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DAZ aktuell
Keiner versteht uns (Randnotiz)
Fälle wie die derzeit in Apothekerkreisen heiß debattierte, weil rechtlich fragwürdige Betriebserlaubniserteilung an eine saarländische DocMorris-Apotheke machen immer wieder schmerzhaft deutlich, dass die Apotheker in diesem Land nicht verstanden werden – von Politikern ebenso wenig wie von Journalisten, Juristen oder Patienten.
Die ministerielle Attacke auf einen der bewährten Stützpfeiler des deutschen Apothekenwesens – den Apotheker in seiner Apotheke – erhielt den spontanen Applaus der oberflächlich recherchierenden Medien, die den Widerstand der niedergelassenen Apotheker als konservativ-futterneidische Reaktion gegen innovativ-kreatives Denken darstellten. Auch aus der Ecke der Verbraucherschützer kam Jubel, schließlich glaubt man dort, dass der bisherige Arzneivertrieb zu teuer ist und an den alles heilenden Wettbewerb.
Niemand hat sich die Mühe gemacht, die Motive für die Entstehung des deutschen Apothekengesetzes zu würdigen. Dabei wäre aufgefallen, dass das Grundprinzip des Apothekers in seiner Apotheke durchaus einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz darstellt. Die Gesetzesmacher waren sich bewusst, dass ein Arzneimittel eine Ware besonderer Art darstellt und eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mehr umfassen muss als schnelle Verteilung zu möglichst niedrigem Preis. Sie wussten auch, dass in Notzeiten ein dichtes Apothekengesetz gebraucht wird, mit kurzen Wegen für den Patienten, am Tag und in der Nacht, an allen Tagen der Woche. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), wo das heutige Apothekengesetz fachlich geschaffen wurde, hätte dem saarländischen Minister diese Hintergründe vermitteln können. Es schwieg. Und es schweigt bis heute.
So verstärkt sich der Eindruck, dass einzelne Bundesländer geltendes deutsches Bundesrecht aufgrund von Gutachten beliebig aushebeln können. Zählt ein gekauftes professorales Gutachten mehr als die im Gesetzblatt dokumentierte demokratische Entscheidung der Volksvertreter? Wenn das ebenso mächtige wie anonyme EU-Recht tatsächlich das deutsche Apothekenrecht zu Gunsten von Aktiengesellschaften brechen sollte – warum wurde dies von den Rechtsexperten des BMG dann nicht längst bemerkt und korrigiert?
Werden zukünftig kapitalstarke Aktiengesellschaften die lukrativen Apothekenstandorte übernehmen? Die klassischen Apotheken sollen sich dann den weniger interessanten Rest, zum Beispiel auf dem flachen Land, teilen? Hat der vom BMG tatkräftig unterstützte Versandhandel mit Arzneimitteln in manchen Köpfen die örtliche Apotheke schon überflüssig gemacht?
Der Herbst naht und damit wird das vergessene Pandemierisiko wieder akut. Mal hören, wie die Journalisten, Juristen, Politiker, Verbraucherschützer und Patienten lamentieren, wenn die per Internet bestellte Billigarznei nicht dort ankommt, wo sie dringend gebraucht wird.
Wetten, dass man dann in Berlin und Brüssel laut nach neuen (alten) Gesetzen rufen wird?
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