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Selbstmedikation
Ch. WeberIschiasschmerzen – Kunden den Rücken
Der Begriff "Ischialgie" wird häufig als Sammelbegriff für Nervenschmerzen im Bereich von Gesäß und Beinen verwendet. Streng genommen ist die Ischialgie aber definiert durch ausstrahlende Schmerzen, die im Versorgungsgebiet des Ischiasnerven (Nervus ischiadicus) auftreten. Dabei müssen die Beschwerden nicht den gesamten Nervenverlauf betreffen, sondern können auch auf einzelne Abschnitte beschränkt sein.
Ort des Geschehens
Die physiologische Funktion des Ischiasnerv besteht in der Weiterleitung von sensorischen Empfindungen aus den Beinen ins Rückenmark sowie von motorischen Befehlen aus dem Gehirn über das Rückenmark an die Beinmuskulatur. Wie alle peripheren Nerven setzt sich der N. ischiadicus aus zahlreichen Nervenwurzeln zusammen, die das Rückenmark auf mehreren Ebenen durch kleine seitliche Öffnungen (Foramina) verlassen und sich zu einem Plexus verweben. Aus diesem Nervengeflecht bildet sich im Bereich der Lendenwirbelsäule neben anderen Nerven der eigentliche Ischiasnerv. Er zieht beiderseits über die Gesäßmuskulatur und die Oberschenkelrückseiten hinweg bis in die Kniekehlen, wo er sich in mehrere Nervenäste verzweigt, die dann die Füße versorgen.
Vielfältige Ursachen
Die Ischialgie an sich ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, hinter dem sich eine ganze Reihe von Auslösern verbergen kann. In der Regel liegt der Ischialgie eine Irritation oder Verletzung des N. ischiadicus bzw. seiner Ausläufer zugrunde. Meist sind hierfür muskuläre Verspannungen oder degenerative Veränderungen der unteren lumbalen Bandscheiben verantwortlich. Doch auch raumfordernde Veränderungen wie z.B. Bandscheibenvorwölbung oder -prolaps, Wirbelfrakturen, Stenosen bis hin zu Rückenmarkstumoren können dahinter stecken. Infektionskrankheiten mit Nervenbeteiligung (z.B. Borreliose, Zoster), Operationsfolgen, falsch gesetzte Spritzen oder Varizen in der Rückenmarkshülle kommen ebenfalls als Auslöser in Frage.
Das Beschwerdebild abklopfen
Wenn Laien in der Apotheke berichten "Ich habe Ischias", muss es sich nicht zwangsläufig um eine echte Ischiasneuralgie handeln. Bevor man in der Beratung mit gut gemeinten Ratschlägen loslegt, gilt es daher, sich ein differenzierteres Bild über die tatsächliche Lage des Schmerzgeplagten zu verschaffen (s. Schema). Mit der Frage "Wie genau äußern sich Ihre Beschwerden?" kann man die Erscheinungen im Hinblick auf die typischen Ischialgiekennzeichen abklopfen: Das Hauptsymptom der Ischialgie ist ein starker, bohrender, schlagartig einsetzender Schmerz, der in die Beugeseite des Oberschenkels und die Unterschenkelaußenseite bis zum Fußrand ausstrahlen kann. Die Frage "Wo genau sitzen Ihre Schmerzen?" ist wichtig, um die gewöhnlich einseitig auftretenden Ischiasschmerzen von anderen Rückenbeschwerden, die sich symmetrisch oder allenfalls seitenbetont äußern, abzugrenzen. Gefühlsstörungen, Ameisenlaufen oder Lähmungen einzelner Muskelgruppen sind ebenfalls charakteristische Ischialgiezeichen. Oft nehmen Ischialgiepatienten unwillkürlich eine gebeugte Schonhaltung mit angewinkeltem Bein und schiefem Oberkörper ein. Ihre Geh- und Belastungsfähigkeit ist beeinträchtigt. Schilderungen wie "meine Beschwerden verstärken sich beim Niesen und Husten", oder "die Schmerzen ziehen seitlich hinten über die Wade runter bis zum großen Zeh" deuten ebenfalls auf eine Ischiasbeteiligung hin.
Die entscheidende Frage
Die wichtigste Frage in der Apotheke an den potenziellen Ischialgiepatienten ist: "Seit wann haben Sie diese Erscheinungen?" Akute Beschwerden, die noch keine 48 Stunden bestehen, können versuchsweise in Eigenregie behandelt werden. In allen anderen Fällen, insbesondere wenn Begleitbeschwerden in Form von Kribbeln, Taubheitsgefühlen in Gesäß, Beinen oder Füßen, oder Bewegungseinschränkungen vorliegen, muss sich der Patient umgehend beim Arzt vorstellen. Auch für Schwangere oder Jugendliche (unter 18 Jahren) mit derartigen Beschwerden ist in der Selbstmedikation kein Platz. Sind die Ischiasschmerzen schon häufiger aufgetreten oder halten sie bereits länger als zwei Tage an, dürfen nur dann selbstmedikamentöse Maßnahmen ergriffen werden, wenn ein Arzt zuvor "grünes Licht" dafür gegeben hat.
Womit kann man im HV helfen?
Ist eine Selbstmedikation im aktuellen Fall möglich, stellt sich die Frage nach wirksamen OTC-Präparaten. Deren Ziel ist neben der Schmerzlinderung auch die Durchbrechung des Circulus vitiosus Reiz - Ischiasschmerzen - Muskelverspannung - neue Schmerzen, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Außerdem sollen damit Gewebsödeme rascher zum Abschwellen gebracht werden. Hierzu dienen in der Selbstmedikation in erster Linie nicht-steroidale Antirheumatika wie Diclofenac, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Paracetamol. Alle sollten in großzügiger Dosierung und über kurze Zeit konsequent eingenommen werden - also nicht erst dann, wenn der Schmerz unerträglich geworden ist. Zwar stellen diese Präparate allesamt keine Dauerlösung dar, sie können jedoch dabei helfen, akute Schmerzphasen zu überbrücken. Auch entsprechende Topika (z. B. Diclac® Schmerzgel, Ibutop®, Mobilat® akut HES Gel, Spalt® Schmerzgel, Traumon® Gel, Voltaren® Wirkstoff Pflaster) können dazu beitragen. Als flankierende, antineuralgische Maßnahme werden gelegentlich auch B-Vitamine (z. B. Neuro-ratiopharm® N) empfohlen. Mit Magnesium-Präparaten kann außerdem versucht werden, Ischialgie-bedingten Muskelverspannungen entgegen zu wirken. Auch adjuvant eingesetzte antiphlogistische Enzympräparate (z.B. Phlogenzym®), Komplexhomöopathika (z.B. Traumeel®) oder homöopathische Einzelmittel (siehe Kasten) haben schon manchem Ischiasgeplagten geholfen.
Warm oder kalt?
Bettruhe für wenige (!) Tage wirkt bei starken, akuten Schmerzen oft lindernd. Dabei sollte möglichst die rückenentlastende Stufenlagerung - also Beine im Bett angewinkelt und erhöht ablegen - eingenommen werden. Gerade in der Anfangsphase der Ischialgie können Kälteanwendungen (kühle Essigsaure-Tonerde-Umschläge, kühle Gelkompressen, Franzbranntwein) die Beschwerden bessern. Viele Patienten empfinden allerdings Wärmeapplikation (Rotlicht, Fango-Packungen, Wärmekompressen, Bäder) als angenehmer. Hierzu kann man auch durchwärmende Salben mit Benzylnicotinat, Nonivamid, Capsicumextrakt (z.B. Finalgon®, hot Thermo Salbe, Capsamol® Salbe) oder die entsprechenden Pflaster (z.B. Hansaplast® med ABC Wärmepflaster) empfehlen. Bei sämtlichen OTC-Präparaten darf jedoch folgender Abgabehinweis nicht fehlen: "Halten die Beschwerden trotz allem weitere 48 Stunden an, ist eine ärztliche Diagnose und Therapie erforderlich!"
Vorbeugende Maßnahmen
Nach Abklingen der akuten Symptomatik ist die systematische Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur das A und O, um weitere Ischialgieepisoden zu vermeiden. Sinnvoll ist hierfür das Erlernen gezielter Kräftigungs- und Entspannungsübungen durch einen Trainer oder Krankengymnast, die der Patient später selbst zu Hause durchführen kann. Rückenschulen vermitteln außerdem rückengerechtes Alltagsverhalten.
Doch auch in der Apotheke kann man dem Ischialgiegeplagten gleich einige Tipps mit auf den Weg geben, die er sofort und selbstständig im Alltag umsetzen kann:
- wer viel sitzen muss, sollte den Rücken durch regelmäßiges Zurücklehnen, Recken und Strecken entspannen
- Lasten immer gleichmäßig verteilt und körpernah tragen, einseitige Belastung generell vermeiden
- nicht länger als 30 Minuten in ein und derselben Position verharren
- beim Heben stets in die Knie gehen und mit geradem Rücken nach oben kommen
- eventuell vorhandenes Übergewicht ist für den Rücken unnötiger Ballast, der möglichst schnell abgeworfen werden sollte.
Eine Ischialgie ist an sich keine Krankheit, sondern ein Symptom, hinter dem sich viele Auslöser verbergen können. Bevor man in der Beratung mit gut gemeinten Ratschlägen loslegt, gilt es daher, sich ein differenzierteres Bild darüber zu verschaffen. Ziel der Selbstmedikation ist neben der Schmerzlinderung auch die Durchbrechung des Circulus vitiosus Reiz – Ischiasschmerzen – Muskelverspannung – neue Schmerzen, um eine Chronifizierung zu vermeiden.
- Ischialgie: Schmerzen, die im Verlauf oder in Teilbereichen des Nervus ischiadicus auftreten
- Lumbago ("Hexenschuss"): Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule
- Lumboischialgie: Kombination aus Ischialgie und Lumbago
Sportarten für Ischiaspatienten
- günstig: Laufen, Radfahren, Tanzen, Rückenschwimmen, Reiten
- ungünstig: Tennis, Squash, Badminton, Golf, Ski-Alpin, Kanu
- Colocynthis: bei starken Schmerzen im Sitzen, die sich beim Gehen oder durch Wärme bessern
- Gnaphalium: Beschwerden bessern sich im Sitzen, Bewegung und feuchte Kälte verschlechtern die Symptomatik
- Asarum europ.: ziehende, linksseitige Schmerzen, die sich im Liegen bessern und beim Sitzen verschlechtern
- Phytolacca: schießende Schmerzen, Besserung durch Ruhe
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