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- DAZ 27/2006
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Fortbildung
Purine und ihre Analoga als Rezeptorliganden
Bei den Purinrezeptoren unterscheidet man
- Nucleosidrezeptoren (P1-Rezeptoren) oder Adenosinrezeptoren (A Rezeptoren), von denen die vier Subtypen A1, A2A, A2B, und A3 bekannt sind, und
- Nucleotidrezeptoren (P2-Rezeptoren), die in die Hauptgruppen P2X und P2Y mit jeweils vielen Subtypen unterteilt werden.
P1 und P2Y sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, während P2X Ligand-gesteuerte Ionenkanäle sind.
Adenosinrezeptoren Bertil B. Fredholm, Stockholm, referierte über das Targeting von Adenosinrezeptoren.
- Die Aktivierung des A1-Rezeptors verhindert epileptische Anfälle, schützt das Herz und wirkt analgetisch. Außerdem reguliert der A1-Rezeptor die Freisetzung exzitatorischer Transmitter.
- Der A2A-Rezeptor ist ein Angriffspunkt zur Behandlung von Morbus Parkinson und Schlaganfall.
- A2A- und A2B-Rezeptoren sind auf Immunzellen vorhanden und regulieren dort die Freisetzung von Zytokinen, beeinflussen also das Entzündungsgeschehen. Dabei können die Rezeptorsubtypen gegensätzliche Effekte induzieren.
Adenosin und Sucht Ivan Diamond, Palo Alto, CA, vertrat in seinem Vortrag die Hypothese, dass möglicherweise bei allen Suchtstoffen die Erhöhung der extrazellulären Adenosin-Konzentration eine wichtige Rolle spielt. So erhöht Alkohol durch Hemmung von Adenosin-Transportern die Adenosin-Konzentration im Nucleus accumbens und aktiviert dadurch A2A-Rezeptoren. Diamond schlug daher A2A-Antagonisten zur Behandlung von Alkoholismus und eventuell auch von anderen Sucht–erkrankungen vor.
Coffein als Arzneistoff Coffein ist ein unspezifischer Adenosinrezeptor-Antagonist und hat gesundheitsrelevante Wirkungen:
- Es wirkt neuroprotektiv bei Morbus Parkinson und Alzheimer.
- Es senkt das Risiko, an Leberzirrhose oder Leberkrebs zu erkranken.
- Es erhöht den Blutdruck und steigert die Ausschüttung von Cortisol bei Risikopatienten stärker und lang anhaltender als bei Gesunden; dabei verursacht es keine Toleranzentwicklung (William R. Lovallo, Oklahoma City).
- Es verstärkt die Wirkung von Analgetika, nicht nur weil es deren Resorption beschleunigt, sondern auch weil es durch die Aktivierung von A1 Rezeptoren selbst einen schmerzlindernden Effekt hat (Astrid Nehlig, Straßburg).
Im Tiermodell wirkt Coffein in sehr hohen Dosen angstauslösend, was vermutlich die A1-Rezeptoren, möglicherweise auch die A2A-Rezeptoren vermitteln (Malika El Yacoubi und Jean-Marie Vaugeois, Rouen).
Klinische Studien mit Adenosinrezeptor-Liganden Es ist bereits eine große Anzahl selektiver Adenosinrezeptor-Liganden synthetisiert worden, die sich in der klinischen Prüfung befinden. Bruce N. Cronstein, New York, gab einen Überblick:
- A1-Agonisten bei supraventrikulärer Tachykardie,
- A1-Antagonisten bei Herzinsuffizienz,
- A1-Enhancer, die die extrazelluläre Adenosin-Konzentration erhöhen und A2A-Rezeptoren aktivieren, bei neuropathischen Schmerzen. (Bereits zugelassene A1-Enhancer sind Methotrexat und Sufasalazin.)
- A2A-Agonisten für Stresstests (Asthma) sowie zur Koronarvasodilatation, Wundheilung und gegen Ulzerationen.
- A2A-Antagonisten bei Morbus Parkinson; Istradefylline (KW-6002, Kyowa Pharmaceutical) befindet sich bereits in Phase III der klinischen Prüfung, und seine Zulassung in den USA soll noch in diesem Jahr beantragt werden.
- A2B-Antagonisten bei Asthma.
- A3-Agonisten bei Krebs und rheumatoider Arthritis.
A1-Agonisten gegen Diabetes Luiz Belardinelli, Palo Alto, CA, stellte den partiellen A1-Agonisten CVT-3619 (CV Therapeutics) als interessante Substanz zur Behandlung des metabolischen Syndroms vor. Wegen der weiten Verbreitung des A1-Rezeptors im Körper sind gezielte Manipulationen an einzelnen Geweben nur mit partiellen A1-Agonisten möglich. CVT-3619 hemmt in submaximalen Konzentrationen die Lipolyse in Adipozyten, ohne dass es zugleich unerwünschte Wirkungen am Herzen (Bradykardie und verminderte Überleitungsgeschwindigkeit) verursacht. Wahrscheinlich steigert es auch die Insulinsensitivität, was beim metabolischen Syndrom (und Diabetes Typ 1) ebenfalls erwünscht ist. Die Substanz ist oral bioverfügbar.
ATP als Neurotransmitter Der Nestor der Purin-Forschung, Geoffrey ("Jeff") Burnstock, London, gab einen Abriss zum Konzept des purinergen Signalsystems. Purine und deren Nucleotide (ATP, ADP, UTP, UDP) sind wichtige Signalmoleküle, die eine Vielzahl biologischer Effekte an verschiedenen Orga–nen hervorrufen. ATP ist nicht nur ein Energiespeicher, DNA/RNA-Baustein und Substrat verschiedener Enzyme, sondern wird seit 1978 als eigenständiger Neurotransmitter anerkannt, der nach neuen Befunden auch eine wesentliche Rolle bei regenerativen Prozessen spielt.
Der Höhepunkt des Kongresses war die Burnstock Lecture, die Dr. Herbert Zimmermann, Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaften, Frankfurt/Main, zum Thema "Versatile messengers in the brain: Nucleotide storage, signalling and hydrolysis" hielt. Die Purinnucleotide interagieren auf vielfältige Weise mit anderen zellulären Botenstoffen sowie mit Wachstumsfaktoren. Sie spielen auch bei der embryonalen Neurogenese eine Rolle, deren Erforschung sich erst in der Anfangsphase befindet. Im extrazellulären Raum regulieren Ectonucleotidasen (Nucleotidmetabolisierende Enzyme) die Neurotransmission und die Interaktion zwischen den Neuronen und der Glia, dem Bindegewebe des –Gehirns.
Kompetitive P2Y12-Antagonisten Bisher sind nur wenige selektive Liganden der Nucleotidrezeptoren bekannt. Interessante Neuentwicklungen auf diesem Gebiet sind kompetitive P2Y12-Antagonisten; der P2Y12-Rezeptor kommt auf Thrombozyten vor, und seine Blockade wirkt antithrombotisch – dies ist auch das Wirkprinzip von Clopidogrel. Selektive Ectonucleotidase-Inhibitoren befinden sich ebenfalls in der Arzneistoffentwicklung.
Im Jahr 2008 wird Kopenhagen das nächste International Sympo–sium on Adenosine and Adenine Nucleotides ausrichten. cae
Purine und ihre Analoga spielen durch ihre Bindung an Nucleosid- und Nucleotidrezeptoren eine wichtige Rolle im Organismus. Mehrere spezifische und partielle Liganden werden derzeit klinisch geprüft. Ihre Indi–kationen reichen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Asthma, rheumatoide Arthritis und Krebs bis zu neurodege–nerativen Erkrankungen. Istradefylline, das bei Morbus Parkinson wirksam ist, befindet sich bereits in Phase III der klinischen Prüfung. Ergebnisse der Grundlagenforschung und Klinik wurden auf einem –internationalen Symposium in Ferrara vorgestellt.
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