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Absolute Sicherheit gibt es nicht (Außenansicht)

"Bei Großveranstaltungen gibt es keine absolute Sicherheit", sagte der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch kürzlich vor der Presse, die nach dem Amoklauf in Berlin etwas über die Sicherheit der Besucher in den WM-Stadien und an den Standorten mit Großbildleinwänden von ihm wissen wollte. Auch Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Wolfgang Schäuble, der zuständige Minister, sagen: "Es kann keine Garantie für absolute –Sicherheit geben."

Die gleiche Frage nach Sicherheit hätte man auch aus anderen Anlässen stellen können, zum Beispiel dem Geschäftsführer von TeGenero nach dem Arzneimittelzwischenfall mit TGN1412 bei einer klinischen Phase-I-Studie, oder Herrn Seehofer während des Grassierens der Vogelgrippe bei Tieren. Sie hätten – wie es auch Herr Beckstein anlässlich des Papstbesuchs in Bayern tun wird – geantwortet: "Absolute Sicherheit gibt es nicht." Nun sollten wir es eigentlich alle wissen.

Sicherheit ist subjektiv

Aber was ist das eigentlich: Sicherheit? Unter dem Begriff wird die subjektive Gewißheit verstanden, vor möglichen Gefahren geschützt zu sein: Sicherheit ist eine genügend gebannte Gefahr. Je weniger gefährlich eine Sache ist, umso sicherer ist sie.

Früher erweckte das Wort Sicherheit Vertrauen, weswegen es im allgemeinen Sprachgebrauch auch gerne zur Bewertung von Gefahren herangezogen wurde. Die Verwendung von elektrischem Strom im Haus oder von Benzin im Auto galt als sicher, ohne dass damit die Annahme verbunden war, sie seien völlig gefahrlos. Je sicherer Technik aber wurde, umso mehr wurde unter Sicherheit eine absolute Sicherheit verstanden, also höchste Erwartungen mit dem Begriff verbunden.

Überzogene Erwartungen?

Dies gilt besonders für den Gesundheitsbereich. Von Arzneimitteln erwartet der Bürger, dass sie sicher sind. Während die amerikanische Kontrollbehörde FDA noch verlangt, Medikamente müssten safe sein, drückt sich unser Arzneimittelgesetz schon vorsichtiger aus und spricht von unbedenklich, was dem allgemeinen Sprachverständnis nach das gleiche (aber nicht etwa unschädlich!) bedeutet. Die Schweden haben den Sicherheitsbegriff vernünftigerweise relativiert und sprechen von Graden von Sicherheit (degrees of safety), was ausdrückt, dass man sich Sicherheit nur nähern, sie aber nie erreichen kann.

Lieber vorbeugen

Das Wort Sicherheit ist heute veraltet und hat seine Nützlichkeit weitgehend verloren, nicht nur angesichts einer immer schwerer durchschaubaren technischen Welt, sondern auch angesichts unserer ständig zunehmenden Kenntnisse über die Komplexität des Menschen und seiner natürlichen Umwelt.

Je sicherer ein technisches System nun ist, umso sorgloser geht der Mensch mit ihm um. Deshalb gilt bei Sicherheitsexperten und im Risikomanagement schon immer der Grundsatz, dass es kosteneffizienter und wirksamer ist zu versuchen, Risiken zu vermeiden, statt sie zu beherrschen, so wie es besser ist, Krankheiten zu vermeiden, statt sie zu behandeln. Wie bei allen risikoreduzierenden Maßnahmen aber ist der Erfolg eine Funktion des Aufwands.

Sicherheitstechnische Erkenntnisse und Erfahrungen verlieren stark an Wert, wenn es sich um politisch motivierte oder religiös fanatisierte Täter handelt, die sich selbst ja nicht als Kriminelle sehen und je nach Misserfolg oder Erfolg zu Märtyrern oder Helden werden. Das ist keine neue Erkenntnis. Keiner Art von Fanatismus kann mit technischen Mitteln begegnet werden. Selbst mit noch so raffinierten Sicherheitstechniken und noch so vielen Kontrollen können von Fanatismus geleitete Anschläge letztlich verhindert werden.

Und wenn ein Fanatiker sogar sein eigenes Leben zu opfern bereit ist, entzieht er sich jeglichen auf Logik und psycho–logischen Erfahrungen aufbauenden Abwehrmaßnahmen. Aber auch dies ist nicht neu.

Wie viel wollen wir investieren?

Genau genommen gibt es keine von Menschen ersonnene Sicherheitsvorkehrung, die nicht von anderen Menschen überwunden werden könnte. Und es wird eine solche auch nie geben.

Stellen wir also nicht immer die Frage nach der absoluten Sicherheit. Es gibt sie nicht. Der 11. September 2001 hätte uns doch allen endgültig klar machen müssen, was man schon lange weiß: Man kann Risiken nur reduzieren, sie aber nicht völlig eliminieren.

Die Frage an uns kann also nicht lauten: "Wollen wir mehr Sicherheit?", denn die wollen wir alle, sondern sie muss heißen: "Wie viel finanzielle Belastung und Entzug persönlicher Freiheiten sind wir für mehr Sicherheit zu tragen bereit?"

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