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- DAZ 47/2005
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Arzneimittel und Therapie
Traditionelle NSAR: Kardiovaskuläre Risiken abklären
Die Sicherheit der traditionellen NSAR in Bezug auf das Herz und das Gefäßsystem ist in prospektiven Studien nie untersucht worden. Neuere populationsbasierte Fall-Kontroll-Studien legen nun nahe, dass alle NSAR, ob selektiv oder nicht, ein erhöhtes Risiko aufweisen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu begünstigen.
Können konventionelle NSAR Coxibe ersetzen?
Als gesichert gilt nach wie vor: Die Coxibe schneiden hinsichtlich der Magen-Darm-Verträglichkeit besser ab, weil sie den Schutz der Magenschleimhaut durch das Enzym COX 1 nicht beeinträchtigen, sondern selektiv das Schmerz- und Entzündungsenzym Cyclooxygenase (COX) 2 hemmen. Die klassischen NSAR dagegen beeinflussen auch COX 1 und führen dadurch nicht selten zu Schädigungen der Magenschleimhaut mit Magengeschwüren und ihren gefürchteten Komplikationen wie Blutung, Durchbruch und Verengung bzw. Verschluss, sogar bis hin zum Tode. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass das gastrointestinale Risiko unter traditioneller NSAR-Therapie drei- bis sechsmal höher ist als unter einer Therapie mit Coxiben. Aus diesem Grund halten insbesondere Rheumatologen Coxibe für unverzichtbar.
Nach neueren Erkenntnissen ist bei Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen per se davon auszugehen, dass ihr kardiovaskuläres Risiko erhöht ist. Hier spielen auch die Überlegungen eine Rolle, dass es sich bei atherosklerotischen Veränderungen um Entzündungsprozesse des Gefäßendothels handelt. Es wird geschätzt, dass die Lebenserwartung dieser Patienten aufgrund der gehäuft auftretenden Herz-Kreislauf-Komplikationen um etwa zehn Jahre vermindert ist. Besonders gefährdet sind Patienten mit hochaktiver entzündlicher Grunderkrankung. Deshalb kommt jetzt der aktuellen Diskussion um die kardiovaskuläre Sicherheit der Coxibe eine große Bedeutung zu und es stellt sich die Frage, ob die traditionellen NSAR eine sichere Alternative sind.
Hinweis für eine Risikoabschätzung
Hierzu sollte eine dänische Kohortenstudie Klarheit verschaffen. In der populationsbasierten Fall-Kontroll-Studie wurden die Registerdaten von 10.280 frischen Myokardinfarkten aus Nord-Jütland, Viborg und Aarhus der Jahre 2000 bis 2003 ausgewertet. Jedem dieser Erstinfarkte wurden zehn alters- und geschlechtsgleiche Personen aus dem dänischen Zivilregister gegenübergestellt, die bis dahin keinen Infarkt erlitten hatten. Weiterhin wurden alle Verschreibungen von nicht-ASS-NSAR vor den Erstinfarkten erfasst. Und aus den Myokardinfarkten wurden die geschätzten krankheitsspezifischen Risiken herausgerechnet. Dazu gehörten Krankheitsgeschichten mit KHK, Bluthochdruck und Diabetes mellitus, sowie auch chronische Bronchitis, Alkoholismus, rheumatoide Arthritis und systemischer Lupus erythematosus. Auch die relative Risikobeeinflussung durch krankheitsbedingte medikamentöse Therapie wurde herausgerechnet. Hierzu gehörten unter anderem Hochdosis-Acetylsalicylsäure (ASS), orale Antidiabetika, Lipidsenker, Glucocorticosteroide und auch die Hormonersatztherapie. Auf Grundlage einer derart risikoadjustierten Datenerhebung wurden die relativen Risiken der Gabe von Coxiben und traditionellen NSAR erfasst. Dabei wurden die Anwender wiederum in drei Gruppen aufgeteilt: erstens die Gruppe der aktuellen Anwender (0 bis 30 Tage), zweitens die Gruppe der kürzlichen Anwender (31 bis 90 Tage) und drittens die Gruppe der vergangenen Anwender (vor mehr als 90 Tagen). Außerdem wurden die Erstanwender der Medikamente erfasst.
Beim Vergleich der aktuellen NSAR-Anwender mit den Nicht-Anwendern stellten sich folgende Berechnungen für ein relatives Risiko wegen eines Myokardinfarktes hospitalisiert zu werden heraus:
- Rofecoxib: 80% erhöhtes Risiko
- Celecoxib: 25% erhöhtes Risiko
- andere Coxibe: 45% erhöhtes Risiko
- Naproxen: 50% erhöhtes Risiko
- andere Nicht-ASS-NSAR: 68% erhöhtes Risiko
Die höchsten Risikosteigerungen ergeben sich bei den Erstanwendern aller untersuchten Medikamente.
Diese Daten scheinen konsistent zu sein mit zwei weiteren, kürzlich publizierten Register-basierten Beobachtungs-Studien aus Großbritannien und den USA. Da solche retrospektiven Beobachtungen mit einer Vielzahl unkalkulierbarer Parameter einhergehen, sollte aus ihnen lediglich ein Hinweis für eine Risikoabschätzung herausgelesen werden können. Die kardiovaskuläre Sicherheit der NSAR lässt sich schließlich nur in prospektiven Studien tatsächlich abklären.
Fall-Kontroll-Studien liefern nur Hypothesen
Im Gegensatz zu experimentellen Studien werden in Beobachtungsstudien die Patienten, die ein bestimmtes Merkmal (eine Krankheit, einen Risikofaktor) aufweisen, ohne kontrollierte Intervention beobachtet und eventuell auftretende Veränderungen dokumentiert. Sie können sowohl retrospektiv als auch prospektiv angelegt sein, während experimentelle Untersuchungen stets prospektiv durchgeführt werden. Fall-Kontroll-Studien sind solche analytischen Beobachtungsstudien mit retrospektiver Beobachtungsweise, bei der die Daten zu Beginn der Untersuchung bereits vorliegen. Das Kollektiv an Patienten wird nachträglich nach einer oder mehreren Expositionen untersucht und möglicherweise mit einer geeigneten Kontrollgruppe verglichen. Wichtigstes Anwendungsgebiet von Fall-Kontroll-Studien – und zugleich aufgrund fehlender Alternativen auch oft einzig möglicher Studientyp - ist die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Exposition und seltenen Ereignissen bzw. Ereignissen mit langer Latenzzeit. Die Ergebnisse aus solchen – oft kostengünstigen – Studien dürfen lediglich als Hypothese und nicht als Kausalitätsbeweis gedeutet werden und sollten in weiteren Studien mit prospektivem Ansatz bestätigt werden.
Martin Wiehl
Quelle
Prof. Dr. Sören Paaske Johnsen, Aarhus, Dänemark; Prof. Dr. Jürgen Kaltwasser, Frankfurt; Prof. Dr. Ivar Roots, Berlin:
Pressekonferenz „Alle NSAR verursachen kardiovaskuläre Risiken – Die aktuelle Studienlage“, Dresden, 16. September 2005, veranstaltet von der Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe.
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