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Apotheke und Krankenhaus
Neue Besen, alte Borsten? (Editorial)
Berlin scheint nicht nur immer wieder eine Reise wert, Berlin ist auch immer wieder für eine Überraschung gut. Schließlich wurde in diesen Wochen die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik vereidigt und - ebenfalls ein Novum - die beiden großen Parteien werden von Personen aus den neuen Bundesländern geführt, was vor wenigen Jahren wohl noch niemand für möglich gehalten hätte. Die neue Regierung aus einer großen Koalition steht vor einer großen Bewährungsprobe, entweder nutzt sie ihre Chance, kommt mit Riesenschritten voran, räumt die vorhandenen großen Brocken aus dem Weg oder sie verfällt in ein geräuschvolles, trippelndes Verharren auf der Stelle. Ulla Schmidt bleibt Chefin des Bundesministeriums für Gesundheit, die beschlossene nächste Gesundheitsreform wurde zwar erst einmal ins nächste Jahr verschoben, doch die ersten Horrornachrichten haben bereits die Apotheker erreicht. Neues und Altbekanntes aus Berlin, Gewöhnung an die Überraschung!?
Neuer, alter Ärger aus Brüssel!
In der Krankenhausversorgung droht ebenfalls neuer, alter Ärger aus Brüssel. Die Europäische Kommission greift die im Sommer erfolgte Änderung von § 14 Apothekengesetz (ApoG) wieder auf. Die alten Argumente aus Brüssel gegen das Regionalprinzip richten sich diesmal gegen die "Versorgung aus einer Hand". Angeführt wird u. a. die Benachteiligung eines Apothekers aus einem anderen Mitgliedsland, der wohl eine wirtschaftliche Arzneimitteltherapie ohne genaue Kenntnis des deutschen Gesundheitssystems und der entsprechenden Abrechnungsmodalitäten regelmäßig nicht erfüllen könnte und somit vom Markt ausgegrenzt wird. Zitat aus dem Brüsseler Schreiben vom 12. Oktober 2005: "Dabei weist die Kommission darauf hin, dass rein wirtschaftliche Gründe eine Beschränkung des freien Warenverkehrs nicht rechtfertigen können. Auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erscheint die in § 14 ApoG vorgesehene Bündelung nicht erforderlich."
Qualitative Nachteile für den Patienten
Gerade der letzte Satz der EU-Kommission berücksichtigt in keiner Weise, dass die Trennung der patientenindividuellen Arzneimittel- und vor allem der Notfallversorgung von der regulären Arzneimittelbelieferung sehr wohl zu qualitativen Nachteilen für den Patienten führen kann. Vielmehr wird wörtlich bemängelt: "Der Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten ist stärker behindert als für inländische Erzeugnisse...".
Wie steht es um einheitliche Zulassungen, europäische Beipackzettel, vergleichbare Besteuerung ...?
Als Apotheker darf man sich seit Beginn des Streites fragen, warum die Kommission sich nicht erst einmal um einheitliche Zulassungen, europäische Beipackzettel und um eine vergleichbare Besteuerung der Arzneimittel kümmert, womit schon eher ein gleicher Marktzugang für Waren in andere Mitgliedstaaten ermöglicht werden könnte. Solange verschreibungspflichtige, in Deutschland in den Verkehr gebrachte Arzneimittel allein deshalb in ein europäisches Mitgliedsland verbracht werden, um anschließend über eine dortige Versandapotheke ausschließlich wieder nach Deutschland zurückgelangen zu können, kann das nicht im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bürger sein. Die Arzneimittelversorgung mit aller Macht politischen Zielvorstellungen unterzuordnen - und mögen sie aus europäischer Sicht im Ansatz untadelig sein - verkennt die Bedeutung um die Verantwortung dieser Aufgabe für die Bevölkerung eines Staates.
Erneute Novellierung des § 14 ApoG - Desavouierung des Gesetzgebers
Der BVKA hofft und kann es sich schlechterdings nicht vorstellen, dass die nunmehr amtierende Bundesregierung wenige Monate nach Verabschiedung des Gesetzes den Gesetzgeber desavouiert, indem sie gegenüber der Kommission wie schon einmal ihre Bereitschaft erklärt, den gesetzgebenden Körperschaften eine erneute Novellierung des Gesetzes vorzuschlagen. Dieses hat der BVKA dem Ministerium auch Ende November in einer erneuten Stellungnahme mitgeteilt.
Welche Ziele verfolgt die ADKA?
Wieder einmal sind die Apothekerverbände unter Federführung der ABDA gefordert. Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA) konnte sich während des vorausgegangenen Streites mit Brüssel nur teilweise der ABDA-Linie anschließen. Inzwischen gibt es seit dem 1. Oktober mit Dr. Peter Walther einen neuen ADKA-Geschäftsführer. Dieser ist wie sein Vorgänger kein Apotheker, aber als Volkswirt und Gesundheitsökonom seit rund zwölf Jahren in verschiedenen Verbänden des Gesundheitswesens tätig (siehe Krankenhauspharmazie, Heft 10, Oktober 2005: "Gedanken zum Einstieg"). Mit der Wahl eines erfahrenen Interessenvertreters am Standort Berlin zum Geschäftsführer dokumentiert der ADKA-Vorstand einmal mehr, welchen Stellenwert die Verwirklichung eigenständiger Zielvorstellungen gegenüber der Politik hat, notfalls auch ohne oder gegen die Jägerstraße.
Gedanken zum Einstieg des neuen ADKA-Geschäftsführers
Die krankenhausversorgenden Apotheker hat der neue Geschäftsführer in seine "Gedanken zum Einstieg" miteinbezogen und gleichzeitig angekündigt, wie er den Konkurrenten seiner ihm nun anvertrauten Mitglieder aktiv begegnen wird. Dr. Peter Walther in der Krankenhauspharmazie: "Es wird darauf ankommen, in jedem Krankenhaus das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine krankenhausbeliefernde Apotheke nicht den gleichen Qualitätsstandard bieten kann, nicht das gleiche Dienstleistungsspektrum leisten kann und nicht mit der gleichen Reaktionszeit die Notfallversorgung ermöglicht wie eine Krankenhausapotheke."
Wir möchten an dieser Stelle dem neuen Geschäftsführer gerne mitteilen, dass wir seit Jahren das "krankenhausbeliefernde" Stadium erfolgreich hinter uns gelassen haben. Am Dienstleistungsspektrum und am Qualitätsstandard arbeiten wir täglich, das kann im Übrigen der einen oder anderen Krankenhausapotheke ebenfalls nicht schaden. Untersuchungen zu Reaktionszeiten sind uns allerdings noch nicht bekannt, ob Krankenhausapotheker schneller, weil im Durchschnitt jünger, aus dem Bett sprinten, ausdauernder laufen, schnellere Autos fahren oder bessere Abkürzungen kennen, aber das wäre ja mal eine Idee, dieses in einer sportlichen Studie abzuklären.
Ernsthaft ist allerdings einmal mehr zu befürchten, dass die "Hardliner und Ewiggestrigen" innerhalb der ADKA-Führung die Gespräche der ersten Wochen mit Dr. Walther geprägt haben. Es bleibt abzuwarten, wie diese Äußerungen letztlich zu bewerten sind, ein wenig borstig klingen sie schon.
Klaus Grimm,
2. Vorsitzender der BVKA
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