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- DAZ 30/2006
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Die Seite 3
Noch nie in der über 750-jährigen Geschichte der deutschen Apotheke mussten wir uns eine Frage stellen wie in diesen Tagen: Liegt die deutsche Apotheke in einer Bananenrepublik oder versorgt sie die Bevölkerung eines Rechtsstaates? Noch nie hat ein Minister selbstherrlich die Legislative im Apothekenrecht gespielt und ein Gesetz ignoriert, das er nicht für opportun hält oder weil er der von einem Geheimgutachten untermauerten Privatmeinung ist, dass ein deutsches Gesetz vermeintlich nicht mit dem Europarecht harmoniert. Josef Hecken (CDU), seines Zeichens Minister für saarländische Justiz, Gesundheit und Soziales im Saarland, scheint sich mit Privilegien ausgestattet zu haben. Sein Machthunger, seine Unverfrorenheit haben ihn dazu getrieben, das deutsche Apothekengesetz zu missachten und nach seinem Gutdünken der niederländischen DocMorris AG widerrechtlich die Betriebserlaubnis für eine Apotheke in Saarbrücken zu erteilen.
Ein Minister läuft Amok. Gerüchten zufolge können ihn nicht einmal seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu bringen, mit Vernunft und Besonnenheit Entscheidungen in dieser Sache zu treffen. Stattdessen scheint er mit aller Gewalt, mit allen juristischen Winkelzügen und abenteuerlichen Interpretationen übers Europarecht seine Vorstellungen von Wettbewerb im deutschen Apothekenwesen durchsetzen zu wollen. Selbst die Saarbrücker Staatsanwaltschaft hat Hecken bereits auf seine Linie eingeschworen: Sie musste Strafanzeigen gegen ihren Minister, kaum eingereicht, umgehend abschmettern (siehe den Beitrag in unserer Montagsausgabe).
Gemäß der Devise "quod licet jovi, non licet bovi" mahnt er nun auch die tapferen sieben Pharmazierätinnen und -räte von Saarbrücken ab, die den Minister wissen ließen, dass sie ihre Überwachungstätigkeit solange ruhen lassen, bis im Saarland wieder Recht und Ordnung herrschen und die widerrechtlich betriebene DocMorris-Apotheke geschlossen ist. In einem Schreiben droht der Minister den Pharmazierätinnen und -räten disziplinarrechtliche Maßnahmen an, wenn sie nicht bis zum 27. Juli mitteilen, ihre Aufgaben als Ehrenbeamte wieder aufzunehmen. Ich möchte diesen Pharmazieräten nur zurufen, durchzuhalten. In einem Land, in dem der zuständige Minister das Gesetz bricht, ist es keine Ehre, als Beamter tätig zu sein.
Ein äußerst spannender Termin war am gestrigen Mittwoch, 24. Juli (nach Redaktionsschluss dieser DAZ) im Landgericht von Saarbrücken. Eine Saarbrücker Apothekerin stellte beim Landgericht einen Antrag auf Schließung der Apotheke per Einstweiliger Verfügung. Sie begründete ihren Antrag damit, dass die Zulassung der Apotheke offensichtlich nichtig sei, da sie gegen das deutsche Fremdbesitzverbot verstoße.
DocMorris nutze einen rechtswidrigen Zustand aus und könne deswegen verpflichtet werden, den Betrieb der Apotheke einzustellen. In einer dazu am Montag von DocMorris herausgegebenen Pressemitteilung zeigte sich die niederländische AG unbeeindruckt. Nach Auffassung der Niederländer beachte die Klägerin nicht, dass die europäische Niederlassungsfreiheit dem deutschen Recht vorgehe, heißt es dort. Eine Ansicht, die auch der Minister Hecken vertritt. Nach Auslegung des Europarechts dürfe eine Apotheke aus einem Land der europäischen Gemeinschaft – ganz gleich, welche Rechtsform diese hat – eine Apotheke in einem anderen Land eröffnen, so DocMorris. Das Fremdbesitzverbot dürfe einer Zulassung nicht entgegenstehen. Nach meinem Wissens–stand durfte bisher ein Apotheker (nicht Apotheke) aus einem Land der EU unter bestimmten Bedingungen eine Apotheke in Deutschland eröffnen, sofern er in dieser selbst anwesend ist. Dass es mittlerweile nach EU-Richtlinien erlaubt sein soll, eine Apotheken-Betriebserlaubnis auch an AGs zu erteilen und nicht nur an approbierte Apotheker, kann ich nirgends entdecken – diese Fundstelle muss der Minister erstmal zeigen. Wie die Verhandlung am Mittwoch ausgegangen ist, finden Sie ab heute im Internet unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de.
Hoffentlich geht die Verhandlung besser aus als beim Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 21. Juli. In dem seit dem Jahr 2000 anhängigen Rechtsstreit zwischen DocMorris und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) ging es darum, ob die holländische Versandapotheke auch weiterhin rezeptfreie und verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Deutschland versenden darf. Das Frankfurter Landgericht bejahte dies in seinem Urteil. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Dezember 2003), dass zumindest der Versandhandel mit rezeptfreien Arzneimitteln EU-weit zulässig sein muss.
Deutschland dehnte dies auch auf Verschreibungspflichtiges aus. Eine vom Bundesgesundheitsministerium flugs zusammengezimmerte Länderliste, in der die Länder aufgeführt sind, die einen mit Deutschland vergleichbaren Sicherheitsstandard beim Arzneiversand haben, sollte diese Erweiterung untermauern. Diese Länderliste ist jedoch nicht nur nach Auffassung des DAV äußerst fragwürdig. Wie zu hören war, will der DAV nach Analyse des Urteils über Rechtsmittel dagegen entscheiden.
Peter Ditzel
Banenrepublik oder Rechtsstaat?
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