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Apotheker können Ärzten bei Bonus-Malus-Regelung helfen (DAZ-Interview)
Der ABDA-Vorschlag sieht folgendes vor: Die Apotheker sollen bei wirkstoffgleichen Arzneimitteln der Festbetragsstufe I die Verantwortung für die Auswahl eines preisgünstigen Arzneimittels tragen. Konkret könnte dies so geschehen, dass der Deutsche Apothekerverband und die Spitzenverbände der Krankenkassen für die zehn oder 20 verordnungsstärksten Wirkstoffe der Festbetragsstufe I einen bundeseinheitlichen Zielpreis vereinbaren. Überschreitet die einzelne Apotheke diesen Zielpreis im Durchschnitt, so haftet sie für die Differenz. Bei einer Unterschreitung wäre – wie bei den Ärzten – auch ein Bonus denkbar. In einem solchen Modell würde der Arzt nur noch für die medizinische Notwendigkeit und die Menge seiner Verordnung verantwortlich sein, nicht aber für den Preis.
Wir fragten den CDU-Abgeordneten Dr. Wolf Bauer, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages und selbst Apotheker, was er von diesem Vorschlag hält und welche Chancen er ihm einräumt.
DAZ:
Herr Bauer, die ABDA sowie einige Landesverbände der Apotheker werben derzeit für eine neue Aut-idem-Regelung, bei der Apotheken stärker in die wirtschaftliche Verantwortung einbezogen werden. Was halten sie von dem Vorschlag?
Bauer:
Die Apotheker versuchen den Ärzten bei der Bewältigung des Bonus-Malus zu helfen, indem sie die Verantwortung für die preisgerechte Auswahl des Präparates übernehmen. Das finde ich gut. Ich glaube auch, dass Ärzte die Vorteile eines solchen Modells für sich erkennen werden. Auf keinen Fall will jemand ihre Therapiefreiheit einschränken. Ebenso wenig die Menge der verordneten Arzneimittel. Es geht ja nur darum, bei der Festbetragsstufe I – also bei identischen Wirkstoffen – zu sagen, wir garantieren einen bestimmten Preis, der unter der Festbetragsgrenze liegt. Dafür wird die Verantwortung übernommen, wenn ein gewisser Spielraum im Hinblick auf aut idem besteht. Für mich ist der Vorschlag auch deshalb interessant, weil ich für mich selbst einige Gedanken – ganz privater Natur – zu dem Thema angestellt habe und dabei zu einer ähnlichen Strategie gekommen bin. Allerdings würde ich noch weiter gehen und noch mehr Liberalisierung mit hineinbringen.
DAZ:
Können Sie das genauer erläutern?
Bauer:
Als Grundsatz gilt: Wenn aut idem möglich ist, erstattet die Krankenkasse nur noch den Preis für das preisgünstigste Arzneimittel. Der Apotheker kann abgeben, was er für richtig hält, wobei ihm allerdings alle Einkaufsmöglichkeiten, die der Markt bietet, zur Verfügung gestellt werden. Sprich: keine Einschränkungen sowohl bei Bar- als auch bei Naturalrabatten. Das kann sich der Apotheker zu Nutzen machen und dadurch den Einkaufspreis für sich praktisch noch weiter absenken, weil er ja letztendlich noch weitere Einkaufsvorteile hat. Für mich hat das den Reiz, dass der Apotheker das Präparat abgeben kann, das er für sinnvoll hält und dem Patienten zugleich garantieren kann: Bei mir bekommst du ein ganz bestimmtes Präparat, wenn du es haben möchtest. Denn der Apotheker ist ja nicht eingeschränkt, bekommt allerdings nur einen bestimmten Preis von der Krankenkasse erstattet. Und wenn das Präparat dann wirklich teurer ist, ist er dafür verantwortlich und muss das über seine Einkaufsmöglichkeiten ausgleichen.
DAZ:
Kommt dabei nicht der pharmazeutische Sachverstand des Apothekers zu kurz?
Bauer:
Nein, das sehe ich nicht. Denn der Apotheker hat ja gerade die Möglichkeit, sein Fachwissen einzubringen: Dadurch, dass er gute Präparate einkauft und seine Patienten mit den Arzneimitteln bedient, die er für richtig hält. Aber wie gesagt: Immer nur in der Festbetragsstufe I – und die Therapiefreiheit des Arztes muss auf jeden Fall gewahrt bleiben.
DAZ:
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass der Apotheker zwangsläufig zum billigsten Präparat greifen muss?
Bauer:
Nein, das wird sowieso nicht der Fall sein. Wir müssen ja auch dafür sorgen, dass die Versorgungssicherheit gegeben ist. Und diese wäre gefährdet, wenn ich immer nur auf das allerbilligste Präparat zurückgreife. Ich muss einen Level suchen, der garantiert, dass eine bestimmte Anzahl von Präparaten verfügbar ist, ähnlich der Regelung, die wir im AVWG bei der Festbetragsabsenkung getroffen haben.
DAZ:
Sie befürchten also auch nicht, dass qualitativ hochwertige Generika ins Abseits geraten?
Bauer:
Im Gegenteil – sie haben eine größere Chance als bisher. Der Apotheker ist frei, er ist ja nun der Fachmann für Arzneimittel. Er kann auf den Kunden eingehen und individuell überlegen, welches Präparat für welchen Kunden geeignet ist, selbst bei Festbetragsgruppe I. Darin liegt eine Chance. Klar ist: Es muss ordentlich und sauber gearbeitet werden – aber davon gehe ich aus.
DAZ:
Wagen Sie eine Prognose, wie die Hersteller darauf reagieren würden?
Bauer:
Das weiß ich nicht. Die Idee ist eine ganz junge Geburt, keine ausgearbeitete Überlegung und auch nicht durchgerechnet. Man müsste natürlich auch aufpassen, dass es nicht zu Dumping-Preisen kommt – auch wenn sich das letztlich in keinem Bereich ganz vermeiden lässt.
DAZ:
Könnte mit diesem Modell nicht erneut die Neiddiskussion um Naturalrabatte entfacht werden?
Bauer:
Nein, denn es hat ja gerade den Charme, dass die Naturalrabatte im Sinne der Krankenkassen und Patienten weitergegeben werden. Der Apotheker wird sie nicht behalten, da er mit dem Preis runtergehen muss.
DAZ:
Wie ernst gemeint ist ihr Vorschlag wirklich? Haben Sie schon einmal mit jemandem aus ihrer Fraktion darüber gesprochen?
Bauer:
Nein, das habe ich noch nicht. Die Überlegungen sind ganz privater Natur. Unsere Fraktion ist jetzt mit anderen Dingen beschäftigt, der großen Gesundheitsreform.
DAZ:
Wird die große Reform noch einmal den Arzneimittelbereich angehen? Sehen Sie für ihr Modell oder den ABDA-Vorschlag zum Generikamanagement eine Chance?
Bauer:
An weiteren Reformen im Arzneimittelbereich führt kein Weg vorbei. Arzneimittel sind einer der drei großen Ausgabenblöcke neben den Krankenhäusern und der ärztlichen Vergütung. Dass man sich überlegt, wie man bei diesen drei Blöcken noch zu Einsparungen kommen kann, halte ich für selbstverständlich. Falls die Politik mal auf die Idee kommen sollte, meinen Vorschlag aufzugreifen, müsste man sich noch ein paar mehr Gedanken dazu machen. Zunächst wird vielleicht das ABDA-Modell kommen. Soweit ich die Reaktionen hierauf gehört habe, ist die Resonanz durchaus positiv. Man wird sicherlich noch Überzeugungsarbeit leisten und die Vorteile weiter ausarbeiten müssen. Aber ich gehe davon aus, dass man sich mit dieser Thematik weiter beschäftigen wird. Es soll jetzt durchgerechnet werden, wie das Modell in der Praxis umgesetzt werden kann. Und wenn das akzeptiert wird, kann man ja später einen zweiten Schritt dranhängen. Wir müssen doch einmal von den alten, eingefahrenen Wegen wegkommen. Wir können nicht sagen, das haben wir seit 50 oder 100 Jahren so gemacht, sondern überlegen, was man anders machen kann. Das reizvolle an Ideen, die man entwickelt, ist ja auch, dass nicht alles umsetzbar sein muss.
DAZ:
Was erwarten sie von der großen Gesundheitsreform für die Apotheker?
Bauer:
Dazu kann ich nichts sagen. Aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass alle Segmente der Gesundheitsversorgung auf den Prüfstand gestellt werden. Das ist ganz normal. Aber was dann am Ende dabei rauskommt weiß ich nicht.
DAZ:
Was halten Sie von dem bisherigen Vorgehen bei den Reformverhandlungen?
Bauer:
Ich finde es gut, dass man sich überlegt hat, zunächst ein bestimmtes Arbeitsgerüst zu schaffen. Wir haben das ja sehr häufig in den Diskussionen erlebt, dass jede Organisation, jede Institution den Arzneimittelumsatz des vergangenen Jahres anders ansetzt. Ich halte es daher für sinnvoll und richtig, dass man sich erst einmal auf bestimmte Werte einigt und Arbeitsgrundlagen schafft. Es diskutiert sich leichter, wenn man nicht jedes Mal überlegen muss, wo eine Angabe herkommt und welche nun richtig ist.
DAZ:
Herr Bauer, wir danken Ihnen für das Gespräch
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