Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose: Langfristig die Neurodegeneration hemmen

Ziel der Behandlung der multiplen Sklerose (MS) ist es nicht nur, die entzündlichen Prozesse zurückzudrängen, sondern auch, die Neurodegeneration aufzuhalten. Möglich scheint dies mit Glatirameracetat (Copaxone®) zu sein, welches nach dem Ergebnis einer neuen Langzeitstudie über zehn Jahre die Schubrate nachhaltig verzögert und die Behinderungszunahme bei schubförmiger MS bremst.

Ein Paradigmenwechsel ist bei der multiplen Sklerose die Erkenntnis, dass neben den entzündlichen Prozessen auch ein davon unabhängiger progredienter Verlust an Nervenzellen zu verzeichnen ist. Pro Jahr geht rund "ein Esslöffel Gehirngewebe" zugrunde, weshalb therapeutisch das Augenmerk zunehmend darauf gerichtet wird, diesen Zelluntergang zu stoppen. Denn die axonalen Schäden sind für den klinisch progredienten Verlauf der multiplen Sklerose wahrscheinlich sogar von noch größerer Bedeutung als die Demyelinisierung. Sie sind keineswegs nur in den Spätstadien der Erkrankung nachweisbar, sondern bereits vom Zeitpunkt der Diagnose an. Falsch ist zudem die Annahme, während klinisch unauffälliger Phasen "schlafe" die Erkrankung. Vielmehr ist auch in klinisch stummen Phasen ein fortschreitender Axonschaden nachweisbar.

Nervenwachstumsfaktor wird stimuliert Möglich ist eine Beeinflussung der pathogenetischen Prozesse durch den MS-spezifischen Immunmodulator Glatirameracetat (Copaxone®). Der Wirkstoff, ein Gemisch synthetischer Polypeptide, hemmt nicht nur die Entzündung sondern aktiviert bei regelmäßiger täglicher Injektion auch spezifische Immunzellen, die ins Gehirn einwandern und dort antientzündlich wirksame Zytokine sezernieren. Sie bilden außerdem den "Brain-derived neurotrophic factor", kurz BDNF, einen Wachstumsfaktor, der offenbar für den Schutz und die Regeneration axonaler Strukturen verantwortlich zeichnet.

In experimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sich unter dem Immunmodulator signifikant weniger frische Läsionen zu permanenten "Black Holes" entwickeln und es wurde ferner eine Reduktion der Gehirnatrophie gesehen. Das lässt vermuten, dass durch die Behandlung die Langzeitprognose deutlich gebessert werden kann, was sich in Studien bestätigt hat.

Deutlich reduzierte Schubrate So zeigt eine prospektive offene Langzeituntersuchung über zehn Jahre im Anschluss an eine zweijährige Zulassungsstudie, dass Glatirameracetat bei schubförmiger multipler Sklerose die jährliche Schubrate von durchschnittlich 1,2 auf 0,25 senkt. Gleichzeitig wird die Zunahme des Behinderungsgrades gemessen an der so genannten Expanded Disability Status Scale (EDSS, siehe Abbildung) gebremst. So wiesen nach zehn Jahren signifikant mehr Patienten unter Glatirameracetat einen stabilen Behinderungsgrad auf als Patienten, die die Behandlung mit dem Immunmodulator abgebrochen hatten. Immerhin waren neun von zehn Patienten unter kontinuierlicher Einnahme der Substanz trotz durchschnittlich 15-jähriger Erkrankungsdauer weiterhin gehfähig.

Christine Vetter, freie Medizinjournalistin

MS College – interaktives Internetportal zur MS

Fachkreisen wie auch Patienten und allgemein Interessierten steht zur weiteren Information über die MS das völlig neu überarbeitete Internetportal MS-College offen. Es handelt sich um ein interaktives Kommunikations- und Informationsforum mit auf die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer speziell zugeschnittenen Informationen und Serviceleistungen. Ziel des MS-College ist es, Betroffene und Angehörige besser über das Krankheitsbild zu informieren und Ärzte sowie Apotheker regelmäßig über die Neuentwicklungen in Diagnostik und Therapie auf dem Laufenden zu halten. Unabhängig davon soll auch allgemein die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit im Hinblick auf die multiple Sklerose gesteigert werden. Zu erreichen ist das Portal unter www.mscollege.de.

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