Arzneimittel und Therapie

Neues Antibiotikum: Daptomycin gegen grampositive Infektionen

Daptomycin (Cubicin®) ist ein neues Antibiotikum zur Behandlung von schweren grampositiven Infektionen der Haut und der Weichgewebe. Es zeichnet sich durch eine bakterizide Wirkung auch gegen multiresistente Keime sowie das Fehlen von Kreuzresistenzen zu anderen Antibiotika aus. Es wird einmal täglich intravenös infundiert.

Das Spektrum der Haut- und Weichgewebsinfektionen reicht vom harmlosen Furunkel bis zu schweren nekrotisierenden Infektionen, die mit einer Letalität von bis zu 30% einhergehen. In etwa 70 bis 80% der Fälle werden diese Erkrankungen durch grampositive Erreger verursacht. Dabei nimmt der Prozentsatz resistenter Erreger kontinuierlich zu, insbesondere des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). In Deutschland liegt der Anteil dieser Erreger bei über 15% aller Staphylococcus-aureus-Stämme.

Therapie der Wahl: chirurgischer Eingriff

Therapie der Wahl bei komplizierten Haut- und Weichgewebsinfektionen ist der chirurgische Eingriff mit Entlastung eines Abszesses oder Exzision infizierten Gewebes. Bei schweren nekrotisierenden Erkrankungen hat sich ein programmiertes Redebridement bewährt.

Ein Antibiotikum ist dann indiziert, wenn es zu einer Allgemeinreaktion des Körpers mit Fieber über 38° C, Leukozytose über 10/nl, C-reaktivem Protein (CRP) über 50 mg/l oder einer Störung der körpereigenen Abwehr kommt.

Gegen grampositive Erreger wirksam

Bis jetzt werden hierfür Betalactam-Antibiotika, Glykoside, Chinolone oder Oxazolidinone empfohlen. Das Antibiotikum Daptomycin ist der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse. Es wurde aus Streptomyces roseosporus isoliert.

Daptomycin gewährleistet bei einmal täglicher Applikation eine schnelle und sichere Eradikation grampositiver Erreger. Gegen gramnegative Organismen wirkt Daptomycin nicht. Bei Mischinfektionen, bei denen der Verdacht auf gramnegative und/oder bestimmte Arten anaerober Bakterien besteht, sollte Daptomycin daher gemeinsam mit (einem) geeigneten antibakteriellen Wirkstoff(en) angewendet werden.

Zyklisches Lipopeptid

Daptomycin ist ein natürliches zyklisches Lipopeptid, das wasserlöslich ist. Es ist, wie erwähnt, ausschließlich gegen grampositive Bakterien aktiv. Mit MHK-Werten von 0,25 bis 2 Ķg/ml zeigt Daptomycin eine gute Aktivität gegen Staphylococcus aureus, auch gegen Methicillin-resistente Stämme (MRSA), koagulasenegative Staphylokokken, Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium, auch gegen Vancomycin-resistente Stämme (VRE), Streptokokken und verschiedene grampositive Anaerobier.

Insgesamt war Daptomycin in klinischen Studien hochwirksam gegen aktuelle klinische Bakterienisolate aus Europa, insbesondere auch gegen üblicherweise hochresistente Erreger wie MRSA und VRE. 99,8% der Staphylokokken (n = 1320) und 100% der Enterokokken (n = 679) waren empfindlich für Daptomycin, unabhängig von der Resistenz gegenüber anderen Antibiotika.

Bisher sind keine höhergradigen Resistenzen gegen Daptomycin nachgewiesen worden. In vitro entwickeln sich Resistenzen nur schlecht. Kreuzresistenzen sind bisher nicht bekannt und werden aufgrund des einzigartigen Wirkungsmechanismus auch nicht erwartet.

Daptomycin scheint damit eine gute therapeutische Alternative für die Behandlung von Infektionen mit grampositiven Bakterien zu sein.

Löcher in der Membran bringen Bakterien den Tod

Daptomycin wirkt bakterizid. Es bindet in Gegenwart von Calciumionen an Bakterienmem–branen von Zellen in der Wachstums- und in der stationären Phase. Mit seinem Fettsäurenanteil bindet Daptomycin an die Zellmembran der Bakterien und bildet dort eine Pore, durch die zum Beispiel Kaliumionen aus dem Zellinneren austreten können.

Dadurch depolarisiert das Zellmembranpotential, und die Transportkanäle der Bakterienwand verlieren ihre Funktion. Zahlreiche Vorgänge in der Zelle werden gestört, die Protein-, DNA- und RNA-Synthese wird gehemmt, was zum Tod der Bakterienzelle führt. Die durch Daptomycin ausgelöste Bakterizidie tritt außergewöhnlich schnell ein. Mehr als 99,9% der Staphylokokken werden innerhalb der ersten Stunde abgetötet.

Einmal tägliche Infusion

Die empfohlene Dosis für Erwachsene liegt bei 4 mg/kg einmal alle 24 Stunden über einen Zeitraum von sieben bis 14 Tagen oder bis zum Abklingen der Infektion. Daptomycin wird über 30 Minuten intravenös infundiert.

Keine Wechselwirkungen mit CYP450-System

Daptomycin wird beim Menschen nicht oder nur begrenzt über Lebermikrosomen metabolisiert. Die Beteiligung des CYP450-Systems an der Verstoffwechselung von Daptomycin ist minimal. Daptomycin wird systemisch nur geringfügig bis gar nicht metabolisiert.

Daptomycin wird zu etwa 80% renal ausgeschieden, überwiegend unverändert. Es wird nicht oder nur minimal aktiv tubulär sezerniert. Ungefähr 5% der Dosis wird mit den Fäzes ausgeschieden.

Liegt eine schwere Niereninsuffizienz vor, so ist eine Dosisminderung geboten. Bei solchen Patienten sollte Daptomycin nur angewendet werden, wenn der zu erwartende klinische Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt.

Die Anwendung von Daptomycin bei Patienten mit mittelschwerer Leberinsuffizienz erfordert keine Anpassung der Dosierung. Die Pharmakokinetik von Daptomycin bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz (Klassifikation C nach Child-Pugh) wurde nicht evaluiert.

Nebenwirkungen

Daptomycin wurde in zwei randomisierten Studien an 1092 Patienten mit komplizierten Haut- und Weichgewebsinfektionen eingesetzt.

Vergleichssubstanzen waren Vancomycin oder penicillinasefeste Penicilline. Der Anteil von Patienten mit MRSA lag bei 10%. Die klinische Heilungsrate betrug 83,4% bei den Patienten, die Daptomycin erhielten, und bei der Vergleichssubstanz 84,2%. Die Nebenwirkungsrate war in beiden Studienarmen gering.

Über 1400 Personen wurden innerhalb klinischer Studien mit Daptomycin behandelt; von diesen erhielten mehr als 800 Personen über einen Zeitraum von sieben bis 14 Tagen eine therapeutische Dosis. Nebenwirkungen wurden bei 20% der Probanden in den Daptomycin-Gruppen und bei 19% der Probanden unter Vergleichsregimen dokumentiert. Bei 5% der Probanden in den Daptomycin-Gruppen wurde die Behandlung wegen Nebenwirkungen beendet.

Daptomycin weist die üblichen unerwünschten Wirkungen aller Antibiotika und Chemotherapeutika auf. Dazu gehören gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Kopfschmerzen.

Risiko für Myopathie beachten

Eine Nebenwirkung, deren Mechanismus noch unklar ist, ist die Erhöhung der Kreatininkinase. Unter der Behandlung mit Daptomycin kam es in klinischen Studien häufiger zu ausgeprägten Plasma-CPK-Erhöhungen (auf über das Fünffache der oberen Normalgrenze) ohne Muskelsymptome als unter der Therapie mit Vergleichspräparaten (1,6% vs. 0,6%). Daher wird empfohlen, dass die Plasma-CPK-Werte während der Therapie bei allen Patienten zu Behandlungsbeginn und anschließend in regelmäßigen Abständen (mindestens einmal wöchentlich) gemessen werden.

In manchen Fällen von Myopathie, die mit erhöhten CPK-Werten und Muskelsymptomen einhergingen, wiesen die Patienten außerdem erhöhte Transaminasen auf. Diese Transaminase-Erhöhungen standen wahrscheinlich mit den Wirkungen auf die Skelettmuskulatur in Zusammenhang.

Bei Patienten mit einem höheren Myopathie-Risiko sollten die CPK-Werte häufig gemessen werden. Dazu zählen Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance <30 ml/min) sowie Patienten unter Behandlung mit anderen Arzneimitteln, die bekanntlich mit Myopathie assoziiert sind (z. B. HMG-CoA-Reduktasehemmer, Fibrate und Ciclosporin).

Während der Therapie sollten die Patienten regelmäßig auf Zeichen und Symptome beobachtet werden, die auf eine Myopathie hindeuten könnten. Bei allen Patienten, bei denen es zu Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder Muskelkrämpfen unklarer Genese kommt, sollten die CPK-Werte alle zwei Tage überwacht werden. Treten unklare Muskelsymptome auf, sollte Daptomycin abgesetzt werden, wenn die CPK-Werte auf über das Fünffache der oberen Normalgrenze ansteigen.

Möglichst nicht zusammen mit Statinen einsetzen

Über eine simultane Anwendung von Daptomycin mit anderen Arzneimitteln, die eine Myopathie auslösen können, liegen nur begrenzt Erfahrungen vor. Bei Patienten unter gleichzeitiger Behandlung mit einer dieser Medikationen und Daptomycin ist es allerdings in einigen Fällen zu deutlich erhöhten CPK-Werten und zu Fällen von Rhabdomyolyse gekommen. Es wird daher empfohlen, andere, mit Myopathie assoziierte Medikationen während der Behandlung mit Daptomycin möglichst vorübergehend abzusetzen, sofern der Nutzen einer gleichzeitigen Anwendung das entsprechende Risiko nicht überwiegt. Lässt sich eine gleichzeitige Anwendung nicht vermeiden, so sollten die CPK-Werte häufiger als einmal wöchentlich gemessen und die Patienten sorgfältig auf Zeichen und Symptome beobachtet werden, die auf eine Myopathie hindeuten könnten.

Vorsicht bei eingeschränk–ter renaler Filtration

Weil Daptomycin vorwiegend durch renale Filtration eliminiert wird, können bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, welche die renale Filtration vermindern (z. B. NSAIDs und COX-2-Hemmer), die Plasmaspiegel erhöht sein. Während einer gleichzeitigen Gabe besteht außerdem die Möglichkeit von pharmakodynamischen Wechselwirkungen wegen additiver renaler Wirkungen. Im Fall einer parallelen Anwendung von Daptomycin mit anderen Arzneimitteln, welche die renale Filtration vermindern, ist entsprechend vorsichtig vorzugehen.

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Daptomycin (Cubicin®) ist ein neues Antibiotikum zur Behandlung von schweren grampositiven Infektionen der Haut und der Weichgewebe. Das natürliche zyklische –Lipopeptid zeichnet sich durch eine bakterizide Wirkung auch gegen multiresistente Keime sowie das Fehlen von Kreuzresistenzen zu anderen Antibiotika aus.

Steckbrief: Daptomycin

Handelsname/Hersteller:

Cubicin/Novartis Pharma, Nürnberg und Chiron GmbH, München

Einführungsdatum:

15. April 2006

Zusammensetzung:

1 Durchstechflasche enthält 350 mg Daptomycin. Nach Rekonstitution mit 10 ml Natriumchloridlösung 9 mg/ml (0,9%) oder Wasser für Injektionszwecke enthält das Konzentrat 35 mg/ml. Sonstiger Bestandteil: Natriumhydroxid.

Packungsgrößen, Preise und PZN:

1 Ampulle, 129,97 Euro, PZN 4838272.

Stoffklasse:

Antibiotikum; ATC-Code: noch keine Zuordnung

Indikation:

Zur Behandlung komplizierter Haut- und Weichteilinfektionen bei Erwachsenen.

Dosierung:

Erwachsene: 4 mg/kg einmal alle 24 Stunden über einen Zeitraum von sieben bis 14 Tagen oder bis zum Abklingen der Infektion als intravenöse Infusion über 30 Minuten.

Gegenanzeigen:

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen:

Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Muskelschmerzen, Pilzinfektionen, Ausschlag, Reaktion an der Infusionsstelle, erhöhte Kreatinphosphokinase-Werte (CPK) und abnormale Leberenzymwerte, Alanin-Aminotransferase (ALT), Aspartat-Aminotransferase (AST), alkalische Phosphatase

Wechselwirkungen:

Arzneimittelwechselwirkungen in Verbindung mit CYP450 sind nicht zu erwarten. Andere mit Myopathie assoziierte Medikationen sollten während der Behandlung mit Daptomycin möglichst vorübergehend abgesetzt werden. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die die renale Filtration vermindern (z. B. NSAIDs und COX-2-Hemmer), können die Plasmaspiegel erhöht sein; bei einer parallelen Anwendung von Daptomycin mit anderen Arzneimitteln, welche die renale Filtration vermindern, ist vorsichtig vorzugehen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:

Die Anwendung bei Patienten mit gleichzeitiger Bakteriämie wird nicht empfohlen. Daptomycin ist in der Behandlung von Pneumonien nicht wirksam. Während der Therapie mit Daptomycin wurde über Anstiege der Kreatinphosphokinase-Werte im Plasma berichtet, die mit Muskelschmerzen oder Muskelschwäche sowie Fällen von Myositis, Myoglobinämie und Rhabdomyolyse assoziiert waren; daher wird empfohlen, dass die Plasma-CPK-Werte während der Therapie bei allen Patienten zu Behandlungsbeginn und anschließend in regelmäßigen Abständen (mindestens einmal wöchentlich) gemessen werden. Kommt es während der Therapie mit Daptomycin zu Zeichen und Symptomen, die auf eine periphere Neuropathie hindeuten könnten, sollte eine Untersuchung erfolgen und ein Absetzen von Daptomycin erwogen werden. Schwere Niereninsuffizienz kann für eine Erhöhung der Daptomycin-Spiegel prädisponieren, die wiederum das Myopathie-Risiko steigern kann. Im Fall von Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von <30 ml/min ist eine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit einer leichten Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 80 ml/min) ist Vorsicht geboten; eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion wird außerdem empfohlen, wenn gleichzeitig potenziell nephrotoxische Wirkstoffe angewendet werden.

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