- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 46/2005
- Aufguss mit heißer Milch...
Beratung
Aufguss mit heißer Milch statt Wasser – Alternative Zubereitung von Ätherisch-Öl-Drogen
Wasserdampfdestillation ätherischer Öle
Ätherische Öle sind heterogene Stoffgemische lipophiler Pflanzeninhaltsstoffe, die mehrheitlich zu den Monoterpenen, Sesquiterpenen oder Phenylpropanderivaten zählen [2, 3]. Obwohl ihr Siedepunkt in der Regel zwischen 150 und 250 °C liegt, sind sie leicht flüchtig, das heißt: Sie besitzen einen hohen Dampfdruck. Bei der Erhitzung der Teedrogen mit Wasser verdampfen die ätherischen Öle und das Wasser gemeinsam, sobald die Summe ihrer Partialdampfdrücke dem Außendruck entspricht. Dies ist stets bei einer Temperatur unterhalb 100 °C der Fall [4]. Die Wasserdampfdestillation ist somit ein sehr schonendes Verfahren für die oft thermolabilen Verbindungen.
Das Arzneibuch prüft den Ätherisch-Öl-Gehalt von Teedrogen per Wasserdampfdestillation. Das ätherische Öl reichert sich innerhalb der Apparatur in einer n-Hexan-Phase an und kann anschließend volumetrisch bestimmt werden.
Biosynthese und Speicherung ätherischer Öle
Die Biosynthese der Phenylpropanderivate in den ätherischen Ölen erfolgt über den Shikimisäureweg. Über das Zwischenprodukt Shikimisäure (Trihydroxycyclohexencarbonsäure) entstehen auch noch etliche andere sekundäre Pflanzenstoffe wie z. B. Alkaloide, Anthrachinone und Salicylsäure (Abb. 1).
Die Mono- und Sesquiterpene können entweder über den altbekannten Mevalonsäureweg oder über den vor gut zehn Jahren entdeckten DOXP/MEP-Weg [5] synthetisiert werden (Abb. 2). Auffällig ist dabei die Kompartimentierung: Plastidäre Gene codieren die Biosynthese über den DOXP/MEP-Weg, nukleäre Gene hingegen über den Mevalonsäureweg [8]. Beide Synthesewege führen zum Isoprenderivat Isopentenylpyrophosphat (IPP). Nach Isomerisierung des IPP zum Dimethylallylpyrophosphat (DMAP) startet die Kettenverlängerung zum Geranylpyrophosphat, Farnesylpyrophosphat und Geranylgeranylpyrophosphat, von welchen sich die Monoterpene, die Sesqui- und Triterpene bzw. die Di- und Tetraterpene (Carotinoide) ableiten.
Die Bestandteile der ätherischen Öle werden am glatten endoplasmatischen Retikulum gebildet und dann über den Golgi-Apparat unter die Cuticula (Drüsenhaare und -schuppen), in einen intrazellulären extrazytoplasmatischen Raum (der sich in eine Ölzelle umwandelt) oder in interzelluläre Räume transportiert und dort gespeichert [3].
Herstellung und Analytik von Milch-Infusen
Als Modelldroge für die Extraktion Ätherisch-Öl-haltiger Teedrogen mit fettarmer Milch (1,5% Fett) und Vollmilch (3,5% Fett) wurde Anis (Anisi fructus von Pimpinella anisum, Apiaceae) gewählt. Zur Herstellung der Infuse wurden jeweils 3 g frisch angestoßener Anis in einem geschlossenen Gefäß mit 150 ml heißem Extraktionsmittel aufgegossen. Die Infuse wurden nach 10 min abgeseiht, mit Silikon-Antischaumemulsion und einer definierten Menge Carvon als innerem Standard versetzt und anschließend einer Wasserdampfdestillation unterworfen, wobei sich das ätherische Öl und das Carvon in der n-Hexan-Phase innerhalb der Apparatur anreicherten; dieses Gemisch wurde gaschromatographisch analysiert (Abb. 3). Als Hauptbestandteil des Anisöls (ca. 80%) wurde trans-Anethol quantitativ bestimmt.
Extraktionsraten sehr unterschiedlich
Wie bereits vorher vermutet, zeigten die Untersuchungen, dass sich mit Milch mehr ätherisches Öl aus Anis extrahieren lässt als mit Wasser:
- Bereitet man eine Tasse Anistee mit 150 ml Wasser und 3 g angestoßenem Anis, so enthält diese Tasse – abhängig von der Art der Zubereitung – ungefähr 17 mg trans-Anethol (entspricht ca. 21 mg Anisöl).
- Verwendet man 150 ml fettarme Milch als Extraktionsmittel, so erhält man aus 3 g angestoßenem Anis durchschnittlich 26 mg trans-Anethol (ca. 32 mg Anisöl).
- Nimmt man dieselbe Menge Vollmilch, steigt der Gehalt an trans-Anethol gar auf 32 mg (ca. 39 mg Anisöl; Abb. 4).
Natürlich steigt die absolute Ausbeute an ätherischem Öl mit der eingesetzten Drogenmenge, jedoch nicht proportional und nicht bei allen Extraktionsmitteln gleichermaßen. Dies zeigt die Analyse von Infusen, die mit 1 bis 15 g Anis und jeweils 150 ml Flüssigkeit hergestellt wurden:
- Die absolute Ausbeute steigt linear mehr oder weniger steil an, wobei die Steilheit der Kurve mit dem Fettgehalt des Extraktionsmittels korreliert (Abb. 5).
- Die relative Ausbeute sinkt mit der eingesetzten Drogenmenge, was auf der Absättigung der Infuse beruht (Abb. 6, Tab. 1).
Tab. 1: Ergebnisse der Extraktion unterschiedlicher Mengen Anis mit einer gleichbleibenden Menge (150 ml) verschiedener Extraktionsmittel (Wasser, fettarme Milch oder Vollmilch): extrahierbare Anteile des ätherischen Öles (80% trans-Anethol).
| Extrahierbare Anteile [%] | |||
---|---|---|---|---|
Eingesetzte Drogenmenge [g] | Extraktion mit Wasser | Extraktion mit fettarmer Milch | Extraktion mit Vollmilch | |
1 | 35,4 | 50,7 | 61,5 | |
3 | 19,6 | 30,0 | 36,5 | |
6 | 12,1 | 30,8 | 44,5 | |
10 | 9,1 | 28,7 | 38,5 | |
15 | 10,4 | 27,2 | 36,0 |
Mit Wasser: höchstens 30%ige Ausbeute
Die Extraktionsraten der ätherischen Öle in Teezubereitungen korrelieren nicht nur mit dem Zerkleinerungsgrad der Droge und den Extraktionsbedingungen, sondern ebenso mit der eingesetzten Drogenmenge im Verhältnis zur Wassermenge. Wenn man den Anis kurz vor dem Aufguss anstößt – was der Apotheker dem Patienten oder Kunden bei der Abgabe von Anis stets empfehlen sollte –, ist mit 1 bis 2 g Droge je Tasse die in der Literatur häufig genannte 30%ige Ausbeute an ätherischem Öl zu erreichen. Setzt man jedoch mehr Droge je Tasse ein, sinkt die relative Ausbeute.
Besser mit Milch als mit Wasser
Möchte man die von der Kommission E vorgeschlagene Tagesdosis von 300 mg Anisöl [1] durch Anistee decken, müsste man bei einer Menge von 3 g Droge je Tasse täglich 15 Tassen trinken. Gießt man den Anis hingegen mit Milch auf, kann man die Flüssigkeitsmenge erheblich reduzieren. Bei Verwendung von Vollmilch und 6 g Anis je Tasse wird die Tagesdosis von 300 mg Anisöl bereits mit drei Tassen täglich erreicht. Versetzt man Anismilch mit etwas Honig, so erhält man ein durchaus schmackhaftes Getränk, was auszuprobieren sich lohnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Da die Bestandteile ätherischer Öle lipophil sind, werden sie nur teilweise aus den Teedrogen extrahiert.
- Die Extraktion mit Milch (fetthaltige Emulsion) liefert eine viel größere Ausbeute als Wasser.
- Da Milch nicht so schnell abgesättigt wird wie Wasser, ist hier eine größere Drogenmenge je Flüssigkeitsmenge sinnvoll.
- Die empfohlene Tagesdosis von 300 mg Anisöl kann man mit 15 Tassen Anistee oder nur drei Tassen "Anismilch" aufnehmen.
Andreas Bossy und Wolfgang Blaschek
Literatur
[1] Wichtl M: Teedrogen und Phytopharmaka, 4. Auflage, Wiss. Verlagsges., Stuttgart 2002.
[2] Hänsel R; Sticher O; Steinegger E: Pharmakognosie – Phytopharmazie, 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 1999: 629ff.
[3] Teuscher E: Biogene Arzneimittel, 5. Auflage, Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1997: 236ff.
[4] Burger A; Wachter H: Hunnius – Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin 1998: 992 – 993.
[5] Rohmer M; Knani M; Simonin P; Sutter B; Sahm H: Isoprenoid biosynthesis in bacteria: a novel pathway for early steps
leading to isopentenyl diphosphate. Biochem J 295: 517 – 524, 1993.
[6] Wagner H: Pharmazeutische Biologie 2: Drogen und ihre Inhaltsstoffe, 5. Auflage, Fischer Verlag, Stuttgart 1993: 450ff.
[7] Hunter W N; Bond C S; Gabrielsen M; Kemp L E: Structure and reactivity in the non mevalonate pathway of isoprenoid
biosynthesis. Biochem Soc Trans 31: 537 – 542, 2003.
[8] Müller C: Untersuchungen über zwei Enzyme der Plastidären Isoprenoidbiosynthese: DoxP-Synthase und DOXP-Reduktoisomerase. Diss., Pforzheim 2003.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.