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- DAZ 38/2006
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Die Seite 3
Die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken ist geschlossen, der Rechtsstaat vorerst wieder hergestellt, aber das Problem dahinter und weitere damit verbundene Fragen sind deswegen noch lange nicht gelöst. Die Kräfte, die in Deutschland ein anderes Apothekensystem wollen, die Ketten wollen, die Kapitalgesellschaften oder andere Rechtsformen als Apothekeninhaber wollen, oder die sich auch politisch durch einen Umsturz des heutigen Apothekensystems profilieren wollen, geben noch lange keine Ruhe. Der Kampf und die juristischen Auseinandersetzungen werden weitergehen, viel Kraft kosten – der Ausgang ist offen. Es gibt sogar erste Gerüchte und Anzeichen, dass die DocMorris-Apotheke in Kürze ihre Türen wieder öffnen darf. Wir haben für Sie in dieser Ausgabe einen Hintergrundbeitrag zusammengestellt, der versucht, die Chronologie der Saarbrücker Ereignisse um die rechtswidrige Eröffnung der DocMorris-Apotheke darzustellen. Wir haben mit einer Klägerin gesprochen, die entschlossen ist, weiterzukämpfen – wenn es sein muss, bis zum Europäischen Gerichtshof. Wir wollten von der Kammer des Saarlands wissen, wie sie mit einer DocMorris-Apotheke umgeht, und wir haben die Apotheke selbst besucht und mit der Filialleiterin und ihrem wirtschaftlichen Manager gesprochen.
Der Apothekertag, der am Erscheinungstag dieser DAZ in München beginnt, wird sich mit den neuen Strömungen, die derzeit durch die deutsche Apothekenlandschaft ziehen, befassen müssen. Dazu gehören die Umsturzversuche durch ausländische Kapitalgesellschaften genauso wie die Auswirkungen, die durch die anstehende Gesundheitsreform auf die Apotheken zukommen. Sowohl die ökonomischen wie auch die politischen Kräfte haben das Potenzial, die Apotheke in eine Richtung zu verändern, die wir heute noch kaum abschätzen können. Die Zauberworte "Liberalisierung" und "mehr Wettbewerb" müssen dafür herhalten, dass ein gut funktionierendes System zerstört wird zugunsten von Kommerz, Billigbillig und Unsicherheit.
Neben DocMorris gibt es auch noch die Schweizer Zur Rose AG, die ihre Versandapotheke in Halle nur dadurch betreibt, dass sie, streng genommen, gegen das Fremdbesitzverbot verstößt und es geschafft hat, mit gerichtlich genehmigten Fünf-Euro-Gutscheinen Patienten zu ködern. Der Chef der AG, Walter Oberhänsli, setzt sich bereits in Deutschland dafür ein, dass Versandapotheke und Ärzte enger zusammenarbeiten. Beispiel: die in Viersen geplante Kooperation zwischen der Zur Rose AG und dem Ärztenetz und der KV Nord-rhein. Zur Rose – eine weitere Baustelle und Belastungsprobe für unser deutsches Apothekenrecht.
Können wir unser bisheriges System halten oder gewinnt der (vermeintliche) Zeitgeist die Oberhand, der glaubt, im Discount, im Wettbewerb, im Versand und in Billigpreisen liegt das Paradies der Arzneidistribution und die Lösung für das Kostenproblem der Krankenkassen? Wo also, geht's lang in der deutschen Pharmazie? Das sollten wir auf dem Apothekertag diskutieren – und was wir dagegen anbieten können.
ABDA-Präsident Wolf spricht in unserem Interview (siehe die DAZ-Montagsausgabe vom 18. September) von einer "geraden Furche", die die ABDA pflüge: Der Apotheker ist Heilberufler und die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden. Wenn das mal reicht und wenn es denn mal mit geraden Furchen getan ist. Vielleicht sollten wir auch mal – um im Bild zu bleiben — über den eigenen Acker hinaus schauen...
Man wird Hebel, Hecken, Däinghaus, Glaeske, Oberhänsli, Ulla Schmidt und all die anderen Möchte-gern-Reformer, die letztlich wohl nur ihre Pfründe im Sinn haben, nicht überzeugen. Aber wir haben noch Chancen bei einigen Politikern und bei den meisten unserer Kunden und Patienten. Die müssen wir von uns und unseren Leistungen überzeugen und mit unseren Argumenten erreichen. Die Zeit der Debatten ist vorbei, wir müssen Protest zeigen. Auf dem Apothekertag soll er stattfinden – hoffen wir, dass er nach außen dringt. Im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe schließen für einen Tag die Apotheken – zaghafter Anfang einer nötigen Außenwirkung.
Wir Apotheker haben viel zu bieten für unser Gesundheitssystem. Der Apothekertag wird Angebote an die Politik herausarbeiten, mit denen wir auch weiterhin eine tragende und preiswerte Rolle im System spielen. Doch keiner wird es wissen wollen. Mir scheint, unser Dilemma spitzt sich auf eine schlagkräftige Öffentlichkeitsarbeit zu. Was lässt sich da machen? Auch ein Thema für den Apothekertag!
Peter Ditzel
Wo geht's lang, bitte?
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