werde, auch wenn diese nicht immer angenehm sei. Dies mache den Unterschied zu gewöhnlichen Kundenbeziehungen außerhalb des Gesundheitswesens aus, wo dem Kunden nach dem Mund geredet werde. Die Positionierung müsse klären, für welche Kunden die jeweilige Apotheke einzigartig sein kann. Diese Individualität bedeutet für Riegl aber auch: "Keine Apotheke kann für alle Menschen die beste sein!"

Pharmazeutische Kompetenz bilde die unabdingbare Grundlage für die Apotheken, werde von den Kunden aber als selbstverständlich vorausgesetzt und könne sie daher nicht verblüffen oder begeistern. Nicht selbstverständliche Basisleistungen, sondern die eher unerwartete Qualität der Freiwahl, Kundenzeitschriften, Dienstleistungen und der Gesamteindruck der Offizin könnten Kunden begeistern und ihre Entdeckerfreude wecken. Das beste Merkmal, mit dem sich Apotheken untereinander differenzieren könnten und das sie auch im Wettbewerb verteidigen könnten, sei die individuelle Apothekenkultur.

 

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Christina Koffke

Selbstmedikationsoffensive OTC aktiv

Um solche Gedanken praktisch umsetzen zu können, hat der Deutsche Apothekerverband vor einem Jahr in Zusammenarbeit mit der MGDA eine Selbstmedikationsoffensive unter dem Titel "OTC aktiv" begonnen, die Christina Koffke, Referat Selbstmedikation beim DAV, vorstellte. Damit soll ein standeseigenes Konzept zur Förderung des OTC-Marktes geschaffen werden, das von der Industrie unabhängig ist. So sollen die Interessen der Mitglieder in den Vordergrund gerückt werden.

Das Konzept soll die Beratungsleistungen, die Sortimentsplatzierung in der Sichtwahl und die Transparenz der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge verbessern. Derzeit gehören ein Einführungsseminar zum "OTC-Manager", eine Prozessanalyse in der Apotheke, die Sichtwahloptimierung, fünf Coachings in der Apotheke mit individuell gestaltbaren Themen und regelmäßige freiwillige Erfolgskontrollen anhand der Umsatzdaten zum Programmpaket. Die Sichtwahl wird mit acht Planogrammen optimiert, die aus tatsächlichen Verkaufsdaten abgeleitet werden und nicht aus Regalplatzverkäufen entstehen. Bei zweijähriger Laufzeit wird das Programm für 2520 Euro pro Jahr angeboten.

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