Kongress

S. WasielewskiWo Apotheker und Hautärzte zusammentr

Die 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) fand am 4. und 5. April 2006 in Münster statt. Die rund 200 Teilnehmer, unter denen Apotheker und Hautärzte etwa gleich stark vertreten waren, informierten sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie über aktuelle Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten an der Schnittstelle zwischen Dermatologie und Pharmazie.

Die häufigste Hauterkrankung überhaupt ist die Pilzerkrankung des Fußes, erklärte Prof. Dr. Hans Christian Korting, München. Etwa 10% der Erwachsenen leiden an einer isolierten Pilzerkrankung der freien Fußhaut, meist im Bereich der Zehenzwischenräume, weitere 10% an einer isolierten Nagelpilzerkrankung (Onychomykose) und noch einmal 10% an einer gemischten Pilzinfektion von Haut und Nagel. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit zunehmendem Lebensalter.

Mykosen unbedingt behandeln

Pilzerkrankungen des Fußes müssen aus mehreren Gründen behandelt werden: Sie sind ansteckend, beeinträchtigen die Lebensqualität des Patienten, heilen nicht spontan aus und können als schwere Folgeerkrankung (durch eine Superinfektion mit Streptokokken) ein Erysipel (Wundrose) nach sich ziehen.

Von Selbstmedikation abraten?

Die Onychomykose bietet die Chance für eine Kooperation zwischen Apotheker und Hautarzt, behauptete Professor Isaak Effendy, Bielefeld. Viele topische Antimykotika sind infolge des GKV-Modernisierungsgesetzes nicht mehr erstattungsfähig. Sie werden deshalb überwiegend im Rahmen der Selbstmedikation erworben. Nach Ansicht von Effendy sollte der Apotheker dem Kunden mit einer Onychomykose dennoch einen Besuch beim Dermatologen zur Diagnosesicherung und Therapieoptimierung empfehlen, denn:

  • Nicht jede Nagelveränderung ist ein Nagelpilz. Der Erreger muss deshalb mittels Pilzkultur nachgewiesen werden.
  • Je nach Befallsmuster und Befallsgrad erfolgt die antimykotische Behandlung topisch, oral oder kombiniert.

Nur topisch oder auch oral behandeln?

Eine Nagelpilzerkrankung erfordert eine längere Behandlung als eine Pilzerkrankung der freien Haut. Ist die Nagelmatrix (die Wachstumszone des Nagels) nicht befallen, genügt meist die topische Behandlung, idealerweise mit einem Nagellack. Hierfür stehen Amorolfin (Locery® Nagellack) und Ciclopirox (Nagel Batrafen) zur Verfügung.

Sobald die Nagelmatrix befallen ist, sollte der Arzt ein orales Antimykotikum verordnen. Die beste Studienlage weist Terbinafin auf. Für Fluconazol gibt es noch keine Langzeitstudie. Wenn der Patient zusätzlich zu dem oralen Präparat ein Topikum nimmt, steigert dies nach Meinung von Effendy die Heilungsrate. Ist die Behandlung einer Nagelmykose einmal erfolgreich, bleibt das Übel meist dauerhaft verschwunden.

Besonderheiten bei Hauterkrankungen im Alter

Der Anteil alter und sehr alter Menschen an der Bevölkerung wächst. In 30 Jahren wird mindestens jeder dritte Einwohner in Deutschland über 60 Jahre alt sein. Das hat auch Konsequenzen für das Spektrum der Hautkrankheiten, schätzte Prof. Thomas Diepgen, Heidelberg: Sie werden zunehmen und häufiger zu behandeln sein (s. Kasten).

Hauterkrankungen bei Senioren beruhen auf:

  • strukturellen oder funktionellen Veränderungen der Altershaut,
  • kumulativer Exposition gegenüber schädlichen Umweltfaktoren, wie UV-Strahlung,
  • Alterungsprozessen und Alterserkrankungen in anderen Organsystemen.

Physische Probleme, psychische Einschränkungen (Demenz und Senilität) und soziale Umstände, wie schlechte Ernährung und Versorgung, beeinträchtigen die Hygiene und die Behandlung von Hauterkrankungen bei alten Menschen.

Viele Dermatosen nicht erkannt

In einem geriatrischen Krankenhauses ergab eine Stichprobe von 238 Patienten im Alter von 68 bis 100 (im Mittel 83) Jahren, dass etwa jeder zweite Patient (52%) eine behandlungsbedürftige Dermatose aufwies, darunter Ulzera (14%), Ekzeme (11%), Mykosen (9%), Präkanzerosen (12%) und Hauttumoren (6%). Nur bei 14% der Patienten waren diese Erkrankungen in der Krankenakte vermerkt. Auch die Hautpflege wurde bei mehr als der Hälfte der Patienten als unzureichend bewertet.

Pharmakogenetik hilft Nebenwirkungen erklären

"Pharmakogenetik" wurde vor fast 50 Jahren von dem Humangenetiker Friedrich Vogel als "erbliche Varianten in der Reaktion auf Arzneimittel und sonstige von außen zugeführte Stoffe" definiert. Pharmakogenetische Aspekte spielen bei der Aufklärung unerwünschter Arzneimittelwirkungen bereits eine wichtige Rolle, sind aber bei der Verordnung selbst noch nicht relevant, erklärte Professor Hans F. Merk, Aachen.

Kommt ein von der Norm abweichender Phänotyp bei mehr als 1% der Bevölkerung vor, bezeichnet man das betreffende Merkmal als Polymorphismus. Dabei handelt es sich oft um die unterschiedliche Konzentration oder Aktivität eines Enzyms oder Transportermoleküls. Beispiele aus der Dermatologie sind:

  • Bei Patienten mit geringer Aktivität der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase wirkt das zur Behandlung eines Kolonkarzinoms systemisch eingesetzte Fluorouracil toxischer. In einem Fall topischer Anwendung bei aktinischer Keratose kam es wegen derselben Enzymdefizienz zu einer Sepsis durch toxische Agranulozytose.
  • Das Immunsuppressivum Azathioprin kann bei Menschen mit einem Mangel an Thiopurin-S-Methyl-Transferase zu toxischen Reaktionen, wie Neutropenie, führen.
  • Menschen mit einer herabgesetzten Aktivität der N-Acetyltransferase 2 leiden aufgrund der langsamen Acetylierung von Isoniazid vermehrt unter Nebenwirkungen an der Haut, wie Akne.
  • Bei den o. g. langsamen Acetylierern führt die Gabe von Sulfamethoxazol häufiger zu Allergien, weil sich beim Abbau ein Nitroso-Derivat bildet.

Gefahr durch hydrophile Emulsionen?

Öl-in-Wasser-Emulsionen enthalten hochpotente Tenside als Emulgatoren. Auf die Haut aufgebracht, bricht praktisch jede Emulsion nach wenigen Minuten, erklärte Prof. Wolfgang Gehring, Karlsruhe. Auf der Haut bleiben Tenside zurück, die mit dem Körperschweiß und nach Wasserkontakt eine Waschlösung bilden, die die Haut weiter austrocknet.

Dass offizinelle hydrophile Emulsionen tatsächlich die Barrierefunktion der Haut stören, ergab folgende Untersuchung: Vier verschiedene hydrophile Grundlagen (u. a. Nichtionische hydrophile Creme DAB) und eine amphiphile Grundlage (Basiscreme DAC) wurden an 29 gesunden Probanden sieben Tage lang wiederholt angewendet. Im Vergleich zur unbehandelten Haut sank bei ihnen die Hornschichtfeuchtigkeit und stieg der transepidermale Wasserverlust. Wurde die Haut zusätzlich mit einem Tensid (Natrium-Laurylsulfat) gewaschen, verstärkte sich die barriereschädigende Wirkung noch.

Bei Patienten mit atopischer Dermatitis (Neurodermitis) ist die Barrierefunktion der Epidermis herabgesetzt. Da hydrophile Emulsionen die Barriere weiter schädigen, sind sie als problematisch anzusehen. Das bedeutet nicht, dass Neurodermitiker nur lipophile Emulsionen anwenden dürfen. Denn den hydrophilen Emulsionen können Glycerin und Harnstoff zugesetzt werden, wodurch sie so hautfreundlich werden wie die lipophilen Emulsionen.

Wie gelangt der Wirkstoff in die Haut?

"Die Resorption von Pharmaka über die Haut ist meist ausgesprochen schlecht", behauptete Professorin Monika Schäfer-Korting, Berlin.

Damit Substanzen – Arzneistoffe oder kosmetische Wirkstoffe – optimal in den Wirkort Haut eindringen können, greifen Pharmazeuten tief in die Trickkiste: Sie verwenden Penetrationsförderer und neue Vehikelsysteme und entwickeln Prodrugs, also inaktive Derivate der Wirkstoffe, die besser in die Haut eindringen und danach am Wirkort zur Wirksubstanz metabolisiert werden.

Trägersysteme mit kleinsten Teilchen

Für den Transport kosmetischer Wirkstoffe bieten sich nanopartikuläre Vehikelsysteme, wie Mikro- und Nanoemulsionen, feste Lipid-Nanopartikel und Liposomen an, demonstrierte Prof. Dr. Rolf Daniels, Tübingen. Diese Trägersysteme gibt es jedoch nicht von der Stange. Sie müssen für den jeweiligen Wirkstoff maßgeschneidert werden.

Lipid-Nanopartikel kommen beispielsweise für Vitamin E, Retinol und Coenzym Q10 in Frage, weil sie die Stabilität chemisch labiler Wirkstoffe verbessern. Sie ermöglichen eine kontrollierte Wirkstofffreisetzung. Einen Zusatznutzen erzielen sie durch einen Pigmenteffekt, eine gesteigerte Hydratation und einen Schutz durch Filmbildung.

Ob nanopartikuläre Vehikelsysteme die Penetration verbessern und eine ausreichend Lagerstabilität aufweisen, muss im Einzelfall nachgewiesen werden.

Prodrugs für die Hautbehandlung

Prodrugs zur dermalen Therapie sollten idealerweise in der Haut vollständig in die Wirksubstanz umgewandelt werden, forderte Prof. Monika Schäfer-Korting. Die Aktivierung sollte weder vorher (im Applikationssystem) noch nachher (im Körper außerhalb der Haut) stattfinden. Ziel ist eine möglichst hohe Penetration in die Haut bei geringer transdermaler Resorption.

So konnte die Konzentration des topischen Antipsoriatikums Calcipotriol in der Haut erhöht werden, indem es mit Linolsäure oder Linolensäure verestert wurde. Auch für das bei aktinischer Keratose eingesetzte Fluorouracil wurden durch Molekülvariationen Prodrugs gefunden, die eine erhöhte Aktivität des Topikums bewirken.

Eine weitere Möglichkeit stellen Duplex-Präparate dar, beispielsweise eine Verbindung aus je einem Molekül Salicylsäure und Azelainsäure, das bei Akne angewandet werden könnte (in Deutschland nicht zugelassen).

Am Antiandrogen RU 58841 demonstrierte Schäfer-Korting, wie die Veresterung des Wirkstoffs mit einer Fettsäure (Myristinsäure) die Lipidlöslichkeit erhöht und so die Beladung eines Trägersystems (hier: feste Lipid-Nanopartikel) ermöglicht. In Hautzellen wird der Ester hydrolysiert und die Wirksubstanz freigesetzt.

Penetrationsstudien an Schweinehaut und Kunsthaut scheiterten allerdings daran, dass der Ester aus der Haut nicht extrahierbar war.

Bei topisch applizierten Prodrugs ist ein Trägersystem zu wählen, das die Aktivierung des Prodrugs nicht vorwegnimmt, die Aktivierung in der Haut aber auch nicht verhindert.

Themen der 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie waren unter anderem: die Behandlung von Fuß- und Nagelpilzerkrankungen, Besonderheiten von Hauterkrankungen im Alter, hautpflegende Emulsionen, Drug Targeting durch die oberen Hautschichten zum Wirkort. Pharmazeutische Chemiker, Technologen und Pharmakologen optimieren hier gemeinsam die Therapie.

Häufige Hauterkrankungen im Alter

  • Ekzeme
  • Altersekzem, Stauungsekzem, Kontaktekzem
  • Ulzera
  • Chronisch-venöse Insuffizienz, arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus
  • Hautkrebs und Vorstufen (Präkanzerosen)
  • Basaliome, Plattenepithelkarzinom, Lentigo-maligna-Melanom, Morbus Bowen, aktinische Keratosen
  • Infektionen
  • Skabies, Herpes zoster, Mykosen

Literatur

Mehr als 4 Millionen Deutsche leiden an problematischen, schlecht heilenden Wunden. Deren Behandlung wirft häufig Fragen auf: trocken oder idealfeucht? Mit Kompressen oder Silberverband? Die letzten Jahre haben die Grundsätze der Wundversorgung revolutioniert. Die vielen Präparate mit ihren speziellen Indikationen sind kaum noch überschaubar. Profitieren Sie von der immensen Erfahrung der Autorinnen:

  • Anwendungsmöglichkeiten von Wundauflagen und Externa,
  • Wundbeobachtung und Verbandwechsel,
  • konkrete Maßnahmen bei den verschiedenen Wundarten.

Ein wahrer "Leitfaden" für Ärzte und Apotheker, denen ein einheitliches und rationales Vorgehen bei der Versorgung ihrer Patienten am Herzen liegt. Wiltrud Probst und Anette Vasel-Biergans Wundmanagement Ein illustrierter Leitfaden für Ärzte und Apotheker 404 S., 138 farb. Abb., 104 s/w Tab., geb. 94 Euro. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2004 ISBN 3-8047-2036-6

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.