Arzneimittel und Therapie

Trockenes Auge: Wirkstoff aus Tamarindensamen imitiert Muzin

Etwa jeder dritte Patient einer augenärztlichen Praxis leidet unter den Symptomen einer Keratoconjunctivitis sicca. Aufgrund der Alltags- und Umweltbedingungen wie auch der demographischen Entwicklung wird die Inzidenz dieser Erkrankung weiter zunehmen. Neu auf dem Markt ist ein Wirkstoff aus dem Samen des Tamarindenbaumes, der eine große Ähnlichkeit zum Muzin des natürlichen Tränenfilms aufweist.

Beschwerdefreies Sehen erfordert eine ausreichende und gleichmäßige Benetzung der Augenoberfläche mit Feuchtigkeit. Diese Funktion übernimmt die Tränenflüssigkeit – sie wird von den Augenlidern praktisch wie von Wischerblättern über die Augen verteilt. Auf dem gesunden Auge bleibt der Tränenfilm nach einem Lidschlag etwa 10 bis 15 Sekunden lang intakt. Der nächste Lidschlag erfolgt normalerweise vor Aufreißen des Tränenfilms, sodass die Augenlider auf der Augenoberfläche immer wie ein Wasserkissen gleiten können.

 

Visine® 

Unter der Dachmarke Visine® bietet der Hersteller Pfizer Consumer Healthcare erschiedene, 
auf individuelle Bedürfnisse und unterschiedliche Schweregrade trockener oder müder Augen abstimmbare Augentropfen (Medizinprodukte) an.

Doch der dreischichtige Tränenfilm (siehe Abb.) ist ein labiles System: körpereigene oder externe Faktoren (z. B. längerer Aufenthalt in klimatisierten Räumen, Computerarbeit, Zigarettenrauch, lange Autofahrten) können zu einer unphysiologischen Zusammensetzung oder zu vorzeitiger Verdunstung führen, woraus verschiedene Symptome des trockenen Auges resultieren. Auch bei einigen Arzneistoffen tritt das trockene Auge als Nebenwirkung auf (siehe Kasten).

DER TRÄNENFILM DES AUGES, der normalerweise die Hornhaut schützt, ist aus drei Schichten aufgebaut (oben). Eine übermäßige Verdunstung z. B. bei reduzierter Blinzelfrequenz, bewirkt ein frühzeitiges Aufreißen des Tränenfilms (unten), so dass der Lidschlag über die ungeschützte Hornhautoberfläche reibt.

 

Formen des trockenen Auges

Der Begriff "trockenes Auge" steht für unterschiedliche Formen bzw. Ausprägungen einer Benetzungsstörung. Medizinisch werden zwei Hauptformen unterschieden:

  • trockenes Auge mit absolutem Tränenmangel (quantitativ), verursacht durch zu geringe Produktion oder Distribution des wässrigen Tränenanteils,
  • trockenes Auge mit relativem Tränenmangel (qualitativ), verursacht durch zu schnelle Verdunstung des Tränenfilms (evaporative Form), sodass beim Lidschlag nicht mehr ausreichend Tränenflüssigkeit verfügbar ist und die Lider über die ungeschützte Augenoberfläche "kratzen".

Die evaporative Form ist aufgrund der heutigen Alltags- und Umweltbedingung am häufigsten.

Das Office Eye Syndrom

Beim Office Eye Syndrom handelt es sich um eine leichte Form des Trockenen Auges. Ursache ist eine Reduktion der Blinzelfrequenz bei konzentrierter Arbeit, vor allem am Computer. Dadurch verdunstet der Tränenfilm stärker und er kann aufreißen, sodass die Augenoberfläche nicht mehr ausreichend geschützt ist und das Auge gereizt reagiert.

 

Arzneimittelgruppen, bei denen das trockene Auge als Nebenwirkung auftreten kann (Auswahl): 

  • Anticholinergika,
  • Antidepressiva,
  • Antihistaminika,
  • Antihypertensiva,
  • orale Kontrazeptiva

Symptomatik des trockenen Auges (Auswahl):

  • Trockenheits- und Fremdkörpergefühl, 
  • Brennen, Drücken, Jucken, 
  • Lichtempfindlichkeit, übermäßiges Tränen der Augen, 
  • verklebte Augen morgens nach den Aufwachen
Foto: toptropicals.com
AUS DEN SAMEN DES TAMARINDENBAUMS Tamarindus 
indica wird das Tamarinden Samen Polysaccharid gewonnen, das eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Muzin des natürlichen Tränenfilms besitzt. Es ist in der Lage, einen gestörten 
Tränenfilm zu stabilisieren.

Neuer Wirkstoff aus Tamarindensamen

Das trockene Auge ist nicht nur wegen der verminderten Lebensqualität behandlungsbedürftig. Mit 30% stellt es die häufigste Ursache für eine Hornhautperforation dar und kann zur Beeinträchtigung des Sehvermögens bis hin zur Erblindung führen. Therapieziel ist die Linderung der Symptomatik durch eine Verbesserung der Oberflächenbefeuchtung des Auges.

Eine neue Therapieoption bietet der natürliche Wirkstoff Tamarinden Samen Polysaccharid (TSP). Er wird aus den Samen des Tamarindenbaums (Tamarindus indica), einem bis zu 25 Meter hoch wachsenden immergrünen Baum, gewonnen, der z. B. in Indien als Zier- und Nutzpflanze kultiviert wird. Beim Tamarinden Samen Polysaccharid handelt es sich um ein verzweigtes Polysaccharid, das hauptsächlich aus β-1,4-D-Glucose mit Xylose und Galactoxylose als Substituenten besteht. Es besitzt eine hohe strukturelle Ähnlichkeit mit dem Muzin des natürlichen Tränenfilms. Dadurch integriert sich TSP gut in die Muzinschicht und ist in der Lage, einen gestörten Tränenfilm zu stabilisieren bzw. zu regenerieren. In bisherigen klinischen Studien war TSP dem bisherigen "Goldstandard" Hyaluronsäure bezüglich der Verbesserung der Symptomatik signifikant überlegen oder zumindest gleichwertig.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

Quelle 
Dr. Irene Haas, Eltville; Dr. med. Manfred Tetz, Berlin; Prof. Dr. Dr. med. Chris P. Lohmann, München; Dr. med. Thomas 
Jäger, Karlsruhe: Einführungspressekonferenz „Trockenes Auge: Neues Therapiekonzept mit Visine®“, Berlin, 28. September 
2005, veranstaltet von der Pfizer Consumer Healthcare GmbH, Karlsruhe.

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