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Proteomics – die Aufklärung der Proteine im Organismus

Nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms steht jetzt mit der Analyse des Proteoms eine viel größere Herausforderung an. Um die Proteine aufzutrennen und zu identifizieren, werden insbesondere 2D-Gelelektrophorese, Massenspektrometrie sowie biochemische Verfahren eingesetzt. Bei der Auswertung der gewonnenen Information und zum Vergleich mit vorhandener Information ist die EDV unerlässlich.

Nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms ist im "Post-Genom-Zeitalter" ein neues Forschungsgebiet entstanden: Proteomics, die Untersuchung der Protein-Biosynthese eines biologischen Systems. Analog zum Genom, das die Gesamtheit der Gene bezeichnet, prägte ein australischer Doktorand den Begriff Proteom, um die Gesamtheit der Proteine zu bezeichnen.

Warum genügen die Gene nicht?

Heute kennt man zwar die Abfolge der DNA-Basenpaare in den rund 31.000 Genen des Menschen, die Funktion vieler Gene ist aber noch unklar. Erst wenn man die Proteine – die Vollstrecker der genetischen Information – kennt, weiß man auch über die Funktion der Gene Bescheid.

Proteine sind nicht nur eine Abfolge von Aminosäuren. Sie weisen auch eine Sekundärstruktur (Helix oder Faltblatt) und eine Tertiärstruktur (komplexe dreidimensionale Struktur) auf, die unmittelbar mit der Funktion des Proteins zusammenhängen.

Viel mehr Proteine als Gene

Im menschlichen Organismus gibt es über 300.000 verschiedene Proteine, schätzte Prof. Michael Karas, Frankfurt. Proteine können auch wieder zerlegt oder durch Einbau funktioneller chemischer Gruppen verändert werden (zum Beispiel Phosphorylierung, Glykosylierung). Inzwischen sind allein 300 chemische Modifizierungen bekannt. Die Funktion eines Proteins hängt außerdem von seiner Lokalisation und von assoziierten Proteinen ab.

Bei Proteomics geht es nicht nur darum, ob ein Protein vorkommt, sondern wie häufig und in welcher Modifikation es vorkommt. Darüber hinaus werden Zellspezifität, Protein-Wechselwirkungen, Proteinkomplexe und die Korrelation mit Krankheiten oder Umweltfaktoren untersucht.

Das Proteom verändert sich ständig

Die Analyse des Proteoms wird sich nach Karas' Einschätzung als die weit größere Herausforderung erweisen als die Genom-Sequenzierung. Das hat neben der höheren Zahl der Proteine folgende Gründe:

  • Das Proteom ist im Unterschied zum Genom nicht statisch, sondern dynamisch. Es verändert sich abhängig von äußeren Bedingungen, wie Temperatur, Chemikalien, Zustand und Kulturbedingungen.
  • Bisher lässt sich nur das Genom vervielfältigen (mittels PCR).
  • Im Unterschied zum Genom ist das Proteom nicht homogen. Es ist sowohl Zell- bzw. Kompartiment-spezifisch als auch Aktivitäts-spezifisch.
  • Manche Proteine kommen pro Zelle nur wenige Male vor, andere bis zu 106-mal. Diese hochgradige Variabilität der Menge erschwert die Analytik.

Konventionelle und

moderne Verfahren

Die Werkzeuge von Proteomics stammen aus der instrumentellen analytischen Chemie und wurden für die neuen Bedürfnisse weiterentwickelt.

Zur Trennung von Proteingemischen wird die zweidimensionale (2D-) Gelelektrophorese eingesetzt. Dabei werden die Proteine zunächst in einem Polyacrylamid-Gel mit einem pH-Gradienten nach ihrem isoelektrischen Punkt und dann in der zweiten Dimension in einem Natrium-Dodecylsulfat-Gel proportional zu ihrer molekularen Masse aufgetrennt. Die einzelnen Proteine werden meist durch Anfärben als Flecken (Spots) sichtbar gemacht.

So bringt man Proteine

zum Fliegen

Zur Identifizierung der Proteine dient die Massenspektrometrie, denn die Molekularmasse ist die einfachste, unmittelbarste Eigenschaft jeder Verbindung. Proteine "mögen" allerdings ihre wässerige Umgebung und andere Proteine. Nur mithilfe von Tricks lassen sie sich ins Hochvakuum eines Massenspektrometers bringen:

  • Bei der Elektrospray-Ionisation (ESI) wird die Probe in gelöster Form durch eine Kapillare – beispielsweise eine gerade abgesägte Spritzennadel – gepumpt, an die eine Spannung von einigen tausend Volt angelegt wird. Die Flüssigkeit explodiert daraufhin in Form einer Wolke elektrisch geladener Teilchen.
  • Bei der Matrix-unterstützten Laser-Desorptions-Ionisation (MALDI) ist die Probe in eine feste Matrix eingebettet. Das ist ein in großem Überschuss vorhandenes kleines organisches Molekül, wie 2,5-Dihydroxybenzoesäure. Durch Beschuss eines Lasers dehnt sich der Festkörperkristall aus. Es kommt zur Explosion, bei der auch die Proteine ionisiert in die Gasphase überführt werden. Die MALDI-Technik wird in Kombination mit dem Flugzeit-Massenspektrometer (Time-of-flight, TOF) angewendet. Hier werden die Ionen mittels gepulstem Laser erzeugt, und die Flugzeit wird gemessen.

Proteine sequenzspezifisch spalten

Zur Charakterisierung eines Proteins genügt die Masse nicht. Deshalb kommen biochemische Analysenmethoden ins Spiel. Die Proteine werden durch sequenzspezifische Proteasen gespalten. Beispielsweise schneidet Trypsin eine Peptidkette immer auf der C-terminalen Seite von Lysin und Arginin. Dadurch entstehen Peptide bestimmter Länge, die massenspektrometrisch untersucht werden können.

Die Identifizierung der Proteine gelingt durch Datenbank-Vergleich: Jede in Datenbanken verfügbare Gensequenz wird in eine Proteinsequenz "übersetzt". Für jedes "theoretische" Protein werden dann die Massen aller Peptide berechnet, die bei einer Spaltung durch Trypsin entstehen. Das Protein kann schließlich durch Vergleich des tatsächlich erhaltenen Peptidmusters (Peptide mass fingerprint) mit den berechneten identifiziert werden. 30 bis 40% Sequenzabdeckung reichen aus, um ein Protein zu identifizieren. Anstelle dieser Analytik-Abfolge (Proteine auftrennen, verdauen, identifizieren) kann auch das gesamte Proteom sofort verdaut werden, wobei eine "wüste Mischung" von Peptiden entsteht, die eine HPLC-Trennung und anschließende Identifizierung mittels ESI-MS/MS erfordert.

 

Anwendungsmöglichkeiten

Zu den Zielen von Proteomics gehört ein besseres Verständnis für chemische Molekularprozessen im Körper und für die Ursachen von Fehlfunktionen und Krankheiten. In Zukunft können mithilfe der Proteom-Analyse möglicherweise neue Diagnostik-Marker und zielgenauere sowie nebenwirkungsärmere Medikamente entwickelt werden. Identifizierung, Quantifizierung und Charakterisierung aller Proteine in einer Zelle, einem Organ oder Organismus (auch: einer Zellorganelle oder einem funktionellen Multi-Protein-Komplex) und die Techniken, die man hierzu benötigt.

Definitionen

 

  • Proteom Quantitatives Proteinmuster, das von einem Organismus oder Gewebe unter strikt definierten Bedingungen produziert wird.
  • Proteomics Identifizierung, Quantifizierung und Charakterisierung aller Proteine in einer Zelle, einem Organ oder Organismus (auch: einer Zellorganelle oder einem funktionellen Multi-Protein-Komplex) und die Techniken, die man hierzu benötigt.

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