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Arzneimittel und Therapie
Restless-Legs-Syndrom: Pramipexol gegen unruhige Beine
Die Beschwerden treten vor allem abends und nachts auf: Ziehen und Brennen in den Beinen, ein nicht kontrollierbarer Drang die Beine zu bewegen, häufiges Aufstehen und Umhergehen kennzeichnen die Situation von Patienten mit einem Restless-Legs-Syndrom (RLS). Die nächtliche Unruhe in den Beinen, selten auch in den Armen, zieht Ein- und Durchschlafschwierigkeiten nach sich, die die Patienten tagsüber erschöpft, müde und unkonzentriert machen.
Vier klinische Kriterien sichern die Diagnose
RLS ist eine klinische Diagnose, wegweisend ist die Anamnese. Und die ist vergleichsweise einfach. Treffen folgende vier klinischen Diagnosekriterien zu, gilt RLS als gesichert.
- Bewegungsdrang der Beine, begleitet von einem unangenehmen Gefühl, selten sind auch die Arme oder andere Körperregionen betroffen.
- Die Symptome beginnen oder verschlechtern sich im Ruhezustand.
- Die Symptome bessern sich teilweise oder vollständig durch Bewegung, zumindest solange die körperliche Aktivität andauert.
- Die Beschwerden sind am Abend oder nachts schlimmer als während des Tages.
Mögliche Differenzialdiagnosen sind unter anderem die Polyneuropathie, nächtliche Beinkrämpfe oder auch ein Nervenwurzelreizsyndrom. Am häufigsten wird RLS aber mit einer Venenerkrankung verwechselt und entsprechend falsch behandelt.
Dopaminerge Therapie als Regime der Wahl
Therapie der Wahl beim Restless-Legs-Syndrom ist die Gabe von L-Dopa oder einem Dopaminagonisten. RLS ist zwar keine Dopaminmangelkrankheit wie der Morbus Parkinson. Das gute Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie legt jedoch eine Störung des dopaminergen Systems nahe, die im einzelnen noch nicht geklärt ist.
Intermittierend auftretendes Restless-Legs-Syndrom ist für die meisten Patienten unproblematisch und nicht therapiepflichtig. Behandelt werden sollten Patienten mit ausgeprägtem Leidensdruck, häufigen oder täglichen Beschwerden sowie Ein- und Durchschlafstörungen, die dauerhaft zu Tagesmüdigkeit führen. Bislang stand lediglich L-Dopa/Benserazid für die RLS-Therapie zur Verfügung. Es gilt als indiziert bei geringgradiger Symptomatik sowie als Bedarfsmedikation bei störenden intermittierenden Beschwerden. Bei stärkeren Beschwerden ist es dagegen oft nicht wirksam, die Wirkdauer durch die kurze Halbwertszeit limitiert. Als besonderes Problem gilt die Augmentation (paradoxe Zunahme der RLS-Symptomatik) insbesondere in höheren Dosen, mit einer zeitlichen Vorverlagerung der Symptomatik, einer Symptomverstärkung und einem Befall anderer Körperteile. Deshalb sollte so niedrig wie möglich dosiert werden.
Indikation erweitert: Pramipexol auch bei RLS
Seit kurzem steht mit Pramipexol (Sifrol®) der erste Dopaminagonist für die Therapie des Restless-Legs-Syndroms zur Verfügung. Pramipexol ist ein Dopaminagonist, der mit hoher Selektivität und Spezifität an Dopaminrezeptoren der D2-Subfamilie, hier bevorzugt an die D3-Rezeptoren, bindet. Pramipexol besitzt eine volle intrinsische Wirksamkeit und verringert die motorischen Störungen des Parkinsonismus durch Stimulierung der Dopaminrezeptoren im Corpus striatum. Tierversuche zeigten, dass Pramipexol die Synthese, Freigabe und den Turnover des Dopamins hemmt. Der Wirkmechanismus von Pramipexol bei der Behandlung des Restless-Legs-Syndroms ist unbekannt. Es liegen neuropharmakologische Hinweise auf eine primäre Einbeziehung des dopaminergen Systems vor.
Untersucht wurde Pramipexol in vier kontrollierten klinischen Studien mit insgesamt 1022 RLS-Patienten in Europa und in den USA. Sie belegen die Kurz- und Langzeitwirksamkeit von Pramipexol bei Patienten mit schwerem Restless-Legs-Syndrom. Auch die Zufriedenheit des Patienten mit der Schlafqualität und mit ihrer Lebensqualität verbesserte sich unter dem Dopaminagonisten. Pramipexol wird dabei in sehr viel niedrigeren Tagesdosen als in der Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt mit einer zugelassenen Höchstdosis von 0,54 mg Pramipexol (Höchstdosis für Morbus Parkinson: 3,3 mg). In der für die Zulassung entscheidenden US-Studie über zwölf Wochen kam es unter Pramipexol (n = 354) zu einer im Vergleich zu Placebo (n = 85) signifikanten Reduktion der Beschwerden.
Hohe Response auf niedrige Dosen
Besonders interessant: 88% der Responder-Patienten sprachen bereits auf Pramipexol-Tagesdosen von 0,35 mg oder niedriger an mit einer Verbesserung des Gesamtscores um mindestens 50%. Damit profitiert die ganz überwiegende Mehrheit der RLS-Patienten von Pramipexol in der zugelassenen Dosis. Beide Studien dokumentieren darüber hinaus einen deutlichen Vorteil für den Patienten bereits in Dosen von 0,088 mg Pramipexol. Schon nach einer Woche fühlten sich 42% der Patienten beziehungsweise 31% der Patienten "viel besser" oder "sehr viel besser" (Placebo: 14% bzw. 7%). Es wird deshalb empfohlen, Pramipexol langsam aufzutitrieren um die optimale individuelle Dosis zu –finden. Die empfohlene Initialdosis liegt bei 0,088 mg Pramipexol.
Verschlechterung nach Absetzen
Wird Pramipexol abgesetzt, kommt es rasch zu einem Verlust an Wirksamkeit. Dies zeigte eine Studie (n = 150), bei der bei einem Teil der Patienten nach 26-wöchiger offener Therapie der Dopaminagonist doppelblind und randomisiert durch Placebo ersetzt wurde. Während sich unter Placebo 62% der Patienten verschlechterten, war dies unter fortgesetzter Pramipexolgabe nur bei 13% der Fall. Die Verträglichkeit wird als gut bewertet. Häufigste Nebenwirkung war Übelkeit (16% versus 5%), die jedoch im Laufe der Therapie zurückgeht.
Pramipexol wird einmal täglich etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen, nüchtern oder mit einer Mahlzeit. Schlägt die Therapie mit einem Dopaminagonisten fehl, bleiben Opioide als letzte Option.
Apothekerin Dr. Beate Fessler
Vor Beginn einer medikamentösen dopaminergen Therapie muss abgeklärt werden, ob sekundäre Ursachen für das Beschwerdebild vorliegen. So entwickeln bis zu 40% der Dialysepatienten ein RLS und etwa ein Drittel der Schwangeren im letzten Trimenon. Häufig ist auch eine Eisenmangelanämie die Ursache. Immerhin 60% der Patienten mit zu niedrigen Eisenspiegeln entwickeln RLS-Sym–ptome. Auch niedrig normale Ferritinwerte können RLS auslösen oder verstärken.
"Die Patienten müssen sich mit dem Partner RLS zusammenraufen. " Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, Marburg
Darüber klagen RLS-Patienten:
- Ich kann nicht schlafen.
- Ich habe Beinkrämpfe.
- Meine Beine sind unruhig.
- Unbehagen in den Beinen zwingt mich aufzustehen.
Das sollten Sie fragen:
- Haben Sie Missempfindungen und müssen Sie sich bewegen?
- Sind die Beschwerden im Ruhezustand schlimmer?
- Werden sie durch Bewegung besser?
- Sind die Beschwerden nachts schlimmer als tagsüber?
Weit verbreitet, chronisch und gut therapierbar
Wird die Diagnose Restless-Legs-Syndrom (RLS) gestellt, sollte der Patient Folgendes wissen:
- RLS ist nicht heilbar, aber gut behandelbar.
- RLS verläuft fluktuierend progredient und erfordert ab einem gewissen Stadium eine regelmäßige Medikamenteneinnahme, die der Progression angepasst werden muss. Der Langzeitverlauf bei intermittierend auftretendem RLS wird noch untersucht.
- RLS zieht keine gravierenderen Erkrankungen nach sich. Insbesondere ist das Risiko für einen Morbus Parkinson nicht erhöht.
- RLS schränkt die Lebenserwartung nicht ein.
- zur symptomatischen Behandlung des idiopathischen Morbus Parkinson, allein (ohne Levodopa) oder in Kombination mit Levodopa, d. h. während des gesamten Krankheitsverlaufs bis hin zum fortgeschrittenen Stadium, in dem die Wirkung von Levodopa nachlässt oder unregelmäßig wird und Schwankungen der therapeutischen Wirkung auftreten sowie
- zur symptomatischen Behandlung des mittelgradigen bis schweren idiopathischen Restless-Legs-Syndroms in Dosierungen bis zu 0,54 mg der Base
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