Hintergrund

Ansichten einer Klägerin: "Wir wollen alle juristischen Möglichkeiten ausschö

Apothekerin Helga Neumann-Seiwert betreibt die Stadt-Apotheke in Saarbrücken und ist damit unmittelbar Mitbewerberin der DocMorris-Apotheke. Noch am gleichen Tag, als die DocMorris-Apotheke eröffnet wurde, leitete sie rechtliche Schritte dagegen ein. Zum einen fühlt sie sich wirtschaftlich bedroht, zum andern wehrt sie sich vehement gegen den Rechtsbruch des Justizministers Hecken. Sie will weiterkämpfen Ų wenn es sein muss, bis zum Europäischen Gerichtshof. Dafür bittet Sie um –finanzielle Unterstützung.

DAZ:

Wann und durch wen haben Sie zum ersten Mal davon erfahren, dass DocMorris die Rats-Apotheke in Saarbrücken übernimmt?

Neumann:

Wir haben das in meiner Apotheke eine halbe Stunde nach Eröffnung der DocMorris-Apotheke am Montag, den 3. Juli 2006, erfahren. Eine meiner Mitarbeiterinnen kommt auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz an dieser Apotheke vorbei. Dabei sah sie, dass sich in dieser Apotheke etwas tut. Im Vorfeld wurde bei dieser Apothekeneröffnung alles geheim gehalten. Die Presse wurde nicht vorher informiert, auch nicht die entsprechenden Gremien. Der Minister hat selbst enge Mitarbeiter, die Kammer und die Pharmazieräte nicht informiert. DAZ: Wie war Ihre Reaktion darauf?

Neumann:

Ich habe sofort meinen Rechtsanwalt, Herrn Dr. Dettling, angerufen und mich mit ihm beraten, was in diesem Fall machbar ist. Die Entscheidung ist dann relativ schnell gefallen. Wir haben uns überlegt, wettbewerbsrechtlich und gegebenenfalls auch verwaltungsrechtlich gegen die DocMorris-Apotheke vorzugehen. Innerhalb von einer Woche ist dann meine Wettbewerbsklage heraus gegangen. DAZ: Fühlten Sie sich als Mitbewerberin der DocMorris-Apotheke wirtschaftlich bedroht?

Neumann:

Die DocMorris-Apotheke liegt in meinem nächsten Umfeld, etwa 400 Meter von mir entfernt. Ein Konkurrent mit überlegener Finanzmacht ist immer eine Bedrohung. Die Existenzfrage liegt dann klar auf dem Tisch, wenn dieser Präzedenzfall Schule macht und Apothekenketten den deutschen Markt überrollen. Mein Hauptanliegen mit dieser Klage war allerdings, auf den damit verbundenen Rechtsbruch hinzuweisen. Ich hatte mich mit dem Thema Fremdbesitzverbot bereits im Vorfeld beschäftigt. Es liegt auf der Hand, dass es nicht mit deutschem Recht vereinbar ist, wenn eine ausländische Aktiengesellschaft als Apothekenbesitzerin in Deutschland auftritt. Der Rechtsbruch durch den Justizminister hat mein Vertrauen in den Rechtsstaat zutiefst erschüttert. Ich war der Meinung, dass die Saarbrücker Apotheker gefordert sind und sofort dagegen vorgehen müssen, um eine Wiederholung dieses Vorgangs zu vermeiden. Als wir festgestellt haben, dass sich das Landgericht auf eine formale Argumentation zurückziehen und eine Entscheidung in der Sache vermeiden wollte, reichte mein Rechtsanwalt - neben der Klage der Verbände - eine weitere Verwaltungsklage mit mir als Klägerin ein. Mit ein und derselben Klägerin vor beiden Gerichten soll absolut deutlich gemacht werden, dass sich jedenfalls ein Gericht mit den sachlichen Rechtsfragen befassen muss, um dem grundgesetzlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gerecht zu werden. DAZ: Frau Neumann, waren Sie enttäuscht, als Sie erfuhren, dass das Landgericht Saarbrücken keine einstweilige Verfügung gegen DocMorris erlassen hatte?

Neumann:

Wir waren nicht enttäuscht, weil wir auf alles vorbereitet waren. Das Landgericht Saabrücken hat die Rechtslage selbst noch in der mündlichen Verhandlung als offen bezeichnet. Darüber hinaus haben wir mit der wettbewerbsrechtlichen Klage eine wichtige Vorarbeit für die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen geleistet. Das Landgericht Saarbrücken hat festgestellt, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen meiner Apotheke und der DocMorris-Apotheke besteht. Die Begünstigung der DocMorris-Apotheke durch den Minister stellt eine unfaire, rechts- und verfassungswidrige Verzerrung des Wettbewerbs dar, was auch für die Verwaltungsgerichte von entscheidender Bedeutung ist. DAZ: Schauen wir in die Praxis. Gibt es Reaktionen von Seiten Ihrer Kunden auf die DocMorris-Apotheke? Haben Sie festgestellt, dass Sie Kunden verloren haben?

Neumann:

Bislang sind noch keine wesentlichen Veränderungen der Kundenströme festzustellen. Wir bemerken jedoch, dass häufiger Laufkundschaft in die Apotheke kommt, um nach Preisen zu fragen und um Preisvergleiche anzustellen. Große Teile unserer Stammkunden bekunden ihre Solidarität mit uns und wissen sehr wohl unsere Kompetenz, Freundlichkeit und Lieferfähigkeit oder auch unseren Bringservice zu schätzen. Ob dies auch in Zukunft so bleibt, müssen wir abwarten. DAZ: Merken Sie, dass sich nach Eröffnung der DocMorris-Apotheke in der Apothekerschaft von Saarbrücken etwas getan hat? Ist mehr Wettbewerb ausgebrochen? Zeigt sich ein Preiskampf im OTC-Bereich zwischen den Apotheken? Oder ist vielleicht sogar ein Wir-Gefühl entstanden?

Neumann:

Im Augenblick haben wir eine Situation, in der die Apotheken wieder miteinander kommunizieren. Wir sind der Meinung, dass wir unsere heilberufliche Leistung in den Vordergrund stellen wollen. Wir bereiten uns ferner sowohl auf eine positive als auch auf eine negative Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor. Also, ein Wir-Gefühl hinsichtlich Kampf, aber nicht bei den Preisen. DAZ: Haben Sie Kontakt zu den Pharmazieräten?

Neumann:

Ich weiß, dass die Pharmazieräte wegen der Entscheidung des Ministers Hecken aufs Äußerste verärgert sind. Sie haben ihre Überwachungstätigkeit niedergelegt, was nicht ohne Folgen blieb: Sie wurden vom Ministerium abgemahnt, das Ministerium hat ihnen Disziplinarmaßnahmen angedroht. DAZ: Frau Neumann, haben Sie sich ausreichend von Kammer und Verband, von der ABDA unterstützt gefühlt?

Neumann:

Konkret wurde ich von der ABDA nicht unterstützt. Es hat allerdings Gespräche zwischen dem ABDA-Justiziar und meinem Anwalt gegebenen. Auch von Seiten der Apothekerkammer des Saarlands habe ich relativ wenig Unterstützung bekommen, ebenfalls keine Unterstützung vom Verband.

Massive Unterstützung habe ich allerdings von meinen Kollegen der 1A-Gesund-Apotheken, einer Apothekenkooperation im Saarland, erhalten, durch Rat und Tat und auch finanziell. In der Gruppierung der 1 A-Gesund-Apotheken arbeiten 24 saarländische Apotheken eng miteinander zusammen. Wir setzen viele Maßnahmen über den Einkauf hinaus um, wir verstehen uns als Netzwerk zum Beispiel in Richtung Mitarbeiterschulungen, Prävention, Verhandlungen mit anderen Gesundheitsanbietern, Aktionen, Marketing, PR, usw. DAZ: Wie geht es jetzt weiter, Frau Neumann, was sind Ihre nächsten Schritte in Sachen DocMorris?

Neumann:

Wir haben uns vorgenommen, alle rechtlichen Instrumente zu nutzen und alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Wir müssen im letzten Schritt dann wahrscheinlich auch beim Europäischen Gerichtshof vorstellig werden. Wie lange dies dauern wird, ist nicht vorhersehbar. DAZ: Das wird teuer werden, wer bezahlt dies?

Neumann:

Die Kosten können natürlich nicht von mir allein getragen werden. Vor diesem Hintergrund möchte ich alle Kolleginnen und Kollegen aufrufen, einen finanziellen Beitrag für die Prozesskosten zu leisten. Der Verein, in dem die 1 A-Gesund-Apotheken organisiert sind, hat ein Spendenkonto hierfür aufgelegt. Wir bitten alle, sich daran zu beteiligen, zumal es ein Musterprozess für alle Apotheken Deutschlands wird. Auch große Unternehmen sind eingeladen, uns zu unterstützen.

DAZ:

Vielen Dank für das –Gespräch.

Bitte um Unterstützung

In Saarbrücken wurde durch das Gesundheitsministerium des Saarlandes eine DocMorris-Apotheke entgegen deutschem Recht eröffnet. Dies führte zu einer Verwaltungsklage durch Verbände und drei saarländische Apotheker sowie zu einer Wettbewerbsklage (Helga Neumann-Seiwert./. DocMorris) beim Landgericht Saarbrücken und einem Nebenverfahren am Verwaltungsgericht (Helga Neumann-Seiwert./. Gesundheitsministerium Saarland). Alle Verfahren von Frau Neumann-Seiwert weden voraussichtlich durch alle Instanzen auf Bundes- und Europaebene geführt werden. Da die beiden letzten Prozesse von einer einzelnen Apothekerin geführt werden – für die deutsche Apothekerschaft in ihrer Gesamtheit – wurde ein Spendenkonto eingerichtet, das dazu dienen soll, die Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten zu decken.

Apothekerinnen und Apotheker sind daher aufgerufen, diese Klage mit einem Betrag von 250 Euro (oder ein Vielfaches davon) zu unterstützen. Ein treuhänderisch verwaltetes Konto wurde von einem Verein von 24 saarländischen Apothekerinnen und Apothekern eingerichtet:

1A-Gesund e.V.

Deutsche Apotheker- und Ärztebank

BLZ 590 906 26

Konto 0006815529

Ein Überschuss wird nach Abschluss der Verfahren selbstverständlich –anteilmäßig zurückerstattet. Die Spenden sind steuerlich absetzbar.

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