- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 19/2006
- Cannabinoid-Rezeptor-...
Arzneimittel und Therapie
Cannabinoid-Rezeptor-Antagonist: Rimonabant senkt kardiometabolisches Risiko
Rimonabant blockiert selektiv die CB1-Rezeptoren (endogene Cannabinoid-Rezeptoren) im Endocannabinoid-System. Dieses System ist unter anderem an der Regulation von Körpergewicht, Fettstoffwechsel und Nicotinabhängigkeit beteiligt. Die klinischen Phase-III-Programme für Rimonabant umfassen insgesamt sieben klinische Studien. Davon gehören allein vier zum RIO-Programm (Rimonabant in Obesity), das weltweit über 6600 adipöse Patienten einschließt. Im STRATUS-Programm (Studies with Rimonabant and Tabaco Use) wird in drei Studien die Wirksamkeit von Rimonabant bei der Tabakentwöhnung untersucht.
HbA1c-Wert signifikant reduziert
In die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte RIO-Diabetes-Studie wurden 1045 Typ-2-Diabetiker, die bereits mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin behandelt wurden, an 151 Zentren in elf Ländern eingeschlossen. Die Stu–dienteilnehmer erhielten 5 mg oder 20 mg Rimonabant bzw. Placebo. Bezogen auf einen Ausgangs-HbA1c-Wert von 7,3% erzielten die Probanden mit 20 mg Rimonabant gegenüber Placebo eine HbA1c-Reduktion um 0,7%-Punkte. 43% der Patienten aus der 20-mg-Rimonabant-Gruppe erreichten die angestrebte HbA1c-Zielmarke von < 6,5%. In der Placebo-Gruppe gelang das dagegen nur 21% der Patienten. Die mit 20 mg Rimonabant behandelten Probanden legten durchschnittlich 5,3 kg Körpergewicht ab (vs. 1,4 kg unter Placebo). Außerdem konnte bei ihnen eine Verringerung des Taillenumfangs von 5,2 cm vs. 1,9 cm unter Placebo festgestellt werden.
Verbessertes Lipidprofil
Die Triglyceridwerte gingen in der Studie unter täglich 20 mg Rimonabant um 9,1% zurück, während unter Placebo ein Anstieg von 7,3% zu verzeichnen war. Das HDL-Cholesterin stieg bei allen Sudienteilnehmern an, jedoch am stärksten in der 20-mg-Rimonabant-Gruppe (+ 15,4%). Zudem wurde in diesem Probandenkollektiv eine um 18,9% geringere Prävalenz für das metabolische Syndrom festgestellt, gegenüber einer Reduktion von nur 7,6% unter Placebo.
Berechnungen zufolge lassen sich die beobachteten Verbesserungen des HDL-Wertes wie auch des HbA1c-Wertes nur etwa zur Hälfte mit dem erzielten Gewichtsverlust erklären. Rimonabant scheint also einen über die Gewichtsreduktion hinaus gehenden HbA1c-senkenden bzw. HDL-erhöhenden Effekt zu entfalten.
Ergebnisse der RIO-Lipid-Studie
Die erst kürzlich publizierte RIO-Lipid-Studie untersuchte über ein Jahr die Wirkung von Rimonabant an 1036 übergewichtigen Patienten mit unbehandelter Dyslipidämie.
Patienten, die täglich 20 mg des Wirkstoffs einnahmen, erzielten gegenüber Placebo eine Reduktion ihrer Triglyceridwerte (–12,6% vs. –0,2%), eine Erhöhung ihres HDL-Cholesterins (+ 19,1% vs. + 11%), eine Verringerung ihres Körpergewichts (–6,9 kg vs. –1,5 kg) und ihres Taillenumfangs (–7,1 cm vs. –2,4 cm) sowie eine Blutdrucksenkung und eine bessere Glucosetoleranz. Gegen Studienende sank die Prävalenz für das metabolische Syndrom in der Rimonabant-20-mg-Gruppe auf 25,8%, während 41% der Placebo-Patienten die Kriterien nach wie vor erfüllten.
Effekte auf weitere Risikomarker
Signifikante Verbesserungen waren in der RIO-Lipid-Studie auch hinsichtlich zweier weiterer Parameter zu verzeichnen: Die Konzentration des von Adipozyten produzierten Adiponektins (einem Adipokin mit Einfluss unter anderem auf Insulinsensitivität, Körperfettverteilung und Lipidparameter) stieg unter 20 mg Rimonabant signifikant an. 57% dieses Anstiegs kann nicht auf die Gewichtsreduktion zurückgeführt werden, was einen direkten Effekt von Rimonabant auf diesen Marker impliziert. Das C-reaktive Protein (CRP), ein mit einem kardiovaskulären Risiko assoziierter Entzündungsmarker, fiel unter Rimonabant signifikant ab.
Zum ersten Mal wird damit nach Aussage des Studienleiters ein so breites Spektrum an kardiometabolischen Verbesserungen durch nur ein Pharmakon beobachtet. Rimonabant soll unter dem Handelsnamen Acomplia® noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Die häufigsten Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen von Rimonabant waren sowohl in der RIO-Diabetes- als auch in der RIO-Lipid-Studie meist leicht sowie vorübergehend und konsistent mit den Daten aus anderen Phase-III-Studien. Am häufigsten traten Nausea, Durchfall, Erbrechen, Schwindel, Müdigkeit und Ängstlichkeit auf.
Der Endocannabinoid-Rezeptoren-Blocker Rimonabant kann zur Normalisierung von kardiovaskulären und metabolischen Stoffwechselparametern beitragen. Er blockiert selektiv die endogenen Cannabinoid-Rezeptoren, die an der Regulation von Körpergewicht, Fettstoffwechsel und Nicotinabhängigkeit beteiligt sind.
Das bereits 1964 entdeckte physiologische Endocannabinoid-System (ECS) besteht aus Cannabinoid(CB)-1-Rezeptoren und Endocannabinoiden als Liganden. CB1-Rezeptoren kommen sowohl im Gehirn als auch in peripheren Geweben vor, die an der Regulation des Lipid- und Glucosestoffwechsels beteiligt sind (z.B. Adipozyten, Leber- und Muskelzellen). Die Aktivierung peripherer CB1-Rezeptoren stimuliert u.a. die Lipogenese in den Adipozyten.
Auf zentraler Ebene führen aktivierte CB1-Rezeptoren z.B. zur Appetitsteigerung. Darüber hinaus wird ein überaktiviertes ECS auch für die Nicotinabhängigkeit mit verantwortlich gemacht. Somit stellt dieses System einen interessanten Ansatzpunkt dar, um in die Regulation des Körpergewichts, des Glucose- und Lipidstoffwechsels sowie des Tabakkonsums einzugreifen. Rimonabant, erster Vertreter der so genannten CB1-Blocker, befindet sich derzeit am Ende der klinischen Prüfphase III.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMEA) hat eine positive Empfehlung für die Zulassung von Rimonabant in der Europäischen Union für folgende Indikationen abgegeben, wie Sanofi-Aventis mitteilte: Als Unterstützung bei Diät und Sport für die Behandlung von fettleibigen Patienten (BMI größer/gleich 30 kg/m2) oder übergewichtigen Patienten (BMI > 27 kg/m2) mit einhergehenden Risikofaktoren wie Diabetes Typ 2 oder Dyslipidämie.
Der CHMP, der sich aus Regierungsvertretern aller EU-Mitgliedsländer zusammensetzt, stimmte nun positiv für eine einjährige Prüfung der Rimonabant-Anwendung.
Nach einer positiven CHMP-Empfehlung erteilt die Europäische Kommission normalerweise die Marktzulassung innerhalb von zwei bis drei Monaten. Liegt die Zulassung für Europa vor, so soll Rimonabant in den EU-Mitgliedsstaaten als verschreibungspflichtiges Medikament Acomplia® in einer Darreichung von Tabletten ą 20 mg zur einmaligen täglichen Einnahme angeboten werden. Die Markteinführung ist für das zweite Halbjahr 2006 geplant, so Sanofi-Aventis.
Der CHMP hat keine positive Empfehlung für Rimonabant zur Behandlung der Nicotinsucht abgegeben.
Quelle: Pressemitteilung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH vom 28. April 2006.
Endocannabinoide und Endocannabinoid-Rezeptorantagonisten. Med Monatsschr Pharm 2005;28(2):40-3. www.medmopharm.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.