Arzneimittel und Therapie

Hüftfrakturen: Calcium plus Vitamin D schützt Frauen wenig

Die Calcium-plus-Vitamin-D-Studie der Womens Health Initiative erfasste über 36.000 gesunde Frauen zwischen 50 und 79 Jahren. Eine tägliche Einnahme von 1000 mg Calcium und 400 I. E. Vitamin D über sieben Jahre senkte die Hüftfraktur-Rate nicht signifikant. Eine Knochendichte-Messung bei rund 2400 Frauen ergab einen Anstieg der Knochendichte an der Hüfte um 1%.

Calcium und Vitamin D sind die meistverwendeten Osteoporosemittel, obwohl unklar ist, ob sie wirklich vor Frakturen schützen. Die Calcium-plus-Vitamin-D-Studie der WHI (Womens Health Initiative) untersuchte den Nutzen der kombinierten Gabe bei gesunden postmenopausalen Frauen im Hinblick auf Hüftfrakturen und andere Knochenbrüche.

Gesunde Frauen nach der Menopause

Die Studie erfasste 36.282 gesunde postmenopausale Frauen zwischen 50 und 79 Jahren, die bereits an mindestens einer WHI-Studie (Dietary Modification Trial und/oder Hormone Therapy Trials) teilnahmen. Randomisiert und doppelblind erhielten die Frauen Tabletten mit 500 mg Calciumionen in Form von Calciumcarbonat und 200 I. E. Vitamin D (n = 18.176) oder Placebo (n = 18.106) zur zweimal täglichen Einnahme.

Zusätzliche Präparate erlaubt

Die Teilnehmerinnen durften nach eigenem Ermessen täglich zusätzlich bis zu 1000 mg Calcium und bis zu 600 I. E. Vitamin D (seit 1999 1000 I. E.) supplementieren. Auch der Gebrauch von postmenopausalen Hormonen, selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulatoren, Bisphosphonaten und Calcitonin war erlaubt. Primärer Endpunkt waren Hüftfrakturen, sekundäre Endpunkte andere Frakturen und die Knochendichte.

Zu Beginn waren die Frauen durchschnittlich 62 Jahre alt. 83% hatten weiße Hautfarbe. Die durchschnittliche tägliche Calcium-Aufnahme betrug 1150 mg und die Vitamin-D-Aufnahme 365 I. E. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen (52%) nahmen postmenopausale Hormone ein, viele davon im Rahmen der WHI-Hormon-Studien. 1% der Frauen bekamen andere Osteoporosemedikamente.

Nicht-signifikant weniger Hüftfrakturen

Die Teilnehmerinnen wurden durchschnittlich sieben Jahre lang beobachtet. In dieser Zeit traten in der Supplement-Gruppe 2102 Frakturen, davon 175 Hüftfrakturen, auf. In der Placebo-Gruppe waren es 2158 Frakturen, davon 199 Hüftfrakturen. Die Hüftfraktur-Rate pro 10.000 Personenjahre betrug 14 gegenüber 16; sie war nicht-signifikant um 12% verringert.

Auch bei der Rate der übrigen Frakturen bestand kein signifikanter Unterschied:

  • 14 klinisch bedeutsame Wirbelfrakturen gegenüber 15,
  • je 44 Frakturen des Unterarms oder Handgelenks und
  • insgesamt 164 Frakturen gegenüber 170 pro 10.000 Personenjahre.

    Einige Untergruppen profitierten

    Wurde die Analyse auf den Zeitraum beschränkt, in der die Frauen mindestens 80% ihrer Studienmedikation eingenommen hatten, war die Hüftfraktur-Rate signifikant um 29% verringert: Bei therapietreuen Frauen der Supplement-Gruppe traten zehn Hüftfrakturen pro 10.000 Personenjahre auf, bei therapietreuen Frauen der Placebo-Gruppe 14. Für die anderen Frakturen änderte die Berücksichtigung der Compliance nichts. Calcium plus Vitamin D schützte auch die Untergruppe der Frauen ab 60 Jahre besser vor Hüftfrakturen als Placebo; die Hüftfraktur-Rate war bei ihnen signifikant um 21% reduziert.

    Immerhin: Knochendichte der Hüfte stieg

    An drei von 40 Studienzentren wurde bei 2431 Frauen (1230 mit Supplement, 1201 mit Placebo) die Knochendichte mittels Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) bestimmt. Die Messung fand bei der Randomisierung sowie nach 3, 6 und 9 Jahren statt. Nach 9 Jahren war die Knochendichte nur an der Gesamthüfte in der supplementierten Gruppe signifikant höher als in der Placebo-Gruppe: um 1,06%. Für Wirbelsäule und Gesamtkörper unterschied sich die Knochendichte nicht zwischen den Behandlungsgruppen.

    Achtung, häufiger Nierensteine!

    Frauen der Supplement-Gruppe litten signifikant häufiger an Nierensteinen als ihre Geschlechtsgenossinnen der Placebo-Gruppe: 449 gegenüber 371 Frauen waren betroffen, also 17% mehr.

    Fazit

    In der Gesamtgruppe gesunder, postmenopausaler Frauen enttäuschte die Calcium-plus-Vitamin-D-Prophylaxe, wenn es um den Schutz vor Hüftfrakturen und anderen Frakturen ging. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, die mit dem Studiendesign zusammenhängen (siehe Kasten). Dennoch könnte die Calcium-plus-Vitamin-D-Gabe in ausgewählten Untergruppen, wie Frauen über 60 Jahre, Frauen mit schlechter Calcium-Versorgung und Frauen mit guter Compliance, von Nutzen sein.

    Nach wie vor sollten Frauen in der Postmenopause die empfohlene Calcium- und Vitamin-D-Aufnahme durch die Nahrung oder durch zusätzliche Einnahme sicherstellen (siehe Kasten). Für Frauen mit niedriger Knochendichte oder anderen Risikofaktoren genügt die Calcium-plus-Vitamin-D-Prophylaxe möglicherweise nicht. Sie benötigen einen zusätzlichen Knochenschutz, beispielsweise in Form eines Bisphosphonats oder Teriparatid (Forsteo®).

  • Lag es an der Studie?

    Warum schnitt die Calcium-plus-Vitamin-D-Gabe in der großen US-amerikanischen Studie so wenig überzeugend ab? Folgende Faktoren haben möglicherweise eine Rolle gespielt:

  • Die Frauen waren eine durchschnittliche Population gesunder postmenopausaler Frauen. Sie waren nicht auf eine besonders niedrige Knochendichte oder andere Risikofaktoren für Knochenbrüche hin ausgewählt.
  • Auch die Frauen der Placebo-Gruppe waren relativ gut mit Calcium und Vitamin D versorgt: 64% nahmen zu Beginn täglich mindestens 800 mg Calcium und 42% mindestens 400 I. E. Vitamin D auf.
  • Die Vitamin-D-Dosis war in der Studienmedikation möglicherweise zu niedrig gewählt. Nur Studien mit mindestens 700 I. E. Vitamin D in Kombination mit Calcium haben einen Nutzen ergeben.
  • Die Frakturrate in der Placebo-Gruppe war viel niedriger als erwartet. Dies kann mit dem überraschend hohen Körpermasse-Index und der geringen Zahl über 70-Jähriger zusammenhängen.
  • Der hohe Anteil der Hormon-Anwenderinnen (52%) könnte den Effekt von Calcium und Vitamin D verschleiert haben. Hormon-Nicht-Anwenderinnen hatten aber durch Calcium und Vitamin D eine ähnliche nicht signifikante Abnahme der Hüftfraktur-Rate wie die Gesamtgruppe (17%).
  • Knochengesunde Lebensweise

    Das können Sie Ihren Kundinnen empfehlen:

  • Ausreichende Grundversorgung mit Calcium. Tägliche Richtwerte sind 1000 bis 1500 mg. Bei gesunden, mobilen Frauen kann dies in der Regel durch entsprechende Ernährung (Milch, Milchprodukte, grünes Gemüse, calciumreiches Mineralwasser) erreicht werden.
  • Genussgifte meiden: Keine Zigaretten! Alkoholkonsum unter 30 g pro Tag!
  • Regelmäßige körperliche Aktivität und täglicher Aufenthalt im Freien von mindestens 30 Minuten. Quelle: Leitlinie "Osteoporose bei postmenopausalen Frauen" des DVO (Dachverband deutschsprachiger wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie)
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