Tropenkrankheit

B. GoerresDie afrikanische Schlafkrankheit – E

Krankheitsverlauf

An der Infektionsstelle kann sich eine schmerzhafte, etwa kirschkerngroße Schwellung der Haut entwickeln (bei der westafrikanischen Form nach zwei bis drei Wochen in 5 bis 20% der Fälle; bei der ostafrikanischen Form schon eher in etwa 50% der Fälle). Das Gewebe schwillt an, weil sich dort die Erreger vermehren. Das Symptom nennt man auch Trypanosomen-Schanker.

Nachdem der Erreger sich über Blut und Lymphe in andere Organe ausgebreitet hat, beginnt das hämolymphatische Stadium. Die Symptome sind unspezifisch: in unregelmäßigen Abständen wiederkehrendes Fieber, Schüttelfrost, Lymphknotenschwellungen, Kopf- und Gliederschmerzen mit Abgeschlagenheitsgefühl, Tachykardien. Bei der ostafrikanischen Form hat der Patient häufig sehr hohes Fieber und eine beträchtliche Erregermenge im Blut. Oft folgen darauf eine Myokarditis und ein akutes Herzversagen.

Typisch für das späte hämolymphatische Stadium ist das Winterbottom-Zeichen, eine charakteristische Lymphknotenschwellung im seitlichen Halsdreieck. (Thomas Masterman Winterbottom hatte um 1800 beobachtet, dass Sklavenhändler Menschen, die diese Schwellung aufwiesen, für wertlos hielten.)

Wenn die Trypanosomen ins Zentralnervensystem gelangt sind, beginnt das meningoenzephalitische Stadium der Schlafkrankheit. Bei der westafrikanischen Form tritt dieses Stadium frühestens ein halbes Jahr, meistens erst mehr als zwei Jahre (!) nach der Infektion ein, bei der ostafrikanischen Form oft schon nach wenigen Wochen. Typische Symptome sind u. a.: Wesensveränderungen (es sind schon Patienten mit einer nicht diagnostizierten HAT in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden), Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Koordinationsstörungen, Anorexie, Kachexie, Krampfanfälle, Dämmerzustand sowie Koma. Unbehandelt verläuft die Krankheit über Monate bis Jahre hinweg tödlich.

Auch bei einer adäquaten Behandlung sind die schon eingetretenen neurologischen Schäden irreversibel.

Medikamentöse Therapie

Wird die Schlafkrankheit rechtzeitig diagnostiziert, ist die Heilungsrate hoch. Der Erreger lässt sich im Schanker, im Liquor cerebrospinalis oder im Blut nachweisen.

Da von der Schlafkrankheit vor allem arme Menschen in Entwicklungsländern betroffen sind, hat die Therapie seit Jahrzehnten kaum Fortschritte gemacht. Zurzeit werden die Antiprotozoika Pentßamidin (Pentamidinmesilat), Suramin (Germanin®), Melarsoprol (Arsobal®) sowie Eflornithin (Difluormethylornithin) eingesetzt (Tab. 1). Große Probleme in der Pharmakotherapie bereiten die wachsende Resistenz des Erregers einerseits und die oft lebensbedrohlichen Nebenwirkungen dieser Medikamente andererseits.

Pentamidin wird mindestens 3- bis 4-mal täglich über 10 Tage langsam intramuskulär oder intravenös appliziert; bei zu schneller Verabreichung drohen Blutdruckabfall und Atemstörungen. Bei mehr als der Hälfte der Patienten treten wegen Schädigung des Pankreas Hypo- oder Hyperglykämien auf. Weitere Nebenwirkungen sind Erbrechen, Leukopenie und Schädigung der Niere.

Suramin wird an den Tagen 1, 3, 7, 14 und 21 intravenös injiziert. Zu seinen Nebenwirkungen gehören allergische Reaktion, Fieber, Hautausschlag, Hautabschuppung sowie Arthritis.

Melarsoprol ist eine arsenhaltige Verbindung, die die Blut-Hirn-Schranke gut überwindet; dies ist eine Voraussetzung, um den Erreger während des meningoenzephalitischen Stadiums zu bekämpfen. Der Patient erhält drei bis vier Zyklen von je vier Injektionen, wobei die Zyklen jeweils eine Woche voneinander entfernt liegen. 8 bis 10% der Behandelten entwickeln eine Enzephalitis, deren Letalität bis zu 50% beträgt. Wegen der extrem schlechten Verträglichkeit sollte die Behandlung mit Melarsoprol den Patienten im meningoenzephalitischen Stadium vorbehalten bleiben.

Auch Eflornithin, das seit Anfang 2005 in Deutschland zur topischen Behandlung bei übermäßigem weiblichem Gesichtshaarwuchs zugelassen ist (Präparat Vaniqa®), wirkt antiprotozoisch, überwindet die Blut-Hirn-Schranke und ist zudem besser verträglich als Melarsoprol. Es wird intravenös alle 6 Stunden verabreicht. Diese Therapie dauert zwei Wochen; daran anschließend wird es peroral alle 6 Stunden über weitere 21 bis 30 Tage eingenommen. Nebenwirkungen sind u. a. Durchfall, Anämie sowie Thrombozytopenie.

Wenn ein Patient mit der westafrikanischen Form der Schlafkrankheit auf die genannten Arzneimittel nicht anspricht, kann ein Therapieversuch mit Nifurtimox (Lampit®) unternommen werden, das regulär zur Therapie der Chagas-Krankheit eingesetzt wird.

Die Arzneimittelhersteller können mit Präparaten gegen die Schlafkrankheit kein Geschäft machen. Die Firma Aventis (heute: Sanofi-Aventis) hat jedoch im Jahr 2001 mit der WHO eine Absprache getroffen, für fünf Jahre – bis Juni 2006 – die Produktion von Pentßamidin, Arsobal® sowie Eflornithin zur Therapie einer "vernachlässigten Erkrankung" aus humanitären Gesichtspunkten aufrechtzuerhalten. Die Firma Bayer stellt der WHO das Präparat Germanin® bis Ende 2007 kostenlos zur Verfügung.

Hoffnung auf eine Alternative

In Anbetracht dieser schlecht verträglichen und parenteral zu applizierenden Antiprotozoika hat die Suche nach Alternativen zur Therapie der Schlafkrankheit begonnen. Als solche kommt das Pentamidin-Derivat DB-289 in Betracht. Die Substanz kann oral angewendet werden und befindet sich derzeit mit der Indikation "hämolymphatisches Stadium der Schlafkrankheit" in Phase III der klinischen Prüfung.

Die Schlafkrankheit ist im tropischen Afrika verbreitet und bedroht etwa 60 Millionen Menschen. Sie verläuft chronisch und führt nach langem Siechtum unweigerlich zum Tod, wenn sie nicht ad–äquat behandelt wird. Die Pharmakotherapie lässt jedoch zu wünschen übrig. Es mangelt nicht nur an Medikamenten, sondern diese haben auch schwere Nebenwirkungen. Das Deutsche Medikamenten-Hilfswerk action medeor will der "vernachlässigten Krankheit" nun mehr Beachtung verschaffen.

action medeor hilft Das Deutsche Medikamenten-Hilfswerk action me–deor e. V. ist die größte europäische Medikamentenhilfsorganisation. Seit mehr als 40 Jahren unterstützt action medeor rund 9000 Gesundheitsstationen und Gesundheitsprojekte in 126 Ländern, indem es sie kostenlos oder gegen Erstattung der Selbstkosten mit Arzneimitteln sowie medizinischen Bedarfsartikeln versorgt. Im Jahr 2004 betrug der Gesamtumsatz 8,2 Millionen Euro.

In diesem Jahr will sich action medeor verstärkt in den Kampf gegen die Schlafkrankheit einbringen. Wie bei Malaria, Tuberkulose und Leishmaniose (und teilweise bei HIV/Aids) handelt es sich bei der Schlafkrankheit um eine Armuts- und Tropenerkrankung und damit um eine "vernachlässigte Erkrankung" (neglected disease). Bei der Leishmaniose hat action medeor zusammen mit der Firma Zentaris, dem Hersteller von Impavido® (Miltefosin), das Therapieangebot konkret verbessert. Dies soll nun auch bei der Schlafkrankheit gelingen. Spendenkonto von action medeor: 555 555 555 bei der Volksbank Krefeld, BLZ 320 603 62 www.medeor.org

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