Arzneimittel und Therapie

Meinung: Nebenwirkungen und Osteonekrosen unter Bisphosphonaten

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft hat im letzten Jahr auf psychiatrische Nebenwirkungen von Alendronsäure aufmerksam gemacht, zuvor war über Osteonekrosen des Kiefers nach intravenöser Behandlung mit Bisphosphonaten berichtet worden. Wir haben Prof. Dr. Helmut W. Minne, Bad Pyrmont, um eine Bewertung der Nebenwirkungen gebeten.

DAZ:

Herr Professor Minne, unter Bisphosphonaten können psychiatrische Nebenwirkungen wie Verwirrtheit und Halluzinationen auftreten, das lässt sich den Fachinformationen mehrerer Bisphosphonate wie Zoledronsäure, Etidronsäure, Ibandronsäure und Pamidronsäure entnehmen. Bei Alendronsäure fehlte bislang ein solcher Hinweis. Im Dezember letzten Jahres berichtete die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft darüber. Wie groß ist das Risiko für psychiatrische Nebenwirkungen unter Bisphosphonaten?

Minne:

Psychiatrische Nebenwirkungen unter Bisphosphonat-Behandlung sind mir bis heute nicht begegnet. Angesichts der vielen Millionen Patienten, die in den vergangenen Jahren mit Bisphosphonaten jedweder Provenienz behandelt wurden, würde ich erwarten, dass Mitteilungen über psychiatrische Nebenwirkungen inzwischen in die Öffentlichkeit geraten wären, wenn sie in relevantem Ausmaß aufgetreten wären.

DAZ:

Das Problem Osteonekrose des Kiefers wurde vor allem nach intravenöser Bisphosphonat-Therapie beobachtet. Wie bewerten Sie hier die Situation?

Wie häufig ist diese Nebenwirkung, wer ist besonders gefährdet?

Minne:

Im Hinblick auf die Osteonekrosen des Kiefers unter Bisphosphonat-Therapie bei Patienten mit Osteoporose ist wieder relative Ruhe eingekehrt, nachdem initial mit großer Besorgnis über derartige Ereignisse berichtet worden war. Es hat sich gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der von Kiefernekrosen betroffenen Patienten solche waren, bei denen hoch dosiert bei Malignomanamnese überwiegend intravenöse Bisphosphonate zum Einsatz gekommen waren, darüber hinausgehend waren Nekrosen bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten im Zusammenhang mit operativen Eingriffen im Bereich des Kiefers aufgetreten (Zahnextraktionen, Wurzelspitzenbehandlungen und ähnliches).

Patienten, die unter üblicher oraler Bisphosphonat-Therapie bei Osteoporose derartige Ereignisse erlebten, sind die absolute Seltenheit. Beispielsweise wurden durch ein deutschlandweites Register, das von Prof. Dr. Felsenberg in Berlin initiiert wurde, insgesamt über 300 Fälle von Kiefernekrosen gesammelt, von denen lediglich drei möglicherweise nach oraler Bisphosphonat-Gabe aufgetreten sind. Dabei ist aber noch unklar, ob diese drei Fälle nicht doch auch früher schon einmal eine intravenöse Bisphosphonat-Therapie erhalten haben. Problematisch ist, dass die Diagnose einer Nekrose im Bereich des Kiefers als eindeutig beschreibbare Entität bisher nicht wahrgenommen wurde. Unter diesem Begriff ist offensichtlich in der Vergangenheit eine Vielzahl von Veränderungen subsummiert worden, die nur zum Teil als "echte Knochennekrose" angesprochen werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig überzogen, wenn vereinzelt aus den Kreisen der organisierten Zahnärzteschaft die Forderung erhoben wird, dass bei allen Patienten, bei denen wegen einer Osteoporose eine Bisphosphonat-Therapie geplant ist, eine eingehende zahnärztliche Voruntersuchung erfolgen müsse, die gleichzeitig die Sanierung aller fragwürdigen Prozesse im Bereich der Zähne einschließen müsse. Hier sind möglicherweise auch wirtschaftliche Überlegungen zum Berater geworden.

DAZ:

Herr Professor Minne, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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