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Pharmakologie
B. Hufnagel et al.Ungesättigte Fettsäuren und Athe
Geschichte der Atheroskleroseforschung
Atherosklerose, auch Arteriosklerose genannt, wird durch eine variable Kombination von Faktoren hervorgerufen, die zu einer Lumeneinschränkung der Arterien führen. Untersuchungen an Mumien haben gezeigt, dass bereits im alten Ägypten viele Menschen an Atherosklerose erkrankt waren. So konnte bereits Czermak 1852 bei der Untersuchung von zwei Mumien eine Gefäßverkalkung feststellen, und im Jahre 1909 konnte Shattock an der Aorta des Pharaos Merenptah (reg. 1224–1204 v. Chr.) anorganisches Calcium nachweisen. Leonardo da Vinci (1452–1519) dokumentierte als erster Wissenschaftler die makroskopisch sichtbaren Veränderungen atherosklerotischer Gefäße. Die erste formale Beschreibung der Arteriosklerose erfolgt im Jahre 1575 durch Fallopio. Er beschrieb Gefäßwandveränderungen, die er als Degeneration der Arterien zu Knochen ansah und als Ossifikation bezeichnete.
Lobstein prägte 1830 den Begriff "Arteriosklerose", und J. Vogel veröffentlichte 1843 in den "Icones Histologiae Pathologicae" das Auftreten von Cholesterin in der Aorta eines 84-jährigen Mannes. Im Jahre 1910 publizierte Stuckey seine Arbeit "Über die Veränderungen der Kaninchenaorta unter dem Einfluss einer reichlich animalischen Nahrung", gefolgt von einer weiteren Arbeit zu diesem Thema im Jahre 1912 mit dem Titel "Über die Veränderungen der Kaninchenaorta bei der Fütterung mit verschiedenen Fettsorten". Ebenfalls im Jahre 1912 berichtete Anitschkow erstmals über Cholesterin als eine Substanz, "deren chronische Einführung bei einigen Tieren ganz typische, der menschlichen Atherosklerose überaus ähnliche Veränderungen erzeugt". Dank dieser grundlegenden Arbeiten weiß man, dass Cholesterin einer der wesentlichen Faktoren der Atherogenese ist und die Atherosklerose sich in mehreren Schritten vollzieht.
Verletzungshypothese
Die "Response-to-injury"-Hypothese (Verletzungshypothese) wird bis heute als gültiges, aber in wesentlichen Teilen mangelhaftes Modell für die Entstehung der Atherosklerose anerkannt. Sie erklärt die eigentliche Frage, warum der Infarkt in aller Regel das Herz betrifft, mit dem ständigen Auftreten von Mikroläsionen im Bereich der sich ununterbrochen in Bewegung befindlichen Herzkranzgefäße. Sie lässt aber die Fragen unbeantwortet, warum dann nur sehr selten Infarkte im Bereich der mechanisch stark belasteten Fußsohlenarterien vorkommen und weswegen Diabetiker eine generalisierte Atherosklerose aufweisen.
Das frühe Stadium: die endotheliale Dysfunktion
Das initiale Ereignis der Atherogenese besteht nach der "Response-to-injury"-Hypothese in einer Verletzung des Endothels [1]. Verletzung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht unbedingt die vollständige Zerstörung im Sinne des Fehlens der endothelialen Beschichtung, sondern Schädigung und Fehlen von Endothelzellen und die damit erhöhte Permeabilität und Adhäsivität. Das Endothel wurde im Jahre 1929 entdeckt und ursprünglich für eine funktionslose Zellreihe gehalten, die lediglich die Grenze zwischen Gefäßlumen und der vaskulären Media darstellt (Abb. 1). Erst die weitere Forschung hat gezeigt, dass das Endothel entscheidend an der Entstehung der Atherosklerose beteiligt ist.
Die Endothelzellen erfüllen wichtige Aufgaben im Körper. Sie sind nicht nur für den Stofftransport aus dem Blut ins Gewebe verantwortlich, sondern auch maßgeblich an der Regulation des Gefäßtonus beteiligt. Auf einen gesteigerten Druck hin kann das Endothel mit der Bildung von Stickstoffmonoxid antworten und somit eine Vasodilatation bewirken. In direktem Zusammenhang mit der Barrierefunktion des intakten Endothels steht die Eigenschaft, die Adhäsion von Leukozyten und Proteinen zu verhindern und zugleich antithrombotische Mediatoren wie den plasminogenaktivierenden Faktor und Thrombomodulin zu bilden.
Ist das Endothel einmal geschädigt, dann verhält es sich nicht mehr antiadhäsiv, sondern bildet sogar Adhäsionsmoleküle aus. Selektine vermitteln den temporären Kontakt von Blutzellen, während intrazelluläre Adhäsionsmoleküle (ICAM) und vaskuläre zelluläre Adhäsionsmoleküle (VCAM) die feste Anheftung dieser Zellen an der Gefäßwand ermöglichen. Daraufhin können Monozyten und T-Lymphozyten durch das geschädigte Endothel in den subendothelialen Bereich einwandern und sich dort anreichern [2].
Die Wanderung der Blutzellen durch das Endothel wird durch Chemotaxis auslösende Substanzen wie monocyte-chemoattractant protein-1 (MCP-1) sowie Lipoproteine wie oxidiertes LDL oder chemisch modifiziertes LDL gefördert. Auch kann das geschädigte Endothel nicht mehr genügend Stickstoffmonoxid produzieren, was unweigerlich zu einer Gefäßverengung führt [3]. Die Bedeutung des Endothels für die Entstehung der Atherosklerose wurde erst innerhalb der letzten Jahre erkannt. Durch diese Erkenntnis können neue therapeutische Ansätze entworfen werden, die darauf abzielen, die Endothelzellen zu schützen und somit der Atherogenese entgegenzuwirken.
Frühe atherosklerotische Läsion und Bildung der Fettstreifen
Haben die Monozyten die Intima der Arterienwand erreicht, wandeln sie sich zu Makrophagen um und können daraufhin über Scavenger-Rezeptoren ungebremst Lipoproteine aufnehmen und zu fettüberladenen Schaumzellen degenerieren. Makrophagen und T-Lymphozyten setzen vermehrt proinflammatorische Zytokine und Chemokine wie Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) und Interleukine frei [2]. Diese Mediatorsubstanzen bewirken eine weitere vermehrte Bildung von Adhäsionsmolekülen und damit die fortlaufende Migration von Immunzellen, die für das Entstehen einer lokalen Entzündungsreaktion verantwortlich sind.
In diesen frühen Läsionen kann bereits ein Inflammationsmarker, das C-reaktive Protein, nachgewiesen werden. Begleitet wird diese Erscheinung durch die monozytäre, aber auch endotheliale Freisetzung von Wachstumsfaktoren wie platelet derived growth factor (PDGF), fibroblast growth factor-2 (FGF-2) und transforming growth factor-β (TGF-β), die ferner zu einer Migration und Proliferation von glatten Muskelzellen der Media, welche ebenso Lipide aufnehmen können, führen [4].
Durch die Rekrutierung von Monozyten, die Akkumulation von Makrophagen, Schaumzellen und lipidbeladenen glatten Muskelzellen wird schließlich die Verdickung der Arterienwand und die Ausbildung der charakteristischen Fettstreifen (fatty streaks) induziert. Dieses Zusammenspiel führt schließlich zu einer kontinuierlichen Progression der präatheromatösen Läsion (Abb. 2).
Entstehung des Atheroms
Im engeren Sinne ist das Atherom zusätzlich durch die Ausbildung eines nekrotischen Lipidkerns gekennzeichnet. Dieser Lipidkern wird unter anderem durch Cholesterin, tote Zellen, Immunzellen und durch die lipidüberladenen Makrophagen und Muskelzellen gebildet. Auf dem Atherom kann sich durch Anlagerung extrazellulärer Matrix eine kollagenöse Deckplatte ausbilden, und es entsteht das Fibroatherom. Die fibröse Kappe stabilisiert die Läsion und trennt das zirkulierende Blut von den atherosklerotischen Plaques, sodass eine Gefäßverengung für mehrere Jahre vom Patienten unbemerkt bestehen kann (Abb. 3). Jedoch kann im Laufe der Zeit die Stärke des schützenden Bindegewebes abnehmen; die Plaque wird instabil, und im schlimmsten Fall kommt es zur Plaqueruptur [2].
Die Plaqueruptur
Die Makrophagen in den Plaques setzen verschiedene proteolytische Enzyme wie Matrixmetalloproteinasen, Kollagenasen und Gelatinasen frei. Diese Enzyme bauen die fibröse Kappe der stabilen Plaques ab; da zugleich die glatten Muskelzellen weniger extrazelluläre Matrix bilden, wird die Plaque instabil und kann unter dem zusätzlichen Einfluss von vermehrten Scherkräften aufreißen. Zwar entleert sich bei einer Ruptur das fetthaltige Material des nekrotischen Lipidkerns, aber die Makrophagen aktivieren nun das Hämostasesystem. Die Thrombozyten setzen proinflammatorische Mediatoren in das Mikromilieu der Ruptur frei und bilden einen Thrombus aus, der zum Gefäßverschluss führen kann. Zudem weist die nun freiliegende subendotheliale Matrix zusätzlich adhäsive und thrombusauslösende Eigenschaften auf [5]. Klinische Bilder der thrombotischen Okklusion sind Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris oder Schlaganfall.
Erhöhte Mitoserate und Apoptose
Die Atherosklerose kann als ein Prozess angesehen werden, der durch die Schädigung des intakten Endothels initiiert wird. So ist also das Endothel dafür verantwortlich, ob die Atherogenese stattfindet oder nicht. Doch die Frage, die sich nun stellt, lautet: Welche Besonderheiten weisen die Stellen des Endothels auf, an denen später die beschriebenen Läsionen auftreten? Es konnte nachgewiesen werden, dass diese Stellen sowohl eine erhöhte Mitoserate als auch eine erhöhte Permeabilität besitzen. Eine gesteigerter Zellumsatz setzt jedoch voraus, dass relativ viele Endothelzellen zuvor durch Apoptose zugrunde gegangen sind.
Die Apoptose oder der programmierte, d.h. genetisch kontrollierte Zelltod ermöglicht es dem Körper, alte Zellen abzubauen, um sie durch neue zu ersetzen. Bei der Apoptose bleibt im Gegensatz zur Nekrose die Zellmembran länger intakt. Daher treten keine proinflammatorischen Stoffe in das umliegende Gewebe aus und eine Entzündungsreaktion findet nicht statt. Doch wie steuern Endothelzellen die Induktion der Apoptose?
Die reversible Phosphorylierung
Die Apoptose wurde in den letzten Jahren von vielen Arbeitsgruppen sehr intensiv untersucht. Die wissenschaftlichen Arbeiten konzentrierten sich auf die zugrunde liegenden Signaltransduktionswege, die darüber entscheiden, ob eine Zelle lebt oder stirbt. Es wurden zahlreiche regulatorische Proteine identifiziert und charakterisiert, die entweder pro- oder antiapoptotische Eigenschaften besitzen und in die apoptotischen Kaskaden eingreifen. Jedoch wurde zunächst nicht beachtet, dass auch diese Proteine einem Regelmechanismus unterliegen, das heißt, dass jede Körperzelle sie an- bzw. abschalten können muss, um den gewünschten Effekt auszulösen. Dieser An- bzw. Abschaltmechanismus wird im Allgemeinen durch das Prinzip der reversiblen Phosphorylierung erreicht.
Die Hauptverantwortlichen für diesen Steuermechanismus sind Kinasen und Phosphatasen. Kinasen können mit Hilfe von ATP Proteine phosphorylieren, und ihre Gegenspieler, die Phosphatasen, sind in der Lage, den Phosphatrest hydrolytisch abzuspalten (Abb. 4). Zunächst wurde den Kinasen vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt, da mehr Kinasen als Phosphatasen identifiziert worden sind. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass Phosphatasen ebenfalls sehr spezifisch in die apoptotischen Kaskaden eingreifen können. Diese Enzyme stellen also äußerst wichtige Regulatoren der Zellfunktion dar und sind dementsprechend bedeutende Targets für den Angriff von Arzneistoffen.
Proteinphosphatase 2C und Fettsäuren
Die Proteinphosphatase 2C (PP2C) spielt bei der Signaltransduktion der Apoptose eine bedeutende Rolle. Das Enzym benötigt Magnesiumionen, um aktiv zu sein, und wird ubiquitär synthetisiert. Wir konnten zeigen, dass es jedoch einen weiteren interessanten Unterschied zu vielen anderen Phosphatasen gibt: Die Aktivität der PP2Ca und PP2Cb lässt sich durch ungesättigte Fettsäuren, wie zum Beispiel Ölsäure (Abb. 5), bis zum Zehnfachen steigern [6]. Bei näherer Betrachtung der strukturellen Merkmale der getesteten Fettsäuren konnten wir feststellen, dass sie eine freie Carboxylgruppe besitzen mussten. Auch sollten sie ungesättigt sowie cis-konfiguriert sein und eine Kettenlänge von mindestens 15 Kohlenstoffatomen aufweisen [6].
Zusammenfassend kann man bemerken, dass die PP2C durch bestimmte physiologische Fettsäuren spezifisch aktiviert wird. Doch wie wirkt sich diese Aktivierung bezüglich der endothelialen Apoptose aus? Vor kurzer Zeit konnte in unserer Arbeitsgruppe ein neues Substrat der PP2C identifiziert werden: Bad, der Bcl-2-antagonist of cell death [7]. Bad zählt zu einer Gruppe wichtiger Proteine, die bei der Regulation der Zellvitalität eine entscheidende Rolle spielen. Dieses Protein erwies sich als sehr interessantes Substrat für die PP2C, weil es mittels reversibler Phosphorylierung den apoptotischen Zelltod hemmt oder fördert. Wird Bad von Kinasen phosphoryliert, so überlebt die Zelle; wird Bad nicht phosphoryliert oder wird Phospho-Bad wieder dephosphoryliert, geht die Zelle zugrunde (Abb. 6). Um dieses Phänomen weiter zu analysieren, haben wir Versuche mit in vitro kultivierten Endothelzellen durchgeführt.
Wir konnten im Zytosol der kultivierten Endothelzellen (HUVECs, human umbilical vein endothelial cells) sowohl das Substrat Bad als auch die PP2C nachweisen [8]. Die freien Fettsäuren (z. B. Ölsäure) könnten also über eine Aktivierung der PP2C die Dephosphorylierung von Bad initiieren und somit die endotheliale Apoptose auslösen. Unsere weiteren Untersuchungen zeigten, dass die Aktivatoren der PP2C auch in der Zellkultur signifikant die endotheliale Apoptose induzierten [8].
Synthese und Abbau der Lipoproteine
Es ist bekannt, dass hohe Plasmacholesterin- oder Plasmatriglyceridwerte die Entstehung der endothelialen Dysfunktion und damit die Atherogenese entscheidend begünstigen. Jedoch ist bis jetzt unklar, inwiefern sie in direktem Zusammenhang mit der Schädigung des Endothels stehen. Blutlipide sind wasserunlöslich und werden im wässrigen Milieu des Plasmas in Form von Lipoproteinen transportiert.
In Lipoproteinen sind die lipophilen Cholesterinester und Triglyceride im Kernbereich angeordnet und werden von Phospholipiden, freiem Cholesterin und bestimmten Proteinen (Apolipoproteinen) umgeben. Die Apolipoproteine erfüllen eine Reihe unterschiedlicher Funktionen und dienen als Liganden (ApoB, ApoE), Cofaktoren (ApoC-II, ApoA-I, ApoA-IV) und Strukturproteine (ApoB) [9].
Ein Hauptunterscheidungsmerkmal der Lipoproteinklassen ist deren Dichte: Die Lipoproteine geringster Dichte sind die Chylomikronen, die nach intestinaler Resorption der Nahrungsfette über den großen Gallengang (Ductus choledochus) in die Blutbahn abgegeben werden. Die Lipoproteinlipase ist über Heparansulfatproteoglykane in der Membran der Endothelzellen verankert und setzt Fettsäuren aus den Chylomikronen frei (Abb. 7). Die freien Fettsäuren überwinden mit Hilfe von fatty acid binding proteins (FABP) die endotheliale Barriere und werden verstoffwechselt: Sie dienen dann als Energielieferant der Muskelzellen oder als Vorläufer für die Synthese von Membranlipiden und Lipidmediatoren wie Prostaglandinen, Thromboxanen und Leukotrienen. Die vor allem aus Cholesterin bestehenden Reste (engl. "remnants") der Chylomikronen werden in die Leber transportiert.
Die Leber selbst synthetisiert VLDL (Very Low Density Lipoprotein); die Lipoproteinlipase der Endothelzellen spaltet das VLDL in freie Fettsäuren und IDL (Intermediate Density Lipoprotein), aus dem das cholesterinreiche LDL (Low Density Lipoprotein) entsteht. Die LDL-Partikel gelangen zu den Körperzellen, werden von ihnen über den LDL-Rezeptor aufgenommen und beliefern sie mit Cholesterin. Dieses wird zum einen als Baustoff der Zelle selbst und zum anderen als Grundstoff für die Synthese von Steroidhormonen benötigt. Überschüssiges LDL in der Blutbahn, das nicht auf diese Weise verstoffwechselt, sondern von Makrophagen in der Arterienwand aufgenommen wird, ist das hauptverantwortliche Lipoprotein für die Entstehung der Schaumzellen und in der Folge der Atherosklerose.
Ungesättigte Fettsäuren induzieren endotheliale Apoptose
Unsere nächsten Untersuchungen beschäftigten sich mit der Fragestellung, ob die Fettsäuren, die von der Lipoproteinlipase aus den Lipoproteinen freigesetzt werden, die Apoptose von Endothelzellen induzieren und somit zur Auslösung der Atherosklerose beitragen. Die Endothelzellen wurden hierfür zum einen mit nativen Lipoproteinen (VLDL, LDL und HDL) und zum anderen mit den Spaltprodukten der entsprechenden Lipoproteine nach Zusatz von Lipoproteinlipase inkubiert. Die Lipoproteine führten zu keiner Schädigung. Im Gegensatz dazu bewirkten deren Spaltprodukte eine hohe Apoptoserate [8]. Entscheidend für diesen Effekt waren die freigesetzten Fettsäuren. Das abgebaute HDL, das "gute" Cholesterin, konnte in physiologischen Konzentrationen die Endothelzellen nicht schädigen, weil die Menge an freigesetzten Fettsäuren zu gering war (Abb. 8).
Weitere In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass die mit Hilfe der Lipoproteinlipase aus den Lipoproteinen freigesetzten Fettsäuren die Aktivität der PP2C bis zum Zwölffachen steigern können [8]. Zusammenfassend kann man sagen: Ungesättigte freie Fettsäuren aktivieren in physiologisch vorkommenden Konzentrationen die PP2C, die wahrscheinlich über eine Dephosphorylierung von Bad die endotheliale Apoptose induziert. Hierdurch wird die Integrität der Endothelzellen nachhaltig gestört und die Entwicklung der Atherosklerose getriggert.
Bestätigung durch Farbreaktionen
Die Zugabe von Nilblau, das die Lipide spezifisch im Zytosol der Zellen rot anfärbt, demonstrierte des weiteren anschaulich, dass die aus VLDL und LDL freigesetzten Fettsäuren in gleicher Art und Weise von den Endothelzellen aufgenommen werden. Die zusätzlich durchgeführte Hoechst-Färbung erlaubt das Erkennen apoptotischer Zellkerne (blau) und zeigt zudem, dass die Fettsäuren potente Induktoren der Apoptose sind (Abb. 9 und 10).
Dieses Ergebnis, dass physiologische Fettsäuren, die mit Hilfe der endothelständigen Lipoproteinlipase aus den Lipoproteinen freigesetzt werden, den apoptotischen Zelltod induzieren, ist bahnbrechend. Damit wird deutlich, dass das Endothel durch physiologische Fettsäuren geschädigt werden kann und somit seine regulatorische Funktion als selektiv permeable Barriere verliert.
Für das arterielle Gefäßsystem würde das bedeuten, dass mit einem steigenden Lipidgehalt des Blutes vermehrt Fettsäuren von den Endothelzellen aufgenommen werden, wodurch die Apoptoserate erhöht wird. Dadurch können nun vermehrt partikuläre und zelluläre Bestandteile des Blutes wie LDL und Monozyten in den subendothelialen Raum eindringen und atherosklerotische Plaques bilden (Abb. 11).
Warum es mehr Herzinfarkte als Schlaganfälle gibt
Unsere Forschungen führten zu neuen Erkenntnissen über den Entstehungsmechanismus der Atherosklerose, aus denen sich neue therapeutische Strategien entwickeln lassen. Dieser Mechanismus kann zudem eine Antwort auf die viel diskutierte Frage geben, warum Hirninfarkt (Schlaganfall) und Myokardinfarkt mit unterschiedlicher Häufigkeit auftreten.
In den westlichen Industrieländern stellt der ischämische Hirninfarkt nach Krebs und den kardiovaskulären Erkrankungen die dritthäufigste Todesursache dar. Jedoch ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht klar, warum Hirninfarkte seltener sind als Herzinfarkte. Der von uns dargestellte Mechanismus der Fettsäure-induzierten endothelialen Apoptose könnte das vermehrte Vorkommen der kardiovaskulären Erkrankungen gegenüber Schlaganfällen erklären. Das Herz bezieht seine Energie zu 70% über den Metabolismus von Fettsäuren in den Herzmuskelzellen, während das Gehirn für seinen Energiestoffwechsel hauptsächlich Glucose verwendet. Demnach sind die Koronararterien ständig hohen Fettsäurekonzentrationen ausgesetzt. Diese Fettsäuren können die PP2C in den Endothelzellen aktivieren, welche über eine Dephosphorylierung von Bad deren Apoptose auslöst und so die Atherogenese mit dem eventuellen Gefäßverschluss initiiert [10].
Zudem kann die Fettsäure-induzierte Apoptose erklären, weshalb Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 vermehrt an Mikro- und Makroangiopathien leiden: Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der die Zellen aufgrund einer Insulinresistenz den Blutzucker nicht als Energielieferant nutzen können und deshalb versuchen, ihren Energiebedarf ersatzweise durch Fettsäuren zu decken, die in höherer Anzahl das Endothel passieren und den oben geschilderten Prozess der Atherogenese auslösen.
Weiterhin wird unsere Theorie unterstützt durch die Tatsache, dass Patienten mit genetisch bedingtem homozygotem Lipoproteinlipasemangel zwar enorm hohe Triglycerid-Blutwerte haben, aber trotzdem keine Symptome der koronaren Herzkrankheit aufweisen.
Fazit: PP2C hemmen
Die Hemmung der Fettsäure-vermittelten Aktivierung der PP2C könnte Grundlage für eine neue therapeutische Strategie in der Prävention der Atherosklerose und somit auch des Myokardinfarktes darstellen. Ein genereller Hemmstoff der PP2C kommt nicht in Frage, weil dieses Enzym in vielen Geweben des Körpers vorkommt. Dagegen wäre es ein relativ spezifischer Ansatz, die Fettsäure-induzierte Aktivierung der PP2C durch geeignete Hemmstoffe zu verhindern. Denkbar wäre auch eine spezifische Hemmung der Lipoproteinlipase.
Die Atherosklerose ist mit ihren Folgeerkrankungen Herzinfarkt und Schlaganfall die häufigste Todesursache in den Industrieländern. Ihre Pathogenese ist weitgehend bekannt. Doch die Gewichtung und Interpretation der pathogenetischen Faktoren ist sehr umstritten. Das Cholesterin steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der Diskussion. Nun bekommt es Konkurrenz durch die ungesättigten Fettsäuren. Eine Marburger Arbeitsgruppe um Professor Krieglstein zeigte in experimentellen Studien, dass ungesättigte Fettsäuren, die an der Arterienwand aus Lipoproteinen freigesetzt werden, die Phosphatase 2C aktivieren, die wiederum das proapoptotische Protein Bad aktiviert. Dies ist der Anfang der endothelialen Dysfunktion und der Atherogenese.
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