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Die Ärzte proben den Aufstand. Mit eintägigen Praxisschließungen ("Tag der Ärzte") zeigen sie der Politik, dass sie nicht gewillt sind, alles hinzunehmen, was am grünen Tisch in Berlin beschlossen wird. Diese Muskelspiele sollen nur der Anfang sein einer möglicherweise monatelangen Protestwelle, wie Jörg-Dietrich Hoppe, der Präsident der Bundesärztekammer, in der vergangenen Woche drohte. Der Frust unter den Ärzten sei riesengroß, jede sechste Praxis stecke in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und stehe deswegen unter Bankkuratel, ließ er die Öffentlichkeit wissen. Die Ärzte kommen nicht mehr mit ihren Budgets zu Rande, die Arzthonorare müssten um sieben Milliarden Euro aufgestockt werden.

Heftigst kritisiert der Kammerpräsident die Bonus-Malus-Regelung, die das geplante Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) einführen will. Unumwunden gibt er zu, dass Ärzte durch eine solche Regelung korrumpiert würden. Wer überdurchschnittlich viel verordnet, wird finanziell bestraft, wer sparsam verschreibt, wird mit einem Bonus belohnt. Kein Wunder, wenn Patienten ihren Arzt verdächtigen, er handle aus finanziellen Eigeninteressen.

Eine der Hauptforderungen der Ärzte - neben einer Aufstockung der Honorierung - ist die Eindämmung der mittlerweile stark ausufernden Bürokratie in den Arztpraxen. Rund 40 Prozent seiner Arbeitszeit muss laut Hoppe ein Arzt für Verwaltungsarbeiten aufwenden. Die Frankfurter Sonntagszeitung befragte dazu einige niedergelassene Ärzte. Die Antwort unisono: zu viel Bürokratie, zu wenig Honorar. Auch unter den Nachwuchsärzten scheint sich das herumzusprechen. Immer weniger Studienabgänger sind bereit, sich in die Bürokratie-Mühle einer Arztpraxis zu begeben (im Jahr 2003 waren es bereits fast ein Viertel weniger als 1998). Immer mehr ziehen es vor, nach dem Studium in die Pharmaindustrie, in die Verwaltung zu gehen oder eine Tätigkeit im Ausland anzunehmen.

Diese Klagen und Frustgefühle sind sicher nicht aus der Luft gegriffen. Wer Ärzte kennt und sich mit ihnen über ihren Alltag austauscht, wird viel von dem bestätigt bekommen. Andererseits, ganz so desolat scheint die Ärztesituation in Deutschland nicht zu sein - glaubt man einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums, das aufgrund der Ärzteproteste flugs eine kleine Dokumentation über die Honorarsituation, die Arbeitszeiten und die Entwicklung der Ärztezahlen zusammengestellt hat. Daraus geht hervor, dass im Bundesdurchschnitt und über alle Arztgruppen ein Arzt nach Abzug seiner Praxiskosten Bruttoeinnahmen von rund 85.000 Euro hatte - die Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten noch nicht hinzugerechnet (im Westen kommen hier beispielsweise nochmals zwischen 16 und 33 Prozent dazu). Wenn ich mich recht erinnere, schaffen die Apothekenleiter diese durchschnittliche Einkommenshöhe nicht.

Was mich immer wieder in Staunen versetzt: wie gut es doch die Ärztefunktionäre schaffen, die Sorgen ihrer Klientel in die Öffentlichkeit zu bringen. So findet sogar das Stöhnen der Ärzte darüber, dass sie sich aufgrund der elektronischen Gesundheitskarte eine neue EDV-Anlage anschaffen müssen, Eingang in Tageszeitungen. Über die hohen Kosten einer Apotheken-EDV habe ich bisher noch nichts in einer Tageszeitung gelesen.

Anrufe, Mails und Leserbriefe machen uns deutlich, dass Befürchtungen und Ängste um die Zukunft der eigenen Apotheke größer sind als gemeinhin in der Öffentlichkeit ankommt. Auch wenn die Rabatte auf OTC-Arzneimittel - nach den Klarstellungen aus dem Ministerium - nun auch weiterhin maßvoll gewährt werden dürfen, werden uns auch andere Maßnahmen des AVWG spürbar belasten. Mehr Bürokratie - auch darunter haben wir - wie die Ärzte - heute schon zu leiden, das macht den Apothekenalltag nicht gerade einfacher.

Überhaupt nehmen sich die Proteste der Apotheker gegen das AVWG noch gemäßigt aus. Auf einer Informationsveranstaltung des Apothekerverbands Nordrhein brodelte es zwar, zu drastischen Aktionen wollte man sich aber nicht entschließen. Eine dort verabschiedete Resolution ließ wissen, dass man die geplanten Änderungen bei den Festbeträgen, den Einkaufsrabatten, beim Inkasso der Rabatte zwischen Herstellern und Krankenkassen ablehne. Ob der Protest bei den Politikern Gehör findet?

Wir sollten mit mehr Selbstbewusstsein auf die Politik zugehen und den Wert der Apotheke fürs Gesundheitswesen, für die Sicherheit der Arzneimittelversorgung herausstellen. Unsere Serie in der DAZ hat gezeigt, welcher Schaden durch die Aufmerksamkeit von Apothekerinnen und Apothekern täglich verhindert wird. Die deutsche Apotheke wurde in den letzten Jahren immer besser, erbringt immer mehr Leistungen für weniger Geld. Wir sind unseren Preis wert. Und nicht zu vergessen: Wir haben im letzten Jahr auf gut 400 Millionen Euro verzichtet - wo bleibt der Dank?

Stattdessen fordern Apothekenkritiker das Wegsparen von 6000 Apotheken, und das Gesundheitsministerium will unsere wirtschaftliche Basis durch Abschaffung von Rabatten weiter schwächen... Da könnte uns ein bisschen mehr "Hoppe" nicht schaden.

Peter Ditzel

Ein bisschen mehr "Hoppe"...

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