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Aus Kammern und Verbänden
Wo bleibt die Qualität der Patientenversorgung?
Auf dem Podium diskutierten unter der Moderation des NDR-Journalisten Bernd Seguin Apotheker und Ärzte mit Vertretern aus Politik und Pharmaindustrie. Auch die Sicht der Patienten auf die Veränderungen durch das GMG war vertreten.
Für dezentrale Struktur
im Apothekenwesen
In Vertretung der baden-württembergischen Gesundheitsministerin, die den Termin kurzfristig absagen musste, eröffnete Ministerialdirigent Dr. Joachim Kohler, Leiter der Abteilung Gesundheit im baden-württembergischen Sozialministerium, mit einem Eingangsreferat die Veranstaltung. Er erklärte, es sei politische Richtschnur, das Prinzip der Subsidiarität auch im Gesundheitsbereich aufrecht zu erhalten. Während große Gesundheitsrisiken durch das gesetzliche Versicherungssystem abgedeckt bleiben müssten, müsse sich neben der Eigenvorsorge jeder Bürger gegen kleine Risiken persönlich ab- und versichern.
Hierbei falle den Apothekern eine besonders wichtige Aufgabe zu, die durch strukturelle Maßnahmen des GMG sogar befördert worden wären. Ihre Funktion sei es, so Kohler, über Nutzung, Chancen und Gefahren von Selbstmedikation aufzuklären. Darüber hinaus könne nur die dezentrale Struktur des Apothekenwesens in Deutschland die Arzneimittellogistik wirkungsvoll sicherstellen und sei Garant für eine Arzneimittelsicherheit. Auch das derzeit geltende Regionalprinzip in der Versorgung von Krankenhäusern mache Sinn, um eine hohe Qualität in diesem Bereich auch weiterhin zu gewährleisten. Abschließend stellte Kohler fest, dass die im Sozialgesetzbuch angelegten Möglichkeiten zur integrierten Versorgung sinnvoll seien, denn hier gebe es ein hohes Synergiepotenzial.
Hohe Versorgungsqualität durch die Hausapotheke
Patientenvertreter Dr. Franz-Josef Oldiges, der auch im Gemeinsamen Bundesausschuss die Patientenrechte vertritt, erklärte, dass der Weg der Einbeziehung der Patienten in die politische Willensbildung zwar steinig, aber gut angelaufen sei. Er betonte vor allem die Wichtigkeit von Selbsthilfeorganisationen und verwies auf das jüngst verabschiedete Präventionsgesetz, was diesen Bereich weiter stärken und eine Ankopplung von Patientenorganisationen auch an das System der Gesetzlichen Krankenversicherung deutlich befördern würde. Die Mehrbelastungen für den Patienten, die ihre Ursache in den strukturellen Maßnahmen des GMG haben, zeigten nach Oldiges Meinung deutlich steuernde, gleichwohl positive Effekte für das Gesamtsystem.
Für die Apotheker erklärte LAV-Beiratsmitglied Dr. Walter Taeschner die neue Systematik der Hausapothekenmodelle und machte deutlich, dass auf den Patienten in den Apotheken eine besonders hohe Qualität der Versorgung wartet. Dafür stehe nicht nur die perfekte Logistik, die in der Vergangenheit aufgebaut wurde, sondern auch die neuen Dienstleistungen, die der Patient über die Hausapotheke in Anspruch nehmen könne. Nicht nur chronisch erkrankte Patientinnen und Patienten profitierten davon, sondern jede einzelne Kundengruppe der Apotheke, erklärte Taeschner und stellte anhand einiger Beispiele die "Gatekeeper"-Funktion der öffentlichen Apotheke vor.
Trend zum Billigen ist fatal
Auch aus der Perspektive der Pharmaindustrie wurde das Thema beleuchtet. Dr. Udo Meier (Boehringer Ingelheim) räumte zunächst mit dem Vorurteil auf, dass die Erforschung neuer Arzneimittel nur auf einer Forschungsidee beruhe. Er erklärte den komplizierten, langwierigen und teuren Prozess der Arzneimittelentwicklung und Zulassung. Aus Sicht der Forschung sei, so ergab sich in der anschließenden Diskussion, der politische Trend "zum Billigen" ein fataler Ansatz. Bei Entwicklungskosten von etwa 800 Millionen Dollar für ein innovatives Arzneimittel müsse verantwortliche Gesundheitspolitik auch ein Einspielen dieser Gelder grundsätzlich ermöglichen, um die Forschung auf dem Niveau zu halten, die sie heute habe.
Dr. Dieter Barth erklärte als Jurist vor allem die problematische Situation der Werbung rund um Arzneimittel. Seiner Ansicht würde zwar immer wieder behauptet, der Patient stehe im Mittelpunkt, in "Wahrheit ist er aber nur Mittel. Punkt." Um im Gesamtsystem einen aufgeklärten Patienten als den wesentlichen Entscheidungsfaktor zu positionieren, müsse dem Patienten mehr Information zu seiner Erkrankung und zu möglichen Therapien und Arzneimitteln angeboten werden. Andere Länder, so Barth, seien hier viel liberaler und das Grenzen überschreitende Internet als Informationsplattform mache eine restriktive deutsche Heilmittelwerbepolitik obsolet. Qualität für den Patient bedeute auch, ihn in die Lage zu versetzen, der "informierte Patient" zu sein, meinte der Spezialist für internationales Unternehmensrecht.
Der Kardiologe und Chefarzt der Esslinger Kliniken Professor Matthias-M. Leschke thematisierte vor allem die für den behandelnden Arzt im Krankenhaus häufig problematische Situation, nicht nach medizinisch optimalen Methoden zu entscheiden, sondern die Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Auge zu behalten. Hier komme der Arzt regelmäßig in ein Entscheidungsdilemma, denn nicht selten sei die dann tatsächlich angewendete, kostengünstige Heilbehandlung auch die aus medizinischer Sicht für den Patienten optimale Therapie.
Qualität ja, aber ...
In der Diskussion dominierte vor allem die Sorge der zahlreichen Patientinnen und Patienten, in welchem Umfang und mit welchen Hilfsmitteln aus dem "Kranken" der "informierte Patient" würde. Das Podium war sich einig darüber, dass zwar erste eingeleitete Methoden zur Qualitätssicherung und -steuerung das System der Leistungserbringer transparenter machen würde, gleichzeitig aber die Individualität der Patientenpersönlichkeit bei der Wahl beispielsweise des richtigen Arztes besondere Berücksichtigung finde. Apotheker Taeschner brachte es zusätzlich auf den Punkt: "Was nutzt das Wissen, dass es an Qualitätskriterien gemessen vielleicht in Freiburg den ,richtigen' Behandler gibt, wenn ich keine Möglichkeit habe, dorthin zu kommen? Qualität ist eben auch an regionale Gegebenheiten gebunden!"
Insgesamt zeigte die Podiumsdiskussion, dass es ein Jahr nach dem GMG um die Qualität der Patientenversorgung offenbar gar nicht so schlecht gestellt ist. Einig war man sich aber auch, dass dies kein Effekt des Gesetzes sei, sondern der Grund im persönlichen Engagement jedes Einzelnen liege. Ein an der Veranstaltung teilnehmender Hausarzt meinte mit einem etwas frustrierten Unterton: "Wir Leistungserbringer werden durch die Gesetze immer mehr zu Verwaltungsbürokratien – aber durch unser persönliches Engagement werden wir dafür sorgen, dass die medizinische Qualität für unsere Patienten gesichert bleibt. Nicht das Gesetz, sondern wir sichern Qualität für den Patienten." lav
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