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- DAZ 28/2006
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Die Seite 3
Die Freude über Deutschland im positiven Ausnahmezustand klingt nach dem Ende der Fußball-Weltmeisterschaft nun langsam ab. Reibt man sich die Augen und blickt in den nüchternen Apothekeralltag, muss man feststellen, dass sich dunkle Wolken über der Apothekenlandschaft zeigen. Ein explosives Gemisch braut sich zusammen. Man mag nicht glauben, dass dies alles zufällig passiert. Kräfte in Politik und Wirtschaft ziehen derzeit die Apotheke in Richtung mehr Marktwirtschaft, Preiswettbewerb und Liberalität – für die Apothekenstruktur heutiger Prägung bedeutet dies schlichtweg das Aus. Stehen wir vor der Apokalypse?
Ein Blick ins Ausland, etwa in die USA oder – jüngstes Beispiel – nach Norwegen, sollte genügen, um die Reformer zu überzeugen. Dort sind solche Veränderungen bereits vollzogen. Und nichts ist besser geworden, im Gegenteil. Die von den Politikern und Reformierern gepriesenen Segnungen des Wettbewerbs sind so nicht eingetreten. Die Arzneimittelpreise sind zum Teil höher, die Apothekenlandschaft dünnt sich aus, fürs Gesundheitswesen gibt es keine nennenswerten Einsparungen – aber: man hat ein System zerschlagen.
Ähnliches bahnt sich in Deutschland unübersehbar an. Es lässt sich nicht mehr unter dem Teppich halten, weggucken hilft nicht mehr. Die Zutaten zur hochexplosiven Mischung:
- Die Eckpunkte der Gesundheitsreform – sie sind noch kein Gesetz, zeigen aber die Richtung, in die es geht, und die heißt: der Apotheker ist Kaufmann, der mit der Industrie Preise aushandeln muss, andernfalls werden ihm 500 Millionen über eine Erhöhung des Kassenrabatts abgeknöpft. Es steht nicht mehr die pharmazeutische Aufgabe im Vordergrund, sondern die kaufmännische.
- Die Eckpunkte plädieren außerdem fürs Auseinzeln, für den Einsatz von Bulkware. Das würde letztlich die Verblisterer unterstützen – ein Modellprojekt läuft bekanntlich bereits – natürlich im Wilden Westen, dem Saarland.
- Ein Votum der Monopolkommission liegt vor, das nachhaltig empfiehlt, nun endlich Apothekenketten und den Fremdbesitz zuzulassen. Außerdem sollen OTC-Arzneimittel zum Verkauf in Super- und Drogeriemärkten zugelassen werden und auch in Apotheken in die Selbstbedienungszone wandern. Berufsspezifische Werberegeln sollen fallen, Apotheken sollen beispielsweise in Kaufhäuser integriert werden – ohne Abtrennung durch Wände. Nicht zuletzt soll der Zugang zum Beruf des Apothekers in Zukunft auch über ein Fachhochschulstudium möglich sein. Auch diese Richtung der Monopolkommission deutet darauf hin, dass es Kräfte gibt, den Apothekerberuf zu degradieren: Man will ihn auf eine ökonomische Stufe ziehen in Richtung Kaufmann. Die Rolle des Heilberuflers soll nicht mehr im Vordergrund stehen. Der Apotheker soll Arzneimittel billigst einkaufen und sie kostengünstigst über Ketten mit Spielregeln des Wettbewerbs distribuieren.
- DocMorris erhielt vom Ministerium des Saarlandes die Genehmigung, eine Apotheke in Saarbrücken zu eröffnen – ein eindeutiger Verstoß gegen geltendes Gesetz in Deutschland (siehe auch den Meinungsbeitrag in dieser Ausgabe auf Seite 25). Hier bricht ein Ministerium wissentlich Recht, um Fakten zu schaffen. Meine Vermutung: Hier wird ein Gerichtsverfahren provoziert in der Hoffnung, dass das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall gebracht wird.
- Auch in Italien gibt es Bestrebungen, OTC-Arzneimittel für den Verkauf in Supermärkten freizugeben. Hinzu kommt, dass die Europäische Kommission das italienische Fremd- und Mehrbesitzverbot unter Beschuss hat, weil es gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße.
- Gewürzt wird dieses explosive Gemisch durch Artikel wie den in der letzten "Welt am Sonntag". Unter der Überschrift "Die Unreformierbaren" wirft er dem deutschen Apothekenwesen "eine bizarre Gemengelage aus freiberuflichem Stolz und individuellem Profitstreben, staatlicher Gängelung und Alimentierung" vor. Der Beitrag beklagt den fehlenden Preiswettbewerb in der Branche. Und er sagt dem staunenden Leser, dass "ein Apotheker in guter Lage im Jahr locker vier bis fünf Millionen umsetzt und mit einer Million nach Hause geht". Dürfen solche Falschaussagen ungestraft verbreitet werden? Sie heizen die Stimmung gegen die Apotheker an und erzeugen Neid. Es scheint gewollt zu sein.
Mir kommt es so vor, als wolle man mit Hilfe von Rechtsbrüchen, zweifelhaften Expertenmeinungen, bestellten Rechtsgutachten und lancierten Presseberichten ein neues, den Krankenkassen passendes System schaffen. ABDA, sei wachsam!
Peter Ditzel
Explosives Gemisch
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