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- DAZ 16/2006
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Arzneimittel und Therapie
Metaanalyse: ASS-Primärprävention schützt Frauen anders
Im vergangenen Jahr wurde eine Analyse der Women's Health Study veröffentlicht. Sie ergab, dass eine kardiovaskuläre Primärprävention mit Acetylsalicylsäure (ASS) Frauen nur vor Schlaganfällen, aber nicht vor Herzinfarkten schützt. Dagegen verringerte niedrig dosierte ASS in Studien, die überwiegend oder ausschließlich Männer erfassten, das Risiko eines ersten Herzinfarktes, ohne das Risiko eines Schlaganfalls zu beeinflussen. Jetzt wurden die Wirkungen einer ASS-Gabe zur kardiovaskulären Primärprävention in einer Metaanalyse für Frauen und Männer getrennt untersucht.
Mehr als 50.000 Frauen und 40.000 Männer
Mit einer Medline- und Cochrane-Datenbankrecherche über den Zeitraum 1966 bis März 2005 wurde nach randomisierten, prospektiven, kontrollierten Studien gesucht, deren Teilnehmer ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen waren und zur kardiovaskulären Primärprävention einer ASS- und einer Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Die Studien mussten Angaben zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und kardiovaskulär bedingten Todesfällen enthalten.
Sechs Studien mit 95.456 Teilnehmern – 44.114 Männern und 51.342 Frauen – erfüllten die Bedingungen der Metaanalyse. Drei Studien hatten nur männliche Teilnehmer, eine nur weibliche, zwei erfassten Männer und Frauen. Drei Studien erfassten Personen mit kardiovaskulären Risikofaktoren, die drei übrigen vermutlich gesundes medizinisches Personal. Vier Studien waren placebokontrolliert und doppelblind. In zwei Studien wurde Acetylsalicylsäure offen mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Teilnehmer wurden durchschnittlich 6,4 Jahre lang beobachtet.
Ergebnisse bei Frauen
Bei den Frauen traten 1285 schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (kardiovaskuläre Todesfälle, nicht-tödliche Schlaganfälle, nicht-tödliche Herzinfarkte) auf. Im Einzelnen waren es 625 Schlaganfälle, 469 Herzinfarkte und 364 kardiovaskulär bedingte Todesfälle. Mit Acetylsalicylsäure gab es 12% weniger kardiovaskuläre Vorfälle als ohne ASS. Schlaganfälle waren mit der ASS-Einnahme um 17% reduziert, ischämische Schlaganfälle sogar um 24%. Bei den hämorrhagischen Schlaganfällen wurde kein signifikanter Effekt beobachtet (+ 7%). Auch Herzinfarkte, kardiovaskuläre Sterblichkeit und Gesamtsterblichkeit wurden nicht signifikant beeinflusst.
Ergebnisse bei Männern
Bei den Männern traten mit 2047 kardiovaskulären Vorfällen mehr Ereignisse auf als bei den Frauen. Im Einzelnen wurden 597 Schlaganfälle, 1023 Herzinfarkte und 776 kardiovaskuläre Todesfälle bei männlichen Teilnehmern verzeichnet. ASS reduzierte die kardiovaskulären Vorfälle um 14%, die Herzinfarkte sogar um 32%. Die Gesamtrate der Schlaganfälle stieg nicht signifikant (+ 13%; p = 0,14). Unter ASS traten nur hämorrhagische Infarkte signifikant häufiger auf (+ 69%), während ischämische Infarkte unbeeinflusst blieben. ASS hatte auch bei Männern keinen Einfluss auf kardiovaskuläre Sterblichkeit und Gesamtsterblichkeit.
Mehr schwere Blutungen
Insgesamt gab es 301 schwere Blutungen bei Frauen und 288 bei Männern. Die meisten Blutungen traten im Magen-Darm-Trakt auf. Acetylsalicylsäure erhöhte das Risiko schwerer Blutungen bei beiden Geschlechtern signifikant: bei Frauen um 68% und bei Männern um 72%.
Wie stark sinkt das absolute Risiko?
Die absolute Risikoreduktion schwerer kardiovaskulärer Ereignisse war allerdings sehr klein: Sie betrug 0,30% für Frauen und 0,37% für Männer. Um ein Ereignis zu verhindern, müssen also 333 Frauen oder 270 Männer 6,4 Jahre lang mit Acetylsalicylsäure behandelt werden. Gleichzeitig stieg das absolute Risiko für eine schwere Blutung bei Frauen um 0,25% und bei Männern um 0,33%. Im Durchschnitt wird also ein solches Blutungsereignis hervorgerufen, wenn 400 Frauen oder 303 Männer 6,4 Jahre lang mit ASS behandelt werden.
Was bedeuten diese Ergebnisse?
Die Metaanalyse belegt, dass niedrig dosierte Acetylsalicylsäure die Gesamtrate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse bei beiden Geschlechtern ähnlich stark senkt. Bei Frauen scheint vor allem das Risiko ischämischer Schlaganfälle, bei Männern das Herzinfarktrisiko zu sinken. Die Zahl der Herzinfarkte bei Frauen (469) und der Schlaganfälle bei Männern (597) war aber zu gering, um geschlechtsspezifische Unterschiede sicher nachweisen zu können. Hier sind weitere prospektive Studien nötig.
Über die Ursachen möglicher gechlechtsbedingter Wirkungsunterschiede wird spekuliert: Acetylsalicylsäure scheint bei Männern und Frauen unterschiedlich verstoffwechselt zu werden. Außerdem kommen bei Frauen Schlaganfälle häufiger vor als Herzinfarkte, bei Männern ist es umgekehrt.
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