Kommentar

Was ist ein Zusatznutzen?

Da bahnt sich etwas an: Die Zweiklassen-Medizin, die Ulla Schmidt bisher hartnäckig leugnet, kommt jetzt mit Riesenschritten im Bereich der Arzneimitteltherapie auf uns zu. Als Geburtshelfer fungiert das neue Schmidtsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG). Es hat die Aufgabe, Kosten-Nutzen-Bewertungen vorzunehmen, die dann letztlich über eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in die Arzneimittelrichtlinien einfließen, und so den Ärzten mehr oder weniger deutlich vorgeben, was sie verordnen dürfen und was nicht.

Mitte Februar veröffentlichte das Institut einen Bericht, der Humaninsuline mit kurz wirksamen Insulinanaloga vergleicht. Ergebnis: Es gibt derzeit keine überzeugenden Belege für eine Überlegenheit kurzwirksamer Insulinanaloga gegenüber Humaninsulin. Das ist eine starke Aussage mit wahrscheinlich noch stärkeren Folgen. Denn der Bundesausschuss stellt bereits Überlegungen an, wie er die IQWig-Erkenntnisse umsetzt, nämlich: Für Typ-2-Diabetiker dürfen kurzwirksame Insulinanaloga nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, solange diese Präparate deutlich teurer sind als Humaninsuline.

Zwar bezweifelt der G-BA nicht die Wirksamkeit der kurzwirksamen Insulinanaloga, aber der Preis sei das Problem. Ein mehr als 30 Prozent höherer Preis sei nicht gerechtfertigt ohne ersichtlichen Zusatznutzen. Ergo: Die Verordnung von Insulinanaloga ist unwirtschaftlich. Nur für Patienten, die bereits auf die modernen Insulinanaloga eingestellt seien, dürfe auch weiterhin die Kasse die Kosten dafür übernehmen. Neueinstellungen von Kassenpatienten sind also auf die älteren Humaninsuline vorzunehmen. Der G-BA bemängelt außerdem, dass die Industrie bisher keine Studien zum Zusatznutzen durchgeführt habe.

Doch was bedeutet eigentlich Zusatznutzen? Sind nicht auch eine bessere Compliance, gute Patientenerfahrungen und eine individuell bessere Verträglichkeit ein Zusatznutzen?

Für mich stellt sich die Vorgehensweise von IQWiG und G-BA eher so dar: Man sucht unter dem Deckmantel von Wissenschaft und Studien eine Rechtfertigung, moderne und teurere Arzneimittel in der GKV nicht mehr bezahlen zu müssen. Zur Beurteilung werden die "passenden" Studien herangezogen, um einen politischen Willen durchzudrücken. Ich bin überzeugt, wenn andere Experten die Studienlage beurteilten, könnte man auch zum gegenteiligen Ergebnis kommen.

Ehrlicher ist es, den Patienten zu sagen, es ist nicht mehr alles bezahlbar, die GKV kann nur eine Basismedizin leisten, wer mehr will, muss sich dafür privat versichern.

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.