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Die Seite 3
Mit zwei nachgeschobenen Schreiben hat sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bemüht, Unklarheiten und Widersprüche in seinem "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung" (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz – AVWG) zu glätten (vgl. DAZ 2005, Nr. 51/52, S. 25, und 2006, Nr. 1, S. 17). Das ist anzuerkennen. Aber es bleiben Fragen. Einige davon sind erst durch die Glättungsversuche so richtig deutlich geworden.
Jeder Ökonom wird z.B. irritiert den Kopf schütteln, wenn er sieht, wie das Ministerium fein säuberlich zwischen Naturalrabatten und Barrabatten unterscheidet. Naturalrabatte seien quasi unmoralisch und in Zukunft deshalb generell zu verbieten. Barrabatte hingegen könnten in zwei Fällen erlaubt sein:
- Erstens dort, wo die Preisbildungsregeln der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) schon früher nicht oder seit dem GMG nicht mehr gelten (also im Rahmen der Krankenhausversorgung und generell bei OTC-Arzneimitteln);
- zweitens im Geltungsbereich der AMPreisV (also bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Rahmen der ambulanten Versorgung durch öffentliche Apotheken), sofern der Barrabatt nicht dazu führt, dass der ausgewiesene Herstellerabgabepreis unterschritten wird.
Was, um Himmels Willen, unterscheidet einen Einkauf mit einem Naturalrabatt von 10+1 (eine Packung "verschenkt"), der zukünftig generell verboten sein soll, von einem weiterhin grund-sätzlich erlaubten Einkauf von 11 Packungen mit einem Barrabatt von 9,09%? Nach Adam Riese und den kaufmännischen Grundregeln ist der Einkaufsvorteil in beiden Fällen identisch.
Nachvollziehbar und berechtigt ist andererseits der Hinweis des BMG, dass gezielte Zuwendungen für die bevorzugte Platzierung bestimmter OTC-Arzneimittel problematisch seien. Das gilt aber nicht erst zukünftig, das war auch vorher so.
Nach § 10 Apothekengesetz darf sich der Apothekenleiter "nicht verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller oder Händler zu beschränken". Wären die Apotheken stinknormale Handelsunternehmen, wäre diese Regelung abstrus. Aber: Apotheker unterliegen anderen Spielregeln – und sie unterwerfen sich ihnen in ihrer großen Mehrheit durchaus aus Überzeugung. Der Apotheker versteht sich zwar auch als Kaufmann, aber zumindest gleichrangig ist er und sieht er sich als Angehöriger eines freien Heilberufs. Das ist gut so – auch wenn der gesellschaftliche Nutzen dieser Einstellung leider von Teilen der Politik verkannt wird. Das heilberufliche Selbstverständnis der Apotheker schützt die Patienten – mehr als jedes Verbot von Rabatten dazu je in der Lage wäre. Das kaufmännisch sinnvolle und notwendige Bemühen um gute Einkaufskonditionen bleibt gesundheitspolitisch (aus Sicht der Patienteninteressen) unbedenklich, soweit daran keine Verpflichtungen zu unsachgemäßen Empfehlungen geknüpft sind.
Die Diskussion um die Zulässigkeit von Rabatten hat auch etwas anderes deutlich gemacht: Es ist an der Zeit, die preisliche Sonderbehandlung der Arzneiversorgung in den Krankenhäusern auf den Prüfstand zu stellen. Die bisher gewollte Subventionierung der Krankenhausware führt zu immer stärkeren Wettbewerbsverzerrungen. Durch die Öffnung der Krankenhäuser in Richtung ambulante Versorgung wittern Krankenhausverwaltungen und Manager von privatwirtschaftlich betriebenen Krankenhausketten lukrative zusätzliche Einkommensquellen. Unter Krankenhausbedingungen vergünstigt eingekaufte Arzneimittel auch für die ambulante Versorgung einzusetzen und abzurechnen – diese Versuchung liegt auf der Hand. Es muss deshalb zukünftig gelten: gleiche Spielregeln für alle! Für öffentliche, krankenhausversorgende und Krankenhausapotheken müssen – wenn schon, denn schon – die gleichen Rabattrestriktionen gelten (oder nicht gelten). Wenn das AVWG so kommt, wie vom BMG geplant, sollten deshalb zukünftig verschreibungspflichtige Arzneimittel auch vom Krankenhaus (wie von öffentlichen Apotheken) nur nach den Regeln der Arzneimittelpreisverordnung eingekauft werden dürfen – mit Einkaufsvergünstigungen bis maximal zum Herstellerabgabepreis nach AMPreisV.
Übrigens: Man komme mir nicht mit dem Argument, bei gleichen Preisbildungsregeln für Krankenhaus- und Offizinarzneimittel werde die Versorgung teurer. Die bisherigen Vergünstigungen für den Krankenhausbereich sind natürlich von der Industrie bei den Arzneimitteln für die Offizin eingepreist.
Das AVWG sollte Anlass sein, ein bisschen weiter als bis zur nächsten Ecke zu denken.
Klaus G. Brauer
Ein bisschen weiter denken
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