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Der Bundesrat hat das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) – anders als vielfach vermutet – nicht einfach durchgewinkt. Es ist aber nicht zu erwarten, dass damit die Belastungen der öffentlichen Apotheken noch einmal auf den Prüfstand kommen. Das AVWG ist nicht zustimmungspflichtig, der Bundestag kann also jedes Ergebnis des Vermittlungsausschusses, der jetzt angerufen werden soll, überstimmen. Der Widerstand aus dem Bundesrat kam im Wesentlichen aus Bundesländern, die vor Wahlen stehen, in denen zudem als kleiner Partner die FDP mitregiert. Man wird sehen, ob die Einwände des Bundesrates über die Wahltage hinaus Bestand haben, ob sie mehr als inszenierter Theaterdonner waren.

Der Bundesrat hat Bedenken vor allem bei drei Punkten. Erstens befürchtet er in Übereinstimmung mit Krankenkassen, dass die vorgesehene, massive Absenkung der Festbeträge in den Stufen 2 und 3 (also bei vergleichbaren Wirkstoffen und Arzneimitteln mit vergleichbarer Wirkung) dazu führen könnte, dass eine medizinisch notwendige Versorgung zum Festbetrag in vielen Fällen nicht mehr zu gewährleisten sei. In der Tat: Bei Festbetragsabsenkungen um bis zu 65% (z. B. durch Jumbogruppen bei Antidepressiva) ist zu befürchten, dass bei neueren Antidepressiva oder Zytostatika massive Aufzahlungen oder aber der Verzicht auf eine moderne Therapie notwendig werden.

Zweitens lehnt der Bundesrat die vorgesehene Bonus-Malus-Regelung – wie die Ärzteschaft – ab. Der Verwaltungsaufwand sei unverhältnismäßig. Zudem seien die früher eingeführten Steuerungsinstrumente (Arzneimittelvereinbarungen, Richtgrößen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen) noch nicht einmal voll etabliert.

Man solle, so der federführende Bundesratsgesundheitsausschuss, vor einer zusätzlichen Belastung der Vertragsärzte zunächst einmal die finanziellen Wirkungen der AVWG-Regelungen abwarten, die auf die Pharmaindustrie und die Apotheken zielen.

Bemerkenswert ist, dass der Bundesratsausschuss sich auch dafür eingesetzt hat, Naturalrabatte für Krankenhausapotheken weiter zu erlauben. Er verkennt dabei offensichtlich völlig die Verwerfungen und Ungereimtheiten, die schon jetzt aus der Privilegierung der Krankenhaus- und krankenhausversorgenden Apotheken resultieren. Ihnen müsste – wegen ihrer Öffnung in den ambulanten Sektor hinein – eigentlich auferlegt werden, dass sie sich an die gleichen Spielregeln halten, die für öffentliche Apotheken gelten. Bei den Einkaufskonditionen müssten auch sie den Begrenzungen unterworfen werden, die sich für öffentliche Apotheken durch die Preisregelungen der Arzneimittelpreisverordnung ergeben.

Durch das AVWG werden den öffentlichen Apotheken erneut 1 bis 2 Prozentpunkte ihrer Umsatzrendite (also um die 20 Prozent des Ertrages) entzogen – so auch das Ergebnis der Experten, die auf der Interpharm dafür den Bleistift gespitzt haben. Das ist bitter – für unsere nicht gerade erfolgsverwöhnte Berufsvertretung, insbesondere aber für die betroffenen Apotheker. Für die beklagten insgesamt 3,3 Milliarden, die die gesetzlichen Krankenkassen 2005 mehr als im Vorjahr ausgegeben haben, sind die Apotheken wahrlich weder verantwortlich noch haben sie davon profitiert. Das gilt z. B. für die gesetzlich versprochene Senkung des Herstellerabschlages von 16% auf 6%, der den Krankenkassen Mehrausgaben von 900 Millionen bescherte. Es gilt auch für die Mehrausgaben, die auf die Strukturkomponente (verstärkte Verordnung neuartiger, teuerer Arzneimittel) zurückzuführen ist (1,5 Milliarden). Wahr ist, dass den Apotheken durch die Absenkung des Apothekenrabattes (statt 2 Euro 1,85, begrenzt auf das zweite Halbjahr 2005) insgesamt 34 Millionen mehr verblieben. Allerdings hätten die Apotheken nach Recht und Gesetz eigentlich Anspruch auf einen Ausgleich in Höhe von 390 Millionen gehabt – auch dort profitierten die Apotheken also nicht.

Das Entgegenkommen der Apotheker war möglicherweise politisch unvermeidbar. Dass es uns beim AVWG so wenig genutzt hat, ist freilich ärgerlich. Wir werden von der Politik erneut bevorzugt rasiert. Trotz einiger Dementis drängt sich der Verdacht auf, dass erhebliche politische Kräfte die Apothekenlandschaft ausdünnen wollen – sei es nach der Empfehlung des Apothekers und Schmidt-Beraters Gerd Glaeske um 6000 oder (wie der Vorsitzende des Sachverständigenrates Professor Wille kürzlich in der Rheinischen Post empfohlen hat) sogar um 10.000 Apotheken. Sind wir zu brav? Fällt Ihnen dazu mehr ein als ein entschiedenes Vielleicht?

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Lesen Sie in dieser Ausgabe den ersten Teil unseres Berichtes über die Interpharm in Frankfurt. Die große Resonanz hat gezeigt: Auch bei heftigem politischem Gegenwind lassen sich Apotheker nicht von ihrer Bereitschaft abbringen, sich fachlich fortzubilden und neuen Herausforderungen zu stellen. Das ist gut so. Wir würden sonst jenen, die unseren professionellen Beitrag für ein funktionierendes Gesundheitswesen immer noch unterschätzen, nur argumentatives Kanonenfutter liefern.

Klaus G. Brauer

Zu brav?

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