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DAZ aktuell
Hamburger Apothekerverein: City BKK darf nicht für DocMorris werben
Die City BKK hatte im Jahr 2001 in Schreiben an ihre Mitglieder auf das Angebot der niederländischen Versandapotheke DocMorris hingewiesen und das Versandverfahren detailliert beschrieben. Daraufhin hatte der Hamburger Apothekerverein beim Sozialgericht Hamburg am 15. Januar 2002 eine einstweilige Anordnung erwirkt, mit der der Krankenkasse untersagt wurde, ihre Versicherten zum Arzneimittelbezug bei der niederländischen Versandapotheke aufzufordern (Aktenzeichen S 22 KR 1048/01 ER). Der Beschluss wurde am 4. Dezember 2003 durch das Landessozial–gericht Hamburg bestätigt (Aktenzeichen L 1 B13/02 ER).
Nun stand die Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Am 10. April 2006 entschied das Sozialgericht Hamburg ohne mündliche Verhandlung, der –City BKK zu untersagen, ihre Versicherten entsprechend dem Schreiben vom 21. September 2001 zum Bezug von Arzneimitteln durch DocMorris aufzufordern (Aktenzeichen S 28 KR 167/03). Die Urteilsbegründung stellt wesentlich auf den Arzneiliefervertrag ab, der eine mittelbare oder unmittelbare Beeinflussung der Versicherten zugunsten bestimmter Lieferanten nicht zulässt. Diese Regelung sei anzuwenden, obwohl der Vertrag gekündigt sei. Denn er gelte aufgrund der vereinbarten Fortgeltungsklausel weiter bis zum Abschluss eines neuen Vertrages. Dagegen hatte die beklagte Krankenkasse angeführt, die Apothekerseite habe bisher keinen ernsthaften Verhandlungswillen gezeigt, sodass die Fortgeltungsklausel auf eine faktische Unkündbarkeit hinausliefe. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Stattdessen machte es deutlich, dass die Fortgeltungsklausel eine individuelle vertragliche Vereinbarung sei, an der sich die Beklagte festhalten lassen müsse.
Verträge wirken normativ
Das Gericht hob hervor, dass die gemäß § 129 Absatz 5 SGB V geschlossenen Verträge vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den beteiligten Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und Apotheken regeln und insoweit normativ wirken würden. Sie seien gemäß einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Januar 1996 (Aktenzeichen 3 RK 26/94, BSGE 77, 194) wie Rechtsnormen im Sinne des "objektivierten Willen des Gesetzes" auszulegen.
Darüber hinaus verwies das Gericht auf das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 9. November 2004 (Aktenzeichen 5 U 300/01), in dem DocMorris untersagt worden ist, verschreibungspflichtige Arzneimittel über den Versand nach Deutschland zu liefern, weil die in Deutschland geforderten Sicherheitskriterien von niederländischen Apotheken bislang nicht erfüllt würden.
Die begehrte Unterlassung sei auch wegen der Wiederholungsgefahr begründet, wobei das Gericht auf ein Schreiben der gleichen Krankenkasse aus dem Dezember 2004 mit einer namentlichen Nennung der Europa Apotheek in Venlo hinwies. Das Gericht beschloss, dass die Gerichtskosten von der City BKK zu tragen sind, und setzte im Hinblick auf die Tragweite der Entscheidung den im Wettbewerbsrecht üblichen Streitwert von 100.000 Euro an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, doch hatte das für eine mögliche Berufung zuständige Landessozialgericht bereits die einstweilige Anordnung bestätigt.
Signal für künftige Verfahren
Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, begrüßte gegenüber der DAZ die spezifischen Äußerungen des Gerichts zur Rechtskraft von Verträgen. Es werde bestätigt, dass Rahmenverträge auf der Grundlage der sozialgesetzlichen Regelungen quasi Gesetzeskraft hätten. Das Urteil sei zugleich ein Signal für anstehende rechtliche Auseinandersetzungen mit anderen Krankenkassen in anderen Bundesländern. Freiwillig geschlossene Vereinbarungen wie die Loyalitäts- und die Fortgeltungsklausel in Arzneilieferverträgen müssten eingehalten werden.
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