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Fremdbesitzverbot mit Europarecht vereinbar: Gutachten widerspricht Hecken/DocMo
Der Zeitpunkt war geschickt gewählt: Am Dienstag, kaum mehr als achtzehn Stunden vor der Hecken-Pressekonferenz in der saarländischen Landesvertretung, stellte die Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft im Berliner Johannishof ihre Neuerscheinung mit dem Titel "Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz" vor. Das Buch geht auf ein umfangreiches Rechtsgutachten der beiden Gesundheitsrecht-Experten Professor Dr. Elmar J. Mand, Universität Marburg (Schwerpunkt: Gesundheitsrecht und Internationales Zivil- und Wettbewerbsrecht) und Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling, Stuttgart, zurück und setzt sich kritisch mit der These auseinander, dass das geltende Fremd- und Vielbesitzverbot in Deutschland dem europäischen Niederlassungsrecht widerspreche. Während die Neuerscheinung in Saarbrücken naturgemäß für einige Aufregung sorgt, zeigte die Presse am Rechtsgutachten beachtliches Interesse.
Nicht ohne Hintersinn fand die Pressekonferenz unweit des Bundesministeriums für Gesundheit statt. Die Verleger der Neuerscheinung, Dr. Christian Rotta und Dr. Klaus G. Brauer, sowie der Herausgeber der Zeitschrift Arzneimittel&Recht, Professor Dr. Hilko J. Meyer, Frankfurt/Main (Forschungsschwerpunkt: "Recht und Management im Gesundheitswesen") führten zunächst in die Thematik ein und skizzierten die europa- und apothekenrechtlichen Hintergründe des Falls Hecken/DocMorris.
Wider die grenzenlose Kommerzialisierung Entlang seines mit Professor Mand erstellten Gutachtens verdeutlichte Dettling, welchen Sinn und Zweck das Fremdbesitzverbot bei Apotheken in Deutschland für eine flächendeckende und seriöse Arzneimittelversorgung hat. Dettling zählt zu den profiliertesten Arzneimittel- und Apothekenrechtsexperten und ist u. a. Mitautor beim "Cyran/Rotta", einem Standardkommentar zur Apothekenbetriebsordnung. Vehement widersprach Dettling den zentralen Rechtsausführungen von Hecken/DocMorris & Co., mit denen das apothekenrechtliche Fremd- und Vielbesitzverbot unter Hinweis auf angeblich zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu Fall gebracht werden soll. Dettling: "Das Fremd- und Vielbesitzverbot ist ein angemessenes Mittel des präventiven Schutzes der Patienten und Verbraucher vor den Gefahren einer grenzenlosen Kommerzialisierung und Konzernierung des Gesundheitswesens. Die damit verbundenen Regularien sind europarechtlich durch geschriebene Rechtfertigungsgründe und zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs legitimiert. Dies gilt umso mehr, als bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und für die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt wird."
Die Autoren haben ihr Gutachten in vierzig Thesen zusammengefasst, die wir ab Seite 23 abdrucken.
In den Fall der mehr als umstrittenen DocMorris-Apotheke in Saarbrücken kommt Bewegung: Ein prominentes Rechtsgutachten erklärt das Viel- und Mehrbesitzverbot als durchaus vereinbar mit Europarecht, ein Bundestagsabgeordneter verlangt die Schließung, DAV und saarländische Kammer wollen klagen. Zurück aus seinem Urlaub, wollte der saarländische Justiz- und Gesundheitsminister Hecken auf einer Pressekonferenz sein Vorgehen im Fall DocMorris rechtfertigen. Zusammen mit Gutachter Streinz und DocMorris-Chef Däinghaus sollte plausibel gemacht werden, dass das deutsche Fremd- und Vielbesitzverbot bei Apotheken gegen Europarecht verstößt. Doch ein einen Tag vorher vorgestelltes Gutachten prominenter Gesundheitsrechtler kommt zum genau gegenteiligen Schluss.
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