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DAZ aktuell
Off-label use: Totschweigen ändert nichts an der Brisanz
Die Gründe für den ungeprüften Gebrauch von Arzneimitteln sind vielfältig:
- Meist wird ein neues Arzneimittel bei der Erstzulassung nur an einer eng umschriebenen Patientengruppe geprüft. So entspricht der in der Zulassung festgelegte bestimmungsgemäße Gebrauch eines Arzneimittels häufig nicht der Versorgungswirklichkeit.
- Arzneimittel, die in ersten wissenschaftlichen Untersuchungen positive Ergebnisse gezeigt haben, sollten zeitnah angewendet werden können, die Planung und Durchführung der für die Zulassung nötigen Studien erfordert jedoch viel Zeit. Hier kann die neue "compassionate use"-Regelung im AMG möglicherweise Abhilfe schaffen.
- Es bestehen grundsätzlich nicht genügend Anreize, Studien an denjenigen Patientengruppen durchzuführen, die nur einen begrenzten Marktumsatz erwarten lassen. Schon aus Kostengründen dürfte eine Untersuchung sämtlicher Teilpopulationen auf die Dauer ohnehin unmöglich sein.
Die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikationen ist mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. Die finanzielle Absicherung der Folgen arzneimittelbedingter Schäden nach dem AMG (§ 84) greift nur im Falle des "bestimmungsgemäßen Gebrauchs" beziehungsweise bei einem von dem Pharmaunternehmen eventuell "geduldeten" off-label use. Erfolgt der Einsatz des Arzneimittels anderweitig, so geht die haftungsrechtliche Verpflichtung unter Umständen auf den behandelnden Arzt über. Der Patient müsste, wenn er außerhalb einer zugelassenen Indikation behandelt werden soll, über diesen Sachverhalt aufgeklärt werden. Inwieweit dies allerdings in der Praxis regelmäßig geschieht, ist nicht bekannt.
Erstattungsfähigkeit gefährdet
Da eine Prüfung dieser Arzneimittel beziehungsweise ihres Gebrauchs bezüglich Wirksamkeit, Qualität und Risiken nach dem AMG nicht stattgefunden hat, sind im Übrigen auch der Nutzen, die Wirtschaftlichkeit und die Sicherheit einer derartigen medikamentösen Therapie nicht nachgewiesen, das heißt, ihre Erstattungsfähigkeit ist gefährdet.
Richtungsweisend war in diesem Zusammenhang ein Urteil des Bundessozialgerichtes vom März 2002 (Az.: B 1 KR 37/00), mit dem die Notwendigkeit eines eingeschränkten Off-label-Gebrauchs unter engen Voraussetzungen anerkannt wurde. Noch im selben Jahr setzte das Bundesministerium für Gesundheit eine Expertengruppe "off-label" ein mit der Aufgabe, festzustellen, in welchen Fällen für die Behandlung schwerer Krankheiten Arzneimittel auch außerhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt werden können. Auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse der Expertengruppe soll der offlabel use im Rahmen der GKV finanziert, gefördert und eine entsprechende Zulassung unterstützt werden. In der Zwischenzeit sind neben der gesonderten Arbeitsgruppe "Kinderheilkunde" drei neue Expertengremien für die Bereiche Onkologie, Infektiologie (HIV/Aids) und Neurologie/Psychiatrie) benannt worden.
Werden Patienten gefährdet?
Wichtig ist auch die Frage, in welchem Ausmaß der off-label use möglicherweise zu einer Gefährdung der Patienten durch vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen führt. Hierzu gibt es bislang nur vereinzelte Untersuchungen ohne systematische Ergebnisse.
Der Bereich off-label use ist einer der Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls "Drug Regularory Affairs" an der Universität Bonn, dessen Inhaber Prof. Dr. Harald Schweim sich dieser Problematik im nationalen und internationalen Rahmen bereits seit längerem angenommen hat.
Unter off-label use versteht man die Nutzung von Arzneimitteln außerhalb des in der Zulassung beantragten und von den Zulassungsbehörden geprüften und genehmigten Gebrauchs.
Unter unlicensed use versteht man die Anwendung von Arzneimitteln ohne Zulassung.
Compassionate use beschreibt den von den Behörden gebilligten Einsatz eines Arzneimittels außerhalb bzw. vor seiner Zulassung unter Erwägung humanitärer Gründe.
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