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Arzneimittel und Therapie
Aus der Forschung: Tumoren brauchen Makrophagen
Die Bildung maligner Tumoren ist ein vielschichtiger Prozess. Selbst wenn eine entartete Zelle durch Mutationen die Fähigkeit zu ungehemmtem Wachstum erworben hat, sind zusätzliche exogene Faktoren des umgebenden Milieus für das Tumorwachstum erforderlich. So wird der gesteigerte Bedarf an Nährstoffen und an Sauerstoff durch die Neubildung eines Kapillarnetzes aus in der Nähe gelegenen Blutgefäßen (Angiogenese) sichergestellt. Invasives Wachstum von Tumoren und die Auswanderung maligner, Metastasen bildender Tumorzellen erfordert darüber hinaus Veränderungen der umgebenden Bindegewebsmatrix, die denen bei der physiologischen Wundheilung entsprechen.
Makrophagen regen Zelldifferenzierung an
Die an der Tumorbildung beteiligten exogenen Komponenten zu kennen und die zugrunde liegenden Steuerungsmechanismen zu verstehen, ist eine Grundlage für die Entwicklung einer verbesserten medikamentösen Tumortherapie, die chirurgische Verfahren, Chemo- und Radiotherapie unterstützt. Bereits 1971 wurde ein auf der Angiogenesehemmung beruhendes Konzept der Tumorbekämpfung entwickelt. Antikörper gegen den für die Angiogenese essenziellen Wachstumsfaktor VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) zeigen in klinischen Studien viel versprechende Wirkung. Eine zusätzliche Perspektive ergibt sich aus der Beobachtung, dass chronisch entzündliche Prozesse wie Morbus Crohn, Helicobacter-pylori-Infektionen oder durch Rauchen ausgelöste Atemwegsinfektionen das Risiko der Tumorentstehung erhöhen, wobei entzündungshemmende Mittel die Tumorhäufigkeit verringern. Demnach ist die Funktion des Immunsystems in Bezug auf die Tumorentstehung ambivalent.
Einerseits sind cytotoxische Zellen in der Lage, entartete Zellen zu eliminieren, andererseits fördern verschiedene Reaktionen des Immunsystems die Tumorentstehung: Im entzündeten Gewebe werden reaktiver Sauerstoff und Stickoxide freigesetzt, dadurch entsteht ein oxidatives, Mutationsereignisse förderndes Milieu. Außerdem sezernieren Immunzellen eine Vielzahl von wachstumsfördernden Botenstoffen wie die Interleukine. Schließlich wird den Makrophagen eine maßgebliche Rolle bei der Tumorentstehung zugeschrieben.
Makrophagen können einen beträchtlichen Anteil an der Tumormasse stellen und ein hoher Makrophagenanteil korreliert mit einer schlechten Prognose der Tumorentwicklung. Mäuse, bei denen der Makrophagenwachstumsfaktor CSF1 (Colony Stimulating Factor 1) experimentell ausgeschaltet war, zeigten ein deutlich verringertes Risiko für Brustkrebs, während die Überexpression von CSF1 den gegenteiligen Effekt bewirkte.
Makrophagen werden umprogrammiert
Wie Makrophagen das Wachstum von Tumoren fördern, zeigt ein Blick auf ihre vielfältigen physiologischen Funktionen. Als Phagozyten beteiligen sie sich nicht nur an der Immunabwehr, sondern auch an der Wundheilung, an der Umgestaltung von Geweben im Verlauf der Entwicklung und an der Angiogenese.
Somit können sie genau die Prozesse unterstützen, die für die Invasion eines Tumors in das umgebende Gewebe, den Übertritt metastasierender Zellen in die Zirkulation und deren Ansiedlung als sekundäre Tumoren nötig sind. Darüber hinaus sind Tumoren in der Lage, Makrophagen anzulocken und deren physiologische Funktionen umzusteuern: Tumorzellen bilden CSF1, der das Wachstum von Makrophagen fördert und diese anregt, den epithelialen Wachstumsfaktor (EGF) freizusetzen. EGF wiederum stimuliert das Wachstum und die Motilität von Tumorzellen. So fördern Tumorzellen und Makrophagen gegenseitig ihre Vermehrung durch eine parakrine Feedback-Regulation. Metastasierende Tumorzellen wandern in Begleitung von Makrophagen an Kollagenfasern des Bindegewebes entlang zu Blutgefäßen. Auch der Übertritt der Tumorzellen in die Blutgefäße wird durch Makrophagen gefördert. Bei der Etablierung von Metastasen stimulieren Tumorzellen die Freisetzung einer Metalloproteinase durch Makrophagen. Dadurch wird ein gebundener Wachstumsfaktor (VEGF) mobilisiert, der die Angiogenese fördert.
Im Mausmodell konnte durch pharmakologische Hemmung der parakrinen Wechselwirkung sowohl die Motilität der Tumorzellen als auch ihr Übertritt in die Blutgefäße gehemmt werden. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung von niedermolekularen Substanzen, die selektiv in die parakrine Feedback-Regulation eingreifen und sich zur pharmakologischen Hemmung des Tumorwachstums und der Metastasenbildung eignen.
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